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„Wie eine Schatzkiste“ – der OER-Fachtag Sprachwissenschaften

Der (digitale) OER-Fachtag „Sprachwissenschaften“, der am 26.06. unter Federführung der Universität Paderborn mit Beteiligung des Netzwerks Landesportal ORCA.nrw organisiert wurde, brachte dieses Mal Lehrende aus den sprachwissenschaftlichen Fachcommunities für einen Austausch zu Open Educational Resources (OER) zusammen und bot ihnen die Gelegenheit, sich zu OER-bezogenen Entwicklungen zu informieren sowie sich Inspiration für die eigene Lehre zu holen. Insgesamt waren ca. 70 Teilnehmende (exkl. Organisationsteam) beim Fachtag dabei.

Das Programm des OER-Fachtags „Sprachwissenschaften“ war vielfältig und umfasste einen Mix aus fach- und themenbezogenen Vorträgen und Einblicken in verschiedene Projekte, deren Materialien und Inhalte auf dem Landesportal ORCA.nrw zur Nachnutzung veröffentlicht werden/wurden. Darüber hinaus gab es praxisorientierte Beiträge rund um das Thema OER-Nutzung, OER-Erstellung und Digitale Barrierefreiheit.

Nach einer kurzen Begrüßung durch das Organisationsteam des Fachtags eröffnete Prof. Dr.-Ing. Volker Schöppner, Vizepräsident für Lehre, Studium und Qualitätsmanagement an der Universität Paderborn, den Fachtag: In seinem Grußwort verwies er auf OER als aktuelles bildungspolitisches Ziel und betonte die Mehrwerte von OER, die sich insbesondere im Austausch und der Vernetzung von Lehre und Lehrenden über die eigene Hochschule hinaus zeigen. Er lobte das Engagement von Lehrenden, die sich für OER einsetzen, und würdigte ihren Beitrag zur Förderung einer Kultur des Teilens, um OER nachhaltig an Hochschulen zu etablieren.

Auch die Pro-Rektor*innen der anderen an der Organisation des Fachtags beteiligten Hochschulen betonten in ihren Grußworten die Potenziale von OER für die (Zukunft der) Hochschullehre. Für die Präsentation dieser Grußworte wählten die Organisator*innen des Fachtags einen kreativen Ansatz: Sie erstellten eine zusammenhängende Grafik (siehe oben, Anm. d. Red.) und visualisierten damit die schriftlichen eingegangenen Grußworte. Entstanden ist eine beeindruckende Illustration, die ihrerseits unter einer offenen Lizenz geteilt wird und zur Nachnutzung einlädt.

Wie in der Grafik sichtbar wird, werden OER in der Hochschule als eine gefüllte und stetig erweiterbare Schatzkiste gesehen sowie als Sonne, die anderen Licht und Energie zuteilwerden lässt. OER machen Inhalte für andere zugänglich und nachnutzbar, ermöglichen offenes und gemeinsames Arbeiten über hochschulische Grenzen hinweg und können in der Lehre ein Spiegelbild zur Forschung sein. Hier ist zum Teil noch „Pionierarbeit“ notwendig, um Inhalte als OER (neu) zu produzieren bzw. als OER zugänglich zu machen: All dies trägt zu einem kollektiven Ökosystem bei und veranschaulicht gut den Kreislauf (Life Cycle) von OER.

Thematisch eröffnet wurde der Fachtag durch eine Keynote von Prof. Dr. Ilka Mindt (Universität Paderborn). In ihrem Vortrag „Ton, Schrift, OER – freie Bildungsmaterialien in den Sprachwissenschaften“ fokussierte sie den durch OER angestoßenen Paradigmenwechsel für die sprachwissenschaftliche Lehre an Hochschulen und skizzierte zwei Ebenen, die bei OER relevant sind: Die Ebene der Erstellenden und die Ebene der Nutzenden. Sie betonte, dass es sich bei OER lohne, „am Anfang schon ans Ende zu denken“, bei der Erstellung von OER also bereits die Nachnutzung entsprechender Inhalte in den Blick zu nehmen. 

