Prof. Heribert Nacken: „Rheinisch gesagt: Man sollte sich die Arbeit einfacher machen“
Seit 22 Jahren ist Heribert Nacken als Professor für Hydrologie an der RWTH Aachen tätig. Vom ersten Tag an gehörte das Teilen von Lehrmaterialien für ihn dazu – „aus Überzeugung“, wie der 62-Jährige selbst sagt. Über die Jahrzehnte ist ein beachtlicher Pool an OER-Materialien von ihm entstanden. Auch auf ORCA.nrw finden sie sich, unter anderem aus dem OERContent.nrw-Projekt „HydroOER“, das Prof. Nacken leitet. Im Kurz-Interview verrät der Experte für Avatar-basiertes Lehren und Lernen, warum es keine 433. Darstellung des Wasserkreislaufs braucht und wie er mit seinem Team über eine Million Videoaufrufe auf YouTube erreicht hat.
Herr Prof. Nacken, warum sollte man OER nutzen und bereitstellen?
Prof. Heribert Nacken: Das Erstellen und Nutzen haben die gleiche Zielrichtung. Ein bisschen rheinisch gesagt: Man sollte sich die Arbeit einfacher machen. Ein ganz konkretes Beispiel aus der Hydrologie: Jede neu berufene Professorin oder jeder neu berufene Professor fängt an, die Vorlesungsunterlagen zusammenzustellen. Was machen dann alle? Sie erklären den Wasserkreislauf. Also gibt es die 433. Darstellung des Wasserkreislaufs. Keiner von uns hat aber den Wasserkreislauf erfunden, physikalisch betrachtet ändert er sich auch nicht. Das macht also keinen Sinn. Vor Jahr und Tag ist in den Niederlanden mal für die Schulen überprüft worden, wie viele frei verfügbare Abbildungen es zum Wasserkreislauf gibt, und man kam auf die Zahl von über 280. Das erklärt ganz gut die Thematik. Meine Empfehlung ist daher, fachbezogene Netzwerke zu bilden und uns bei den Basisanforderungen untereinander auszutauschen. Dafür sind OER wunderbar, denn ich werde auf jeden Fall eine Abbildung finden, die ich nutzen kann.
Wann haben Sie persönlich schon von OER profitiert?
Nacken: Ich würde mich eher zur Gruppe derer zuordnen, die Inhalte generieren. Seit ich 2001 angefangen habe, habe ich sicher auch mehr Inhalte erstellt als genutzt. Wir haben unsere Materialien schon früh im Lern-Management-System Moodle zur Verfügung gestellt und machen das noch heute. Unter einer CC-BY 4.0-Lizenz findet sie jeder und kann sie von unseren Servern herunterladen. Der Content aus unserem geförderten OERContent.nrw-Projekt HydroOER ist zudem auf ORCA.nrw hochgeladen. Für uns ist es aber unabhängig von einer Förderung klar, dass wir die Inhalte zur Verfügung stellen, weil ich überzeugt bin, dass es gut ist zu teilen.
Welches OER-Material ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
Nacken: Wir erstellen viele Inhalte, daher ist es schwer, ein Material hervorzuheben. Wir haben zum Beispiel ganze Kurse im Angebot, erstellen Inhalte aber auch granularer: Zum Beispiel haben wir Fragen in H5P generiert und arbeiten viel mit Videos. Bei uns an der Fakultät haben wir einen eigenen YouTube-Kanal mit OER-Medien, die mittlerweile über eine Million Mal aufgerufen wurden. In den Videos soll immer ein Standardsachverhalt aus dem Bauingenieurwesen visualisiert werden – ohne Vertonung. Jeder Dozent stellt ein Thema ja individuell dar, und so kann man die Videos nutzen, um ein Thema mit ihrer Hilfe dann auf seine eigene Art und Weise zu erklären. Zum Beispiel haben wir in einem Video versucht, die jährliche Niederschlagsmenge in Aachen bildlich darzustellen.
Was wünschen Sie sich, wenn Sie Material veröffentlichen?
Nacken: Ich freue mich immer, wenn die zur Verfügung gestellten Materialien von anderen Lehrenden genutzt werden. Es bedeutet dann, dass das Material so gut ist, dass es jemand in seiner Lehre einsetzt.
Auf LinkedIn präsentiert Prof. Dr. Heribert Nacken seine „3 Gründe für OER“.