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Kristina Seidler-Rolf: „Bei KomVor Pflege geht’s um die drei Kernkompetenzen in der Pflege“

Planen, Steuern und Evaluieren sind in der professionellen Pflege die drei Kernkompetenzen, auch Vorbehaltsaufgaben genannt. Im Projekt „Kompetenzentwicklung durch digitale OER-Lehr-Lernmaterialien für die Vorbehaltsaufgaben der Pflege – kurz KomVor Pflege – werden für diese wichtigen Aufgaben digitale Lehr-/Lernmaterialien erstellt. Projektleiterin Kristina Seidler-Rolf von der Hochschule Bielefeld verrät im Interview, wie es vom Gesetz zum wissenschaftlichen Projekt kam, wie wichtig Fallbeispiele in der Lehrpraxis sind und wie die Zusammenarbeit unter den beteiligten Hochschulen läuft. Neben der konsortialführenden Hochschule Bielefeld sind auch die Hochschule für Gesundheit in Bochum, die Universität zu Köln sowie die Universität Paderborn involviert. KomVor Pflege ist eines von 18 Projekten aus der zweiten Förderrunde der OERContent.nrw-Förderlinie und soll 2024 fertiggestellt sein. Die OER-Materialien werden anschließend auf dem Landesportal ORCA.nrw abrufbar sein.

 

Frau Seidler-Rolf, die Pflegestudiengänge zählen zu den jüngeren an Hochschulen. Warum ist es generell sinnvoll, im Pflegebereich ein Studium anzubieten?

Kristina Seidler-Rolf: Beides ist wichtig – sowohl die Ausbildung als auch das Studium. Die Anforderungen an die Pflege sind in der jüngeren Vergangenheit immer anspruchsvoller geworden. Gerade wenn es um hochkomplexe und intensive Pflege geht, kann das Studium sehr sinnvoll sein. Man taucht noch tiefer ein in die Pflegewissenschaft und -forschung.

 

Mit dem Projekt KomVor Pflege wollen Sie und Ihr Team einen Beitrag dazu leisten. Wie entstand die Idee zum Projekt?

Seidler-Rolf: Vor unserem aktuellen Projekt lief an der Hochschule in Bielefeld schon das Projekt DiFuSiN, in dem es um den Einsatz von digitalen Tools in der Pflege ging. Ich bin damals noch nicht Teil des Teams gewesen, die Kollegen haben mir aber berichtet, dass sie dabei die Bedeutung von digitalen Lehr-/Lernmaterialien erkannt haben – sowohl für Studierende als auch für Lehrende. Als dann in Deutschland das Pflegeberufegesetz eingeführt worden ist, sind auch die Vorbehaltsaufgaben in die hochschulische Ausbildung mit aufgenommen worden, sodass der Gedanke aufkam, diesen wichtigen Part in einem neuen Projekt zu vertiefen. Und zu guter Letzt hat sicher auch die Corona-Pandemie den Prozess angeschoben, denn es war klar, dass es mehr digitales Material in unserem Bereich braucht.

 

Auf den eben angesprochenen Vorbehaltsaufgaben basiert Ihr Projekt, diese werden sogar im Projektnamen genannt. Was sind aber genau Vorbehaltsaufgaben in der Pflege?

Seidler-Rolf: Die Vorbehaltsaufgaben sind die Kernkompetenzen in der professionellen Pflege und Voraussetzung für eine Berufszulassung in unserem Bereich. Sie heißen so, weil sie nach dem Pflegeberufegesetz ausschließlich dem ausgebildeten Fachpersonal vorbehalten sind. Dazu gehört erstens den Pflegebedarf einer Person zu erkennen und richtig einzuschätzen, zweitens den Pflegeprozess zu organisieren und zu steuern und drittens die Pflegemaßnahmen zu bestimmten Zeitpunkten zu evaluieren und damit die Qualität der Pflege zu sichern. Diese drei gesetzlich festgelegten Vorbehaltsaufgaben nehmen wir in unserem Projekt auf, denn es unterteilt sich in die Phasen: planen, steuern und evaluieren.

 

Darüber hinaus behandeln Sie im Projekt die Pflegephänomene Schmerz, Immobilität und Gesundheitskompetenz.

Seidler-Rolf: Genau, wir entwickeln Fallbeispiele zu allen drei Pflegephänomenen und haben uns aufgeteilt: Jede der drei beteiligten Hochschulen erstellt Fälle für jeweils ein Phänomen. Wir an der Hochschule Bielefeld kümmern uns um die Gesundheitskompetenz, also die Fähigkeit, gesundheitsrelevante Informationen zu finden, zu verstehen und sie für die Gesundheit von sich selbst und anderen zu nutzen. Studierende üben das exemplarisch an mehreren Fällen, um das Wissen später in der Praxis einsetzen zu können.

 

Wie werden die Fälle entworfen?

Seidler-Rolf: Das Wichtigste ist, dass sie nicht zu konstruiert, sondern authentisch sind. Wir konzipieren einige Fälle im Team selbst, andere sind real und werden von uns noch angepasst oder erweitert. Manchmal lassen wir zum Beispiel einen real existierenden Fall etwas komplexer werden oder nehmen den ein oder anderen Punkt noch mit auf. Zum einen, damit ein systematischer Aufbau aller Inhalte funktioniert, aber auch, damit jeder Fall an sich auch didaktisch sinnvoll ist.

 

Wie soll später das Material aussehen?

Seidler-Rolf: In der Praxis könnte es in einem Fall zum Beispiel um die Gesundheitskompetenz bei einem Menschen mit Asthma gehen. Eine Frage wäre dann: Sind die Maßnahmen, die bei der Person getroffen wurden, um sich mit der eigenen Gesundheit zu beschäftigen, sinnvoll und ausreichend? Das würde unter die dritte Vorbehaltsaufgabe, also das Evaluieren, fallen. Da bei unserem Projekt immer das selbstgesteuerte Lernen im digitalen Raum im Fokus steht, kann das Material ganz unterschiedlich aussehen. Wir arbeiten mit Texten, Videos, audiogestützten Inhalten, und in alle Einheiten sind H5P-Elemente implementiert, die selbst gesteuert werden können.

 

Wie läuft die Zusammenarbeit unter den beteiligten Hochschulen?

Seidler-Rolf: Wir hatten eine Kick-off-Veranstaltung mit allen beteiligten Hochschulen. Jetzt findet mit allen Projektbeteiligten monatlich ein Online-Jour-Fixe statt, in dem wir eruieren, wie der Stand bei den einzelnen Partnern ist. Auf der Ebene der wissenschaftlichen Mitarbeitenden treffen wir uns alle 14 Tage. Dann tauschen wir uns inhaltlich über Schwerpunktthemen aus. Zudem gibt’s natürlich gerade bei uns als Hochschule Bielefeld noch reichlich andere Absprachen, weil wir die Konsortialführung innehaben.

 

Bis zur Veröffentlichung auf ORCA.nrw haben Sie noch ein wenig Zeit, aber was müsste passieren, damit KomVor Pflege ein voller Erfolg wird?

Seidler-Rolf: Ich wünsche mir, dass die Materialien von Lehrenden und Studierenden gut und viel genutzt werden. Wenn sie später noch für den jeweiligen Bereich angepasst würden, wäre das optimal. Und natürlich würden wir uns freuen, wenn wir nach der Veröffentlichung reichlich Rückmeldungen bekommen würden, um das Feedback noch einarbeiten zu können. Dann hätten wir einiges erreicht.

 

Porträt von Kristina Seidler-Rolf

 

Zur Person:

Kristina Seidler-Rolf (49) ist gelernte Krankenschwester mit Weiterbildung in der Fachrichtung Palliativ-Care und mehrjähriger Praxiserfahrung in diesem Bereich. Über eine Stelle als Dozentin an einer Pflegeschule fand sie den Weg an die Hochschule und startete 2017 ihr Bachelor-Studium der Pflegewissenschaft, 2021 schloss sie ihren Master in Pflegepädagogik ab. Seit Juli 2022 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Bielefeld und leitet dort das Projekt KomVor Pflege.

Digitale Hochschullehre weiter ausbauen: Land fördert zwölf Konzepte mit rund sieben Millionen Euro

Digitale Lern-Formate für Studentinnen und Studenten wie Online-Kurse, Lern-Videos oder virtuelle Labore können die Hochschullehre effektiv bereichern. Das Land fördert daher den weiteren Ausbau von E-Learning-Angeboten an den nordrhein-westfälischen Hochschulen mit rund sieben Millionen Euro. Im Rahmen des Programms „OERContent.nrw“ (Open Educational Resources) unterstützt das Land zwölf Projekte. Die Vorhaben, an denen jeweils mindestens drei Hochschulen beteiligt sind, werden ab September in bis zu zwei Jahren umgesetzt. Es ist die dritte Runde des Förderprogramms vom Land und der Digitalen Hochschule NRW (DH.NRW).

 

Wissenschaftsministerin Ina Brandes: „Der persönliche Kontakt von Lehrenden und Studentinnen und Studenten ist einzigartig und durch nichts zu ersetzen. Gleichwohl haben wir in der Corona-Pandemie gelernt, dass digitale Lehrangebote äußerst effektiv sein können. In smarten Online-Seminaren steckt viel Potenzial, die analoge Lehre optimal zu ergänzen: E-Learning-Angebote sind überall und immer verfügbar. Diese Flexibilität schafft neue Freiräume für unsere Lehrenden und für Studentinnen und Studenten. Deshalb wollen wir die Online-Lehrangebot weiter ausbauen.“

 

OERContent.nrw ist die größte bundesweite Förderlinie für offene Bildungsressourcen. Nach Abschluss der jeweiligen Projekte müssen die E-Learning-Angebote in die Materialsammlung des Landesportals für Studium und Lehre ORCA.nrw (Open Resources Campus NRW) eingestellt werden.

 

Übersicht über die zwölf Projekte der dritten OERContent.nrw-Förderrunde

 

Prof. Tobias Brandt (INNO4S): „Reale Beispiele machen Nachhaltigkeit greifbar“

Kaum Themen haben in der Lehre so sehr an Relevanz gewonnen, wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Innovation. Doch wie bringt man Studierenden diese großen Themenfelder bestmöglich bei? Professor Tobias Brandt von der Universität Münster hat zusammen mit der Universität Paderborn und der Universität zu Köln mit dem Projekt „Digital Innovation for Sustainable Development“ (INNO4S) eine Antwort. Anhand von sechs realen Fallbeispielen sollen Studierende in sogenannten Teaching Cases Lösungsszenarien kreieren. Dabei haben sie stets die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen im Blick und begeben sie sich gedanklich unter anderem mal 9.000 Kilometer weiter weg. INNO4S ist eines von 18 Projekten aus der zweiten Förderrunde der OERContent.nrw-Förderlinie und soll bis Ende 2024 fertiggestellt sein. Die Kurse und Materialien werden dann auf dem Landesportal ORCA.nrw abrufbar sein.

 

Herr Professor Brandt, was galt zu Ihrer Studienzeit in den Wirtschaftswissenschaften als innovativ, digital oder nachhaltig?

Prof. Tobias Brandt: Das Besondere und Neue im Bereich der Digitalisierung war sicher das Aufkommen der großen Plattformen. Ich erinnere mich noch gut: eBay war damals das große Ding, und auch Google kam als riesiger Player auf den Markt. Ich habe 2011 mein Diplom abgeschlossen und gehörte damit zur ersten Studienabschluss-Generation mit Smartphone. Eine wirkliche Vorstellung, wohin das alles führen würde – Stichwort: universelle Erreichbarkeit – hatte damals aber noch niemand – auch nicht an der Universität. Und auch die gedankliche Verbindung zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit gab es noch nicht. In meiner Diplomarbeit 2011 habe ich mich dann mit „Green-IT“ beschäftigt, also der Frage, wie man die Energiekosten der Kommunikationstechnologie reduzieren kann. Mit dem Thema war man aber eher noch ein Außenseiter.

 

Was hat sich seitdem mit Blick auf die drei großen Wörter Digitalisierung, Innovationen und Nachhaltigkeit in der Lehre verändert?

Brandt: Sehr viel! Das Thema Nachhaltigkeit hat gerade einen enormen Boost. Zugegeben: Es hat auch lange gedauert, bis die Relevanz flächendeckend verstanden wurde. Die Erwartung an eine BWL- und VWL-Fakultät ist heute, dass sich das Thema Nachhaltigkeit durchs komplette Studium zieht und ernsthaft besprochen wird. Beim Thema Digitalisierung hat sich auch einiges getan – vor allem beschleunigt durch die Corona-Pandemie. Da ist auch dem Letzten bewusst geworden, dass man an Digitalisierung nicht vorbeikommt. Bei uns im Projekt geht es jetzt darum, diese Themen miteinander zu verbinden. Per se ist es ja so: „Je mehr technische Geräte ich involviere, desto mehr Energie verbrauche ich.“ Unser Anspruch muss aber sein, auf der anderen Seite auch Ziele zu erreichen, die das Problem nicht nur aufwiegen, sondern sogar überkompensieren.

 

Wie ist die Idee zu INNO4S entstanden?

Brandt: Das weiß ich noch genau: Es war vor einigen Jahren an der School of Management an der Erasmus-Universität in Rotterdam, wo das Thema Nachhaltigkeit schon viel länger als in Deutschland eine zentrale Rolle in der Lehre spielt. Ich war an einem Projekt beteiligt, das Teaching Cases zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen entwickelt hat. Die Idee fand ich damals faszinierend und mir war klar, dass ich irgendwann selbst eine Veranstaltung zu dem Thema konzipieren wollte. Zusammen mit unseren Kooperationspartnern Jun.-Prof. Milad Mirbabaie aus Paderborn und Prof. Mona Mensmann aus Köln und durch die OERContent.nrw-Förderung hat es jetzt zum Glück geklappt.

 

Lisa Nagel und Isa Freese

Prof. Tobias Brandt | © Lukas Walbaum

 

Auch in Ihrem Projekt spielen die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen eine große Rolle.

Brandt: Genau, auf den sogenannten UN Development Goals basiert unser Projekt. Wir versuchen bei INNO4S Fallbeispiele zu identifizieren, die viele der insgesamt 17 Ziele behandeln, denn es ist klar: Nachhaltige Entwicklung kann man nur als Gesamtbild denken. Wir entwickeln insgesamt sechs Cases, für die es dann jeweils ein Primärziel gibt, aber andere natürlich mit reinspielen.

 

Wie sieht ein konkreter Case aus?

Brandt: Zunächst einmal handelt es sich bei allen sechs Cases um reale Fälle. Einer wird sich zum Beispiel primär ums Nachhaltigkeitsziel „bezahlbare und saubere Energie“ drehen. Er behandelt eine Community im Norden von Kalifornien, die in der Vergangenheit öfter durch die Auswirkungen von Stürmen und Waldbränden vom Stromnetz abgeschnitten war. Daraufhin hat sie sich ein sogenanntes Microgrid, also ein Inselnetz, aufgebaut. Durch die Photovoltaikanlagen, einen Generator, einigem mehr sowie einer Steuerungssoftware haben die Menschen dort eine Energieversorgung, bei der sie nicht mehr in erheblichem Maße von der Gesamt-Infrastruktur abhängig sind, sondern im Zweifel ein paar Tage autark über die Runden kommen. Diesen Case gehen wir dann mit den Studentinnen und Studenten durch.

 

Klingt, als ob es für Studierende keine gewöhnliche Lernerfahrung sei.

Brandt: So soll es sein, auch wenn am Anfang sicher auch ein, zwei normale Vorlesungen stehen, um überhaupt in das Thema „digitale Innovation“ hineinzukommen. So ein Thema braucht eine Einführung, aber auch dafür wird es bei uns im Projekt Lehreinheiten geben. Danach werden wir nacheinander sogenannte Teaching Cases durcharbeiten – am besten intensiv, pro Case ein bis zwei Wochen in einem Gesamt-Zeitraum von zwei bis drei Monaten. Dieses Case-based-Teaching ist außerhalb der Business Schools und der Medizin noch nicht wirklich verbreitet, der Vorteil ist aber, dass man in einer Projektgruppe intensiv eine Lösungsstrategie für einen Fall erarbeitet, permanent Feedback bekommt und die Ergebnisse dann vorstellt. So werden sich die Studierenden nach und nach insgesamt sechs der UN-Nachhaltigkeitsziele genau anschauen.

 

Werden am Ende die erarbeiteten Vorschläge der Studierenden mit dem realen Ergebnis verglichen?

Brandt: Das ist denkbar, allerdings noch nicht entschieden. Wichtig ist vor allem, dass die Studierenden die Lösung für ein Problem immer im Hier und Jetzt entwerfen, denn mit der Zeit ändern sich auch die Voraussetzungen und Möglichkeiten, das muss berücksichtigt werden.

 

Wie können Lehrende das Material aus INNO4S einsetzen?

Brandt: Das Projekt ist so konzipiert, dass die Inhalte maximal wiederverwertbar sind. Lehrende können die sechs Module komplett einsetzen oder sich auch nur einzelne Module oder Materialien nehmen und diese mixen. Wir entwickeln dazu für jeden Teaching Case auch eine sogenannte Teaching Note, also einen Lehrplan, der erklärt, wie Lehrende mit dem Material umgehen können. Aber es steht – ganz im Sinne von OER – jedem frei, es zu nutzen wie man möchte.

 

Innovation, Nachhaltigkeit und Digitalisierung – Inwieweit kann INNO4S helfen, diese drei großen Wörter greifbar zu machen?

Brandt: Es stimmt, alle drei Wörter können erst mal alles und nichts bedeuten. Der Vorteil der Cases ist jetzt, dass man von der Abstraktion weggeht und schaut, wo und wie genau diese drei großen Wörter wirklich vorangetrieben worden sind.

 

Was muss passieren, damit Ihr Projekt ein Erfolg ist?

Brandt: Mein Wunsch ist es, dass die Entscheider von morgen noch besser vorbereitet sind und vor allem sehen, dass die drei eben angesprochenen Begriffe nicht nur hohle Worte sind. Und bezogen auf unser Material hoffe ich, dass es oft wiederverwertet wird. Es sind im Projekt schon drei große Universitäten beteiligt, das ist eine gute Basis, aber das Schöne an OER ist ja, dass es keine Verbreitungsgrenzen fürs Material gibt. Daher erstellen wir alles auch auf Englisch.

 

Sie haben verraten, dass Sie schon lange einen Kurs dieser Art erstellen wollten und ihn im Zweifel auch ohne Förderung angegangen wären. Was macht die OERContent.nrw-Förderlinie besonders?

Brandt: Ohne die Förderung würde der Kurs ganz anders aussehen, er würde niemals so umfangreich und detailliert. Jetzt haben wir die Expertise der anderen Hochschulen dabei und darüber hinaus die Kapazität, über zwei Jahre am Material zu arbeiten. Gerade bei den internationalen Kooperationen wie zum Beispiel mit der Community in Kalifornien ist es am Anfang überaus wichtig, die richtigen Partner zu finden, eine Vertrauensebene aufzubauen und sie zu überzeugen, dabei zu sein. Ohne Förderung wäre das nur schwer möglich.

 

Wie kann man sich die Zusammenarbeit unter den drei beteiligten Universitäten vorstellen?

Brandt: Wir arbeiten eng zusammen und versuchen stark voneinander zu lernen. Inhaltlich haben wir uns aufgeteilt, jede Universität entwickelt zwei von sechs Cases – zugeschnitten auf ihre jeweiligen Stärken. Wie bei den meisten Projekten hat es zu Beginn einen Kick-off gegeben, bei dem wir uns einen gesamten Tag bei uns in Münster getroffen haben, und dann ging die Arbeit los. Alle zwei Wochen haben wir einen Jour Fixe, in dem wir uns austauschen.

 

Ihre Vision ist, dass INNO4S später auch als Massive Open Online Course zur Verfügung steht. Können Sie das MOOC-Prinzip einmal erläutern?

Brandt: Ein MOOC wäre schon noch eine andere Stufe: Das Wort „massive“ zeigt ja schon, dass der Kurs einer sehr großen Gruppe – auch international – zugänglich gemacht wird und man bei erfolgreicher Absolvierung sogar ein Zertifikat erhält. Für einen MOOC würde sich unser Thema sicher anbieten, aber soweit sind wir noch nicht. Ein MOOC bringt dann auch noch mal ganz andere Komplexitätsstufen mit sich.

 

Innovativ, nachhaltig und digital. Passt das auch zu INNO4S?

Brandt: Ein UN-Nachhaltigkeitsziel lautet „hochwertige Bildung“, OER spielen da auch eine Rolle. Von daher gefällt mir der Gedanke, dass man mit einem offenen Kurs über Digitalisierung und Nachhaltigkeit selbst ein Nachhaltigkeitsziel erreichen kann.

 

Zur Person:

Tobias Brandt (37) ist seit 2021 Professor für Digital Innovation and the Public Sector an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Zuvor war er als Assistant Professor of Business Information an der School of Management der Erasmus-Universität im niederländischen Rotterdam tätig, wo er 2020 unter anderem mit dem Innovative Teaching Award ausgezeichnet wurde. Seit August 2022 leitet er das durch die OERContent.nrw-Förderlinie unterstützte Projekt INNO4S.

Dr. Mandy Duda: „Wir bilden für Bereiche aus, in denen ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit über die Zukunft des Planeten entscheidet“ – Teil 2

Regelmäßig stellen wir in unserem Blog OER-Projekte vor. Wir haben uns mit Dr. Mandy Duda von der Ruhr-Universität Bochum unterhalten. Im zweiten Teil unseres Gesprächs verrät die Geowissenschaftlerin mehr über die Umsetzung der 3D-Objekte, mit denen sie arbeitet. Außerdem verrät sie, was sie dazu antreibt, sich für gute Lehre zu engagieren.

 

ORCA.nrw: Wie genau funktioniert die Umsetzung der 3D-Objekte, an denen sie arbeiten? Was für Equipment ist nötig, welche Rechenleistung ist erforderlich? Wie ist der zeitliche Aspekt (Stichwort Aufnahmen, die erst einmal im Gelände angefertigt werden müssen) einzuschätzen?

Dr. Mandy Duda: Bei der Umsetzung greifen wir im Wesentlichen auf drei Bausteine zurück. Das sind einmal 360° -Aufnahmen und Drohnenvideos, um das Exkursionserlebnis für die Studierenden möglichst realitätsnah begreifbar zu machen und um die Studierenden anzuhalten, die Informationen nach dem Grad ihrer Wichtigkeit in Bezug auf die Fragestellung zu werten. Dadurch erhalten sie auch ein Gefühl für die Raumstellung der dreidimensionalen Strukturen, z.B. Gesteinsschichten oder Baustellenorganisation. Über H5P können wir diese 360°-Aufnahmen sinnvoll aneinanderreihen sowie weitere Informationen, wie zum Beispiel Videos und Angaben zu nicht-digitalisierbaren Eigenschaften, und Abfragen hinterlegen.

Außerdem arbeiten wir mit 3D-Modellen der Geländeaufnahmen, mit denen bestimmte Strukturen genauer studiert oder Interaktionen von Sicherungselementen mit dem Baugrund besser verstanden werden können. Diese 3D-Modelle entstehen über Photogrammetrie aus zahlreichen Einzelaufnahmen, sind grundsätzlich bildschirmfähig und können deshalb von Studierenden von zuhause aus angesehen werden. Alternativ können sie besonders immersiv auch über VR Brillen erlebt werden, die an den Universitäten zur Verfügung gestellt werden. Der dritte Baustein besteht aus 3D-Modellen von einzelnen Gesteinsproben, Geräten oder Werkzeugen, die noch besser aufgelöst sind und dadurch eine hohe Detailtreue hinsichtlich der relevanten Informationen erreichen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Disziplinen haben wir im Geoingenieurwesen die besondere Herausforderung, dass unsere Digitalisierungsobjekte gleichzeitig großskalig sind und hoch aufgelöst sein müssen. Das stellt hohe Anforderungen an die Rechenleistung, was wir anfangs auch unterschätzt haben. Es gibt darüber hinaus viele Kleinigkeiten zu Bedenken. Zum Beispiel sollte es bei den Geländeaufnahmen weder sonnig (viele Schatten) noch regnerisch sein (schlecht für das Equipment), die 360° Kamera sollte aus einiger Entfernung steuerbar sein, da ansonsten immer jemand mit im Bild auftaucht. Reflektierende Oberflächen, wie zum Beispiel auf Baustellen oder bei besonderen Gesteinsarten, sind schwerer zu digitalisieren als matte Oberflächen. Ein unregelmäßiges Hintergrundmuster bei der Digitalisierung von Handstücken ist sehr hilfreich. Das Equipment ist natürlich der Thematik anzupassen. Für unsere Fragestellungen benötigen wir eine Drohne und den dazugehörigen Drohnenführerschein, eine 360° Kamera mit Fernsteuerung, eine vergleichsweise hohe Rechenleistung für die Modellerstellung, eine sehr gute Digitalkamera für die Handstücke und Werkzeuge, VR-Brillen mit eigenen Rechnern, die entsprechenden Software-Module, auch für den Schnitt von Video- und Audiomaterial und Anbieter, um 3D Modelle verfügbar zu machen. Aktuell arbeiten wir dank unseres Kollegen Alexander Seiling sogar mit Umgebungen für Spiele-Engines, um noch mehr Interaktionen in der 3D-Umgebung zu ermöglichen.

Wir haben unsere Erfahrungen in einer Publikation zusammengefasst, um anderen Arbeitsgruppen genau diese Schritte entlang der Lernkurve zu ersparen.

ORCA.nrw: Wie genau funktioniert die Umsetzung in Bezug auf die Ausführung durch die Teilnehmenden?

Dr. Mandy Duda: Wir erstellen alle Lehrinhalte so, dass Sie über einen in sich konsistenten, modular aufgebauten Moodle-Kurs erreichbar sind. Für Studierende gestaltet sich der Zugriff auf die Lerneinheiten so, wie Lehrende es beabsichtigen. Sie können die Kursinhalte in beliebiger Konstellation und Komplexität ergänzend in Lehrveranstaltungen bis hin zu semester- und hochschulübergreifenden Lernprojekten adaptieren. Beispielsweise kann man über ein Memory-Quiz Laborversuche mit den daraus resultierenden Parametern paaren, oder man kann Studierenden die Aufgabe geben, basierend auf ersten Erkundungsdaten ein komplexes geotechnisches Modell und darauf aufbauend einen vollständigen Projektplan zu konzipieren.

ORCA.nrw: Wie können Ihre Lehre-Lernmaterialien zu einer Diversity-sensiblen Lehre beitragen? Was hat Sie motiviert, Diversitysensibilität überhaupt zu bedenken?

Dr. Mandy Duda: Geländearbeit ist für die meisten Studierenden ein Highlight des Studiums und wird es auch in Zukunft sein. Leider ist es aber nicht allen Studierenden gleichermaßen möglich, diese Lehrangebote wahrzunehmen. Ich fürchte, dass wir es in der Vergangenheit versäumt haben, über eine proaktive Kommunikation auch Studieninteressierte anzusprechen, die wegen verpflichtender Geländearbeit vielleicht unüberwindbare Hürden gesehen haben. Das möchte ich unbedingt ändern, gerade weil unsere Studieninhalte vor dem Hintergrund der Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel von höchster gesellschaftlicher Relevanz sind. Als dezentrale Gleichstellungsbeauftragte unserer Fakultät hat sich außerdem mein Blick auf Fragen der Gleichstellung und Diversität geschärft. Studierende mit Care-Verpflichtungen und vielfältigen Hintergründen stehen vor Herausforderungen, die es für uns als Lehreinrichtung zu minimieren gilt, um Chancengleichheit in der Ausbildung zu garantieren.

ORCA.nrw: Was treibt Sie an, sich für die Lehre zu engagieren?

Dr. Mandy Duda: Wir bilden junge Menschen aus, die in Bereichen arbeiten werden, in denen ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit über die Zukunft unseres Planeten entscheidet. Geowissenschaftler befassen sich mit nachhaltigen Rohstoffen, regenerativen Energien, Vorhersage und Vermeidung von Schäden durch Naturkatastrophen und Anforderungen an Endlager für bereits angefallene radioaktive Abfälle, um nur Beispiele zu nennen. Deshalb wünsche ich mir, Studierenden die Kompetenz vermitteln zu können, eine auf wissenschaftlichen Daten basierende Haltung zu entwickeln und danach zu handeln.

ORCA.nrw: Wie ist das Feedback bisher aus Sicht von Lehrenden, Studierenden und der Community?

Dr. Mandy Duda: Das überwältigende positive Feedback hat uns etwas überrascht. Wir dürfen in DRAGON Ruhr.nrw im Rahmen der begleiteten Projekte mit Firmen und Behörden zusammenarbeiten, die allesamt ausgesprochen aufgeschlossen und kooperationsoffen sind hinsichtlich der Umsetzung des Projekts. Unsere Studierenden befürworten und unterstützen unser Projekt, zum Beispiel durch die Erlaubnis der Nutzung von Audio- und Videomaterial oder durch freiwillige Testläufe der Lehrmaterialien. Die persönlichen Rückmeldungen sind sehr motivierend. Wir haben unsere Projekte auch schon auf nationalen und internationalen Konferenzen vorstellen dürfen, auf denen wir ausschließlich positive Resonanz und viele Kooperationsangebote erhalten haben. Darüber freuen wir uns sehr und hoffen, dass wir mit DRAGON Ruhr.nrw einen Nukleus für weitere digitale Geländeprojekte schaffen können.

Abbildung: Bildschirmfoto des 3D-Modells 3D-Modells eines Wasserfalls im Hörschbachtal bei Murrhardt; ROBX-AGIF, Ruhr-Universität Bochum; aus Digitaler Geländekurs Murrhardt, Digifit: Digital Geology meets inclusive field training; lizensiert unter CC-BY-SA 4.0

 

Hier geht’s zu Teil 1 des Interviews.

 

Die Interviewpartnerin

Nach ihrem Studium der Geowissenschaften und der Promotion in der experimentellen Geophysik an der Ruhr-Universität Bochum war Mandy Duda zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt. Ab 2014 übernahm sie die Leitung der Labore für Geotechnologien am Internationalen Geothermiezentrum und war ab 2017 außerdem als Nachwuchsprofessorin an der Hochschule Bochum tätig. Seit 2019 ist sie Teil der Arbeitsgruppe Ingenieurgeologie und Felsmechanik der Ruhr-Universität Bochum.

Dr. Mandy Duda: „Wir möchten die Geländearbeit und Baustellenvisitation um diversitätsoffene digitale Angebote erweitern“ – Teil 1

Regelmäßig stellen wir in unserem Blog OER-Projekte vor. Wir haben uns mit Dr. Mandy Duda von der Ruhr-Universität Bochum unterhalten. Im ersten Teil unseres Gesprächs stellt die Geowissenschaftlerin das OERContent-Projekt DRAGON Ruhr.nrw (Diversitätsoffene digitale Geländearbeit im Geoingenieurwesen der Universitätsallianz Ruhr) vor, spricht über das bereits abgeschlossene Projekt Digifit und verrät, welchen Herausforderungen sie in den Projekten begegnet ist.

 

ORCA.nrw: Frau Dr. Duda, können Sie uns etwas über das Projekt DRAGON Ruhr.nrw erzählen?

Dr. Mandy Duda: Das Projekt DRAGON Ruhr.nrw hat zum Ziel, die bislang ausschließlich physisch angebotene Geländearbeit und Baustellenvisitation in Studieninhalten an den Schnittstellen zwischen den Geowissenschaften und dem Bau- und Umweltingenieurwesen um diversitätsoffene digitale Angebote zu erweitern. Zusammen mit der Universität Duisburg-Essen (Geotechnik, Prof. Perau) und der Technischen Universität Dortmund (Geotechnik, Prof. Könemann) bilden wir (Ingenieurgeologie und Felsmechanik, Prof. Backers) ein interdisziplinäres Konsortium. Über diese Konstellation bin ich besonders glücklich, da wir zum einen erstmalig zusammenarbeiten und zum anderen ein besonderer Mehrwert für Studierende entsteht, denn in vielen Berufsfeldern arbeiten Geowisschenschaftler*innen und Bau- und Umweltingenieur*innen eng zusammen. Unsere modularen und flexiblen OER-Lerneinheiten sind so konzipiert, dass dieses Zusammenwirken bereits im Studium umgesetzt wird. Die Module können einzeln in Veranstaltungen integriert oder in beliebiger Kombination semesterübergreifend und sogar universitätsübergreifend im Rahmen von projekt- und forschungsorientierten Lernkonzepten eingesetzt werden. Inhaltlich begleiten wir zwei Projekte, die den Studierenden auch ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung bewusst machen: Zum einen handelt es sich um eine Böschungssanierung bei Schuld, die im Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 steht, zum anderen um eine Baustellenbegleitung im Düsseldorfer Medienhafen.

ORCA.nrw: Wie entstand die Idee zu DRAGON Ruhr.nrw?

Die Idee zu DRAGON Ruhr.nrw entstand lange vor der Antragstellung. Ein wesentlicher Aspekt der beruflichen Vorbereitung unserer Studierenden besteht in der Erfahrung dreidimensionaler Zusammenhänge des Baugrunds sowie des Bauwerks und deren zeitlicher und räumlicher Interaktion. Klassische Geländearbeiten und Baustellenvisitationen ermöglichen aber nur einen temporären Zugang zu diesen Lehrinhalten und sind teilweise abhängig von der Verfügbarkeit entsprechender Bauprojekte. Gerade in Wahlbereichen ist außerdem die Zahl der Teilnehmenden aus Sicherheitsgründen begrenzt. Diese Aspekte stellen Studierende und Lehrende regelmäßig vor Herausforderungen, weil auf die Lehrinhalte zur Vor- und Nachbereitung nicht direkt zugegriffen werden kann. Gleichzeitig muss durch Geländearbeit die Diversität unter den Studierenden besonders bedacht werden, wofür weltweit im Geoingenieurwesen erst in der jüngsten Vergangenheit das Bewusstsein erwacht ist: Geländearbeit ist nicht barrierefrei, berücksichtigt nicht die familiäre Situation der Studierenden, z.B. durch die Pflege von Angehörigen oder die Betreuung von Kindern, stellt hohe Anforderungen an die finanzielle Resilienz von Studierenden und geht daher auch nicht auf die Bildungsherkunft ein. Die Pandemie hat die Notwendigkeit und Dringlichkeit unseres Vorhabens zusätzlich verstärkt. Für Wege der Umsetzung wurden wir durch internationale Vorreiter*innen, unter anderem durch Arbeitsgruppen am University College London und der Washington University inspiriert. Mit DRAGON Ruhr.nrw haben wir ein unglaublich starkes Projektteam mit sehr engagierten jungen wie erfahrenen Kolleg*innen aufstellen können.

ORCA.nrw: Auch das Projekt Digifit, welches bereits abgeschlossen ist und zu dem es einen öffentlichen Kurs gibt, ist involviert. Können Sie dazu auch etwas sagen?

Das Projekt Digifit wurde vor DRAGON Ruhr.nrw innerhalb unserer Arbeitsgruppe Ingenieurgeologie und Felsmechanik an der Ruhr-Universität umgesetzt und durch das Digi-Fellowship gefördert. Hierbei ging es inhaltlich um die Digitalisierung einer geologischen Kartierung in Süddeutschland im Rahmen des Bachelorstudiums Geowissenschaften. Das war uns in einem ersten Schritt besonders wichtig, da diese Geländeveranstaltung verpflichtend ist und wir hier durch Digifit digitale Alternativen anbieten können. Das Ergebnis hat meine persönlichen Erwartungen deutlich übertroffen, was besonders meinen Kolleg*innen Julia Godlewska und Marc Ogan zu verdanken ist, die nicht nur ihr Fachwissen eingebracht haben, sondern sich auch hinsichtlich der technischen und didaktischen Umsetzung beeindruckendes Wissen angeeignet haben. Von diesen Erfahrungen profitieren wir jetzt enorm in DRAGON Ruhr.nrw, besonders, weil wir sie auch für dieses Projekt gewinnen und im Konsortium gleich in die inhaltliche Arbeit einsteigen konnten.

ORCA.nrw: Auf welche Herausforderungen sind Sie im Rahmen der Projekte gestoßen? Z.B. mit Blick auf das Urheberrecht, die konkrete Umsetzung der Projekte, Personal,…

Im Zentrum unseres Interesses steht der Baugrund. Auf der Skala der Herausforderungen, die mit Urheberrechten und Datenschutz einhergehen können, bewegen wir uns deshalb eher am unkomplizierten Ende. Dennoch müssen wir sicherstellen, dass wir das Material nutzen dürfen, das im Rahmen der Geländearbeit entsteht und Audio- sowie Videomaterial enthält, auf dem Studierende und Lehrende zu hören oder zu sehen sind. Da es für unsere Lehrinhalte bisher kein entsprechendes Material gibt, erstellen wir alle Lehrmaterialien selbst. Das ist urheberrechtlich, wie wir gelernt haben, vergleichsweise einfach zu regeln. Wir wurden dazu von den Netzwerkstellen von ORCA.nrw und im Rahmen von Informationsveranstaltungen umfassend beraten. Eine weitere Herausforderung besteht in der barrierearmen Gestaltung der Lehrmaterialien. Hier haben wir Unterstützung durch das Beratungszentrum zur Inklusion Behinderter (BZI) der RUB erhalten. Außerdem nehme ich am Fortbildungsprogramm des Zentrums für Wissenschaftsdidaktik (ZfW) teil, um die digitalen Lehrinhalte für Studierende möglichst ansprechend und didaktisch sinnvoll umzusetzen. Darüber hinaus gibt es fachliche Herausforderungen. Die digitalen Lehrinhalte haben Grenzen, zum Beispiel hinsichtlich des Erfahrens von Haptik und Härte der Gesteinsproben, dem Kornverband oder der großräumlichen Orientierung im Gelände. Wir stellen dazu genau die Gesteinsproben, die in den digitalen Lehrmaterialien explizit angesprochen werden, zur eigenständigen und barrierearmen Begutachtung an der RUB zur Verfügung. Die vermutlich größte Herausforderung besteht im personellen Aufwand, den eine Erstellung dieser digitalen Lehrinhalte mit sich bringt. Dabei geht es weniger um die Aufnahmen im Gelände, sondern mehr um die Nachbearbeitung von Video- und Audiomaterial, die Modellerstellung und die Aufwertung zu sinnvollen Lehrinhalten. Weil Absolvent*innen der Geowissenschaften und des Bau- und Umweltingenieurwesens momentan sehr gefragt sind, sind wir besonders froh, ein so hochqualifiziertes Team zu haben und für die Förderung ausgesprochen dankbar.

Abbildung: Foto des 3D-Modells einer Böschung bei Schuld im Ahrtal; Julia Godlewska; lizensiert unter CC-BY-SA 4.0

 

Hier geht’s zu Teil 2 des Interviews.

 

Die Interviewpartnerin

Nach ihrem Studium der Geowissenschaften und der Promotion in der experimentellen Geophysik an der Ruhr-Universität Bochum war Mandy Duda zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt. Ab 2014 übernahm sie die Leitung der Labore für Geotechnologien am Internationalen Geothermiezentrum und war ab 2017 außerdem als Nachwuchsprofessorin an der Hochschule Bochum tätig. Seit 2019 ist sie Teil der Arbeitsgruppe Ingenieurgeologie und Felsmechanik der Ruhr-Universität Bochum.

Digitale Barrierefreiheit von Lehr-/Lernangeboten

OER-Materialien für Studium und Lehre sollen offen für alle sein, dann am besten auch gleich so, dass es wirklich alle nutzen können. Barrierefreiheit ist dabei ein wichtiges Qualitätsmerkmal und hat Vorteile für alle Nutzenden. Die meisten Regeln der Barrierefreiheit sind für viele Menschen hilfreich: Barrierefreiheit ist für viele Menschen mit Behinderungen also eine Voraussetzung, für andere ist sie eine echte Unterstützung und für alle komfortabel. Wer auf Grund von Care-Aufgaben oder Jobs einen eng getackteten Studienalltag hat, weiß klar strukturierte, einfach zu verstehende und zu bedienende Kurse ebenfalls zu schätzen. Und nicht zu vergessen: Die Gestaltung von barrierefreiem Material, welches nach den Prinzipien des Universal Design for Learning gestaltet ist, hat zudem an vielen Stellen ein hohes Innovationspotential.

Aktuell läuft die Antragsphase für die nächste Förderlinie OERcontent – Zeit, sich schon in dieser Phase Gedanken zu machen, damit Barrierefreiheit zu einem späteren Zeitpunkt nicht zu einem unverhältnismäßigen Mehraufwand führt. Wir haben hierfür ein paar grundlegende Tipps zusammengestellt, die in der Antragsphase aber auch bei der Erstellung Ihrer Materialien nützlich sind.

Wie lässt sich digitale Barrierefreiheit am besten umsetzen?

Am einfachsten lässt sich digitale Barrierefreiheit umsetzen, wenn diese schon von Beginn an mitgedacht und berücksichtigt wird. Dabei sind die vier Dimensionen Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verstehbarkeit und Robustheit zu beachten. Für diese vier Dimensionen ist es hilfreich, sich an konkreten Leitfragen zu orientieren.

Zum Beispiel:

  • Können alle Teilnehmenden die Materialien wahrnehmen?
  • Können alle Teilnehmenden die Materialien bedienen?
  • Ist die Bedienung so komplex, dass sich mehrere Schritte gemerkt werden müssen und eine richtige Reihenfolge eingehalten werden muss?
  • Ist die Bedienung so, dass sie für Nutzer*innen assistiver Technologien nutzbar ist?

Nutzen Sie immer auch die Barrierefreiheitsprüfungen der genutzten Software.

Unterschiedliche Medienformate – unterschiedliche Ansätze

Für Internetseiten, APPs und Software gibt es Richtlinien und Standards, wie digitale Barrierefreiheit umzusetzen ist. Die hierfür notwendigen Techniken sind hinreichend dokumentiert und bekannt (Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1).

Für textbasierte editierbare Formate in html, .ppt, .word oder .odt sind die wichtigsten Regeln die korrekte semantische Auszeichnung (Überschriften, Listen, Links, etc.), eine konsistente hierarchische Gliederung mit Überschriftenformaten und Formatvorlagen (h1 bis hx) und Alternativtexte für Bilder, Grafiken sowie andere Nicht-Textinhalte.

Videos benötigen Untertitel und eine Audiodeskription. Untertitel sind unproblematisch herzustellen. Es empfiehlt sich, Barrierefreiheit bei der Konzeption und dem Skript der Videos zu berücksichtigen:

  1. Sorgen Sie für gute Kontraste und Lichtverhältnisse
  2. Lassen Sie für die Audiodeskription kurze Pausen im O-Ton.
  3. Beschreiben Sie die Bilder bereits im O-Ton, sodass weniger Audiodeskription nötig ist.
    Symbolgrafik Checkliste

    © freepik.com

Sie wollen mehr über die konkrete Umsetzung digitaler Barrierefreiheit erfahren?

Weitere und konkretere Tipps und Anwendungsmöglichkeiten finden Sie in unserer Handreichung zur Berücksichtigung digitaler Barrierefreiheit in der Antragsplanung der Förderlinie OERContent.nrw 2022.

Ein paar Ausblicke:

1. Am 17. November 2022 laden wir Sie mit Ihren Fragen zur Umsetzung digitaler Barrierefreiheit herzlich zu unserer Sprechstunde zur OER-Förderlinie ein.

2. Im Frühjahr 2023 veröffentlichen wir eine weitere Handreichung zur konkreten Umsetzung digitaler Barrierefreiheit für OER-Content. Informationen hierzu erhalten Sie über ORCA.nrw sowie unsere Öffentlichkeitsarbeit über unsere Homepage.

Weitere Tipps und Tricks

  • Mehr Infos kurz und knapp: Die Universität Bielefeld hat für die Word, Powerpoint (Versionen 2019 und 365) sowie InDesign Kurzanleitungen mit Bildern veröffentlicht.
  • Schriftliche Anleitungen zum Download: Die TU Dresden hat ausführliche Anleitungen zum Download erstellt, wie man mit Word, Powerpoint und InDesign in verschiedenen Programmversionen barrierefreie PDFs herstellt.
  • Regeln für Bildbeschreibungen im Bildungskontext: Die TU Dortmund hat vier kurze Regeln zur Erarbeitung von Bildbeschreibungen im Bildungskontext erstellt.
  • Barrierefreiheit im Video: Die Leibniz Universität Hannover skizziert anschaulich, wie barrierefreie Videos gestaltet werden können.

 

Quellen

CAST (2018): Universal Design for Learning Guidelines version 2.2. Online verfügbar unter: http://udlguidelines.cast.org [14.10.2022].

W3C (2018): Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1. Online verfügbar unter: https://www.w3.org/TR/WCAG21/ [14.10.2022].

 

Kontakt und weitere Informationen

Kompetenzzentrum digitale Barrierefreiheit.nrw

TU Dortmund zhb//DoBuS – Bereich Behinderung und Studium

Emil-Figge-Str. 73

44227 Dortmund

E-Mail: barrierefrei-dh-nrw.dobus@tu-dortmund.de

Homepage: https://barrierefreiheit.dh.nrw/