Im Anschluss an diesen Einstieg in das Thema OER gingen Prof. Dr. Ilka Mindt und PD Dr. Markus Deimann (Geschäftsführer Landesportal ORCA.nrw) in ihrem gemeinsamen Vortrag auf den OER-Life-Cycle ein: Prof. Dr. Ilka Mindt berichtete aus der OER-Erstellenden-Perspektive von ihren Erfahrungen im OERContent.nrw-Projekt „AuthenticEnglishes.nrw“, das sie von 2020 – 2022 konsortialführend geleitet hat und teilte wertvolle „lessons learned“ mit den Teilnehmenden. In diesem Kontext hob sie u. a. die Beratungs- und Unterstützungsangebote seitens der einzelnen ORCA-Netzwerkstellen vor Ort und ihre Funktion als Schnittstelle zum Landesportal ORCA.nrw positiv hervor. Dr. Markus Deimann stellte daran anknüpfend das Online-Landesportal ORCA.nrw vor, auf dem die Materialien des Projekts zugänglich gemacht werden, und gab exklusive Einblicke in neueste Entwicklungen bei ORCA.nrw, u. a. zum Angebot einer thematisch sortierten Bündelung und Aufbereitung von OER-Einzelmaterialien (sogenannte „Themenwelten“).

Im Nachmittagsprogramm des OER-Fachtags hatten die Teilnehmenden in mehreren parallelen Sessions die Gelegenheit, Einblicke in verschiedene Projekte und ihre (entstehenden) OER-Materialien zu erhalten, sich über diese OER-Materialien auszutauschen und sich Inspiration für die eigene Lehre zu holen.

Dabei reichte das Spektrum der Beiträge in der ersten Parallelsession von Inhalten zur Sprachbildung in der Lehrer*innenbildung für berufliche Schulen, über Ressourcen zu Sprach-, Sprech- und Kommunikationsstörungen, bis hin zu Materialien, die Versprecher und false friends in der Fremdsprachendidaktik adressieren. Die zweite Parallelsession am Nachmittag bot Einblicke in digitale Tools zum Erwerb chinesischer Schriftzeichen und ihrer Bedeutung, sowie multimediale, modular strukturierte OER-Kurse im lehramts- und fachwissenschaftlichen Germanistikstudium. Insgesamt spiegelten die Parallelsessions nicht nur unterschiedlichen Schwerpunkte der Sprachwissenschaften wider, sondern zeigten auch ganz unterschiedlichen Formen und Formate von OER-Materialien.
 

Nach den Parallelsessions ging Dr. Annegret Haage vom DoBuS TU Dortmund/Kompetenzzentrum DigitaleBarrierefreiheit.nrw in ihrem Praxis-Impuls „H5P barrierefrei“ auf digitale Barrierefreiheit von Lehr-/Lernressourcen ein – ein Thema, das natürlich nicht nur im Kontext von OER von Bedeutung ist, sondern für digitale Lehr- und Lernmaterialien im Allgemeinen eine immer wichtigere Rolle spielt. In ihrem Vortrag zeigte sie, welche Inhaltselemente in der Open Source Software H5P wie barrierefrei genutzt und gestaltet werden können.

Zum Abschluss des Fachtags hatten die Teilnehmenden bei einer praxisorientierten Parallelsession wieder die Möglichkeit, zwischen Angeboten auszuwählen: Entweder sich zur Podcast-Produktion im italienischen Fremdsprachenunterricht und ihren didaktischen Mehrwerten auszutauschen oder sich praktische Tipps und Hinweise zur Nachnutzung von OER-Bildern zu holen. Die Verteilung der Teilnehmenden zeigte, dass beide Themen gerne angenommen wurden.

Mit dieser dritten Parallelsession ging der vierte OER-Fachtag erfolgreich zu Ende und die Teilnehmenden nahmen ihre eigene Schatzkiste an Eindrücken und Inspirationen mit.

Der nächste Fachtag lässt auch nicht lange auf sich warten: Der OER-Fachtag Gesundheit findet am 04. September 2023 in Präsenz in Bochum (Hochschule für Gesundheit) statt.

Den OER-Fachtag Sprachwissenschaften haben die ORCA.nrw-Netzwerkstellen von sieben NRW-Hochschulen gemeinsam organisiert. Mit dabei waren neben der Universität Paderborn (Federführung), die Ruhr-Universität Bochum, die Universität Duisburg-Essen, die Universität zu Köln, die HHU Düsseldorf, die Universität Bielefeld und die Universität Siegen.

Die am Fachtag Sprachwissenschaften beteiligten Netzwerkstellen bedanken sich ganz herzlich bei den engagierten Beitragenden für Ihre Inputs, den studentischen Hilfskräften für Ihre Unterstützung vor und während des Fachtags und allen anderen Personen, die diesen Fachtag unterstützt haben!

 

Herzlichen Dank an Frank Homp (Universität Bielefeld), der die Grafik angefertigt hat. Die Grafik ist unter der Lizenz CC BY 2.0 lizenziert und auch über flickr zugänglich.

Bianca Geurden: „Lehrende haben Schätze, die sichtbar werden sollten“

37 Hochschulen in Nordrhein-Westfalen tragen das Landesportal ORCA.nrw. An ihnen steht Lehrenden und Studierenden, die sich mit offenen Bildungsressourcen (OER) auseinandersetzen, eine Netzwerkstelle als Ansprechperson Nummer eins zur Seite. Bianca Geurden ist eine von ihnen. Seit über zwei Jahren forciert die 31-Jährige an der Universität Siegen die Kultur des Teilens und bringt sich mit eigenen Ideen ins Netzwerk ein. So hat Geurden unter anderem das OER-Feedbackrad entwickelt. Was es damit auf sich hat, warum sie sich bei ihrer Arbeit als Entdeckerin sieht und welche interessante Vorab-Info sie über eine neue OER-Studie des Netzwerks verraten kann, lesen Sie in der zweiten Ausgabe des Netzwerkstellen-Porträt.

 

Bianca Geurden, Sie sind von Ihrem Netzwerkstellen-Kollegen Frank Homp nominiert worden, der von Ihnen gerne wissen würde: Welchen abstrakten Begriff möchten Sie Ihrem bald zur Welt kommenden Nachwuchs als erstes erklären?

Geurden: (schmunzelt) Das ist so spontan gar nicht einfach zu sagen, aber mir fällt direkt „Danke sagen“ und das Wort „Dankbarkeit“ ein. Man sagt ja im Alltag sehr selbstverständlich „Danke“, aber zu verstehen, dass es sich dabei nicht nur um eine schlichte Reaktion auf den anderen handelt, sondern warum es einem in dieser Situation über die Lippen kommt und was Dankbarkeit im Kern bedeutet, würde ich gerne versuchen zu erklären.

Sie haben Kommunikationswissenschaften und Germanistik studiert. Gehen wir recht in der Annahme, dass das Studium eine gute Vorbereitung auf Ihren heutigen Job als Netzwerkstelle ORCA.nrw war? Kommunikation spielt doch sicher eine große Rolle.

Geurden: Sie ist auf jeden Fall die Basis für unseren Beruf – ohne Kommunikation mit den Lehrpersonen, der Geschäftsstelle von ORCA.nrw und den Kolleg*innen aus dem Netzwerk geht fast nichts. Meine Devise ist dabei: Lieber einmal mehr kommunizieren als zu wenig, dann entstehen viele Probleme erst gar nicht.

Welche Aufgaben fallen noch in Ihren Verantwortungsbereich?

Geurden: Mein Arbeitstag bietet sehr bunte Themenfelder, und genau das ist spannend. Vor allem geht’s natürlich um die Förderung von OER und die Frage: „Wie kann das Thema in den Hochschulen etabliert werden?“ Wir haben hier an der Uni Siegen ein OER-Serviceteam, das Beratung und Hilfestellung bei der Produktion und Nutzung von frei lizenzierten Materialien anbietet. Darüber hinaus bin ich auch in die Auswahl und Begleitung von OER-Förderprojekten involviert und schaue, wo und wie ich das Thema Openness sonst noch vorantreiben kann.

Mit welchen Bezugsgruppen haben Sie dabei am meisten zu tun?

Geurden: Das ist eine lange Liste, an deren Anfang sicher die Lehrenden stehen, denen ich bei ihren Anliegen rund um freie Bildungsmaterialien sowie ORCA.nrw mit Rat und Tat zur Seite stehe. Dann gibt’s einige hochschulinterne Gruppen wie zum Beispiel Multiplikator*innen aus der Digitalen Lehre, die Medientechnik im Kontext der Produktion von OER-Inhalten, die Bibliothek beim Thema Openness, das Justiziariat für Fragen zum Datenschutz oder bei strategischen Entscheidungen das Prorektorat Bildung.

Sie sind seit über zwei Jahren als Netzwerkstelle tätig: Welche Frage zu ORCA.nrw haben Sie am häufigsten gehört?

Geurden: Schwierig zu sagen, da ich viele unterschiedliche inhaltliche Fragen gestellt bekomme. Aber am ehesten ist es: „Warum sollte ich mir den Aufwand machen, mein Material als OER zu veröffentlichen?“

Und was antworten Sie dann?

Geurden: Das kommt ganz auf die jeweilige Person an, da die Werte und Erfolge, die mit der Veröffentlichung und dem Teilen von OER einhergehen, ganz individuell gewichtet werden. Für die einen besteht der Anreiz darin, mehr Sichtbarkeit für die eigene Arbeit und die eigenen Kompetenzen zu erlangen, für andere ist das Gefühl ausschlaggebend, etwas Nützliches und Sinnstiftendes zu tun.

Was macht das Netzwerk Landesportal ORCA.nrw so einzigartig?

Geurden: Ich sage aus tiefster Überzeugung: die unfassbar große Schwarmintelligenz. Das ermöglicht es uns, unterschiedlichste Aspekte von OER mitzudenken und in vielen Punkten auch initial aufzudecken. Darüber hinaus können wir Lehrende verschiedener Hochschulen sehr gut miteinander verknüpfen und dadurch Kommunikationswege beschleunigen. Man könnte auch sagen: Wir kennen meist jemanden, der jemanden kennt, der weiterhelfen kann.

Bei welcher Frage konnte das Netzwerk Ihnen zuletzt weiterhelfen?

Geurden: Ganz oft bei der einfachen Frage: „Wie siehst du das?“ Und im Speziellen vor allem bei Fragen zum Thema Urheberrecht. Gerade da macht es Sinn, sich abzusichern, und da helfen die Antworten meiner Kolleg*innen immer weiter.

Ihre Kolleginnen und Kollegen im Netzwerk haben Ihren besonderen Einsatz hervorgehoben. Und es stimmt: Sie sind zum Beispiel zusätzlich zu Ihren eigentlichen Aufgaben in vielen Arbeitsgruppen aktiv. Woher kommt Ihre Leidenschaft für das Thema OER?

Geurden: Ich bin mir sicher, dass jede und jeder von uns den Grundgedanken von OER auch im Alltag weiterträgt: Bildung für möglichst viele Menschen zugänglich zu machen. Dafür gehe ich gerne auf Schatzsuche. Ich möchte Lehrenden bewusst machen, dass sie Schätze beherbergen, die sie für alle sichtbar machen können. Da sehe ich mich auch ein Stück weit als Entdeckerin. Was mich ansonsten antreibt, ist das Erleben von Aha-Effekten, wenn der Moment gekommen ist, da OER-Erstellende für sich einen Sinn in OER entdecken und dann bei der Produktion von Lehrmaterialien das spätere Teilen mitdenken.

In der AG Kultur des Teilens haben Sie unter Lehrenden eine Umfrage gestartet, um herauszufinden, wie OER in der Praxis genutzt wird. Können Sie uns schon einen kleinen Einblick in die Ergebnisse geben?

Geurden: Ziel der AG ist es, den Kulturwandel zu mehr Offenheit an den Hochschulen voranzutreiben. Mit der Erhebung wollen wir mehr Klarheit schaffen, welche Motive es für oder gegen die Nutzung, Produktion und Veröffentlichung von OER unter Lehrenden gibt. Die Ergebnisse stehen kurz vor der Veröffentlichung und sollen später dazu beitragen, die Unterstützungsangebote an den Hochschulen noch besser auf die Bedürfnisse der Lehrenden zuzuschneiden. Nur so viel vorab: Wir haben unter anderem eine starke positive Grundhaltung zum nachhaltigen Teilen als Motivationsfaktor für die Produktion und Veröffentlichung von OER festgestellt.

Was genau ist das OER-Feedbackrad, das Sie entwickelt haben?

Geurden: Die Methode des Feedbackrads oder der Feedback-Zielscheibe als solche ist keine neue, sondern dient in vielen Bereichen dazu, Erwartungen abzugleichen und Evaluationen vorzunehmen. Mit dem OER-Feedbackrad können