Prof. Michael Liebendörfer: „OER rechtfertigen den hohen Aufwand“
In dieser Rubrik beleuchten wir in regelmäßigen Abständen den Antrieb und die Motivation von OER-Erstellerinnen und Erstellern. Dazu ist in dieser Ausgabe Prof. Dr. Michael Liebendörfer von der Universität Paderborn zu Gast. Der Mathematiker beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Erstellung von Lernvideos für schulmathematische Inhalte und leitet in Paderborn das Projekt „studiVEMINTvideos“, das angehende Mathematik-Studierende beim Übergang von Schule zu Hochschule unterstützen soll.
Herr Prof. Liebendörfer, warum sollte man OER nutzen und bereitstellen?
Prof. Michael Liebendörfer: Wir fahren einen riesigen Aufwand, um digitale Medien zu erstellen. Anders als bei einem Buch, kann man zum Beispiel bei Lernvideos nicht einfach Tippfehler für die zweite Auflage korrigieren. OER sind die einzige Chance, den hohen Aufwand zu rechtfertigen. Wenn viele Leute die Medien nutzen können, sind sie Arbeitsaufwand wert.
Wann haben Sie persönlich schon von OER profitiert?
Liebendörfer: Ich habe vor allem mit kleinen Einheiten gute Erfahrungen gemacht, die man gut in die eigene Lehre integrieren kann. In meinen Stochastik-Vorlesungen brauche ich zum Beispiel Visualisierungen, am besten statische und dynamische. Für beides bediene ich mich sehr gern bei OER-Materialien. Wenn man dann dabei ist, kommt man schnell auf kompliziertere Dinge wie Simulationen mit veränderbaren Parametern und integrierter Visualisierung. Da habe ich viel in meine Vorlesungen integriert, was ich selbst nicht einfach erstellen könnte.
Welches OER-Material ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
Liebendörfer: Als Mathematiker mag ich GeoGebra-Applets sehr. Man kann auch relativ komplizierte Zusammenhänge oder Beweisideen visualisieren. Mit ein oder zwei Schieberegler können Studierende dann diese Zusammenhänge selbst erkunden. Solche Applets können einen Zugang zu einem mathematischen Thema herstellen, bevor man sich mit Schreibweisen und Definitionen beschäftigt. Das hilft beim Verstehen sehr. Wir haben deshalb in unserem studiVEMINT-Material viele GeoGebra-Applets integriert.
Was wünschen Sie sich, wenn Sie Material veröffentlichen?
Liebendörfer: Ich will, dass Studierende – egal ob noch vor Beginn des ersten Semesters oder später – noch einmal auf die Schulmathematik schauen können und möglichst viele Zusammenhänge sehen. Es gibt bereits viele Lernvideos im Netz, die aus dem Schulstoff vor allem die Rechenverfahren herausgreifen. Wir wollen in studiVEMINTvideos deutlich machen, dass sich Mathematik immer begründen lässt. Wer die zentralen Ideen hinter den Konzepten versteht, kann sich alles leichter merken, es leichter anwenden und erkennt auch die Grenzen von Aussagen und Verfahren. Außerdem macht Mathematik viel mehr Spaß, wenn man Aha-Momente erlebt.
Auf LinkedIn präsentiert Prof. Dr. Michael Liebendörfer seine „3 Gründe für OER“.