Matthias Kostrzewa: „Der Schneeballeffekt ist am schönsten“

So simpel die Frage „Warum OER?“ klingt, so vielschichtig kann die Antwort sein. Mit vier Fragen an Erstellerinnen und Ersteller von Open Educational Resources (OER) wollen wir ihr in diesem neuen Format auf den Grund gehen. Den Anfang macht Matthias Kostrzewa, Digitalisierungsbeauftragter der Professional School of Education Bochum, Mitglied im Universitätsverbund digiLL und OER-Enthusiast. Im Interview erklärt der 30-Jährige, wie OER seine eigene Arbeit verändert hat, welches Buch über OER er im Schlaf runterbeten kann und warum sein erster Kontakt mit einer CC-Lizenz fast sein letzter gewesen wäre.

 

Herr Kostrzewa, warum sollte man OER nutzen und bereitstellen?

Matthias Kostrzewa: Zunächst einmal werden wir alle durch Steuergelder bezahlt, daher bin ich der Meinung: Was aus öffentlicher Hand gezahlt wird, sollte auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Also die klassische Forderung: „öffentliches Geld – öffentliches Gut“. Dazu kommt für mich aber der Aspekt der Bildungsgerechtigkeit. Zugang zu Bildung zu ermöglichen, ist die zentrale Aufgabe des digitalen Wandels, da kann OER enorm helfen. Und der dritte Punkt ist ein ganz persönlicher: Die Arbeit mit OER verändert das eigene Tun, weil man mehr über Transparenz nachdenkt und durch die Veröffentlichung viele neue Kontakte knüpft.

 

Wann haben Sie persönlich schon von OER profitiert?

Kostrzewa: (lacht) Auf jeden Fall nicht beim ersten Kontakt mit einer CC-Lizenz. Ich habe vor einigen Jahren im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit die Website meiner Kirche betreut und damals ein Foto von Wikipedia genommen und hochgeladen, allerdings wurde aufgrund eines technischen Fehlers die CC-Lizenz nicht richtig angezeigt. Vom Fotografen bin ich dann abgemahnt worden, und ich sollte eine horrende Strafe zahlen. Wie sich später herausstellte, war das aber seine Masche, und mit juristischem Beistand bin ich unbeschadet aus der Geschichte rausgekommen. Die Erfahrung war aber natürlich ein Schock. Wenn ich aus heutiger Sicht aber die Frage beantworte, muss ich sagen: Durch OER habe ich nicht weniger als meinen Job. Und ohne OER wäre der auch nicht mal halb so schön.

 

Welches OER-Material ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?

Kostrzewa: Da gibt es echt eine ganze Menge. Ich bin grundsätzlich eher ein Fan von kompakten Materialien, weil sie sich leichter weiternutzen lassen. Ich mag aber natürlich auch umfangreiches Material, wenn man es gut weitergeben kann. Zum Beispiel die zwölf Online-Kurse, die vom OER-Camp während der Pandemie produziert wurden. Dort bekommst du zum Beispiel eine H5P-Fortbildung, die sich wirklich sehen lassen kann. Insgesamt gibt es viel zu viele gute Materialien, die teilweise leider noch sehr versteckt liegen, von daher ist die Frage gar nicht einfach zu beantworten. Wenn ich mich aber festlegen muss, nehme ich das Material über OER, das ich tatsächlich auch am häufigsten benutze: das Buch „Was ist OER?“ von Jöran Muuß-Merholz. Es ist einfach das Nachschlagewerk. Ich glaube, ich weiß mittlerweile auswendig, was zum Beispiel auf Seite zwölf steht.

 

Was wünschen Sie sich, wenn Sie Material veröffentlichen?

Kostrzewa: Als Erstes natürlich, dass Menschen es nutzen, weil sie einen Wert darin sehen. Wir laden ja hoch, damit unser Material genutzt wird. Dann schafft das Hochladen aber natürlich auch Sichtbarkeit für die eigene Arbeit, das sage ich ganz offen. Aber das Schönste ist, wenn der Schneeballeffekt eintritt. Wenn also jemand nicht nur gefunden hat, wonach er sucht, sondern weitere Materialien findet, an die er vorher gar nicht gedacht hat. Dann ist OER ein Türöffner in eine neue Themenwelt.

 

Auf LinkedIn präsentiert Matthias Kostrzewa seine „3 Gründe für OER“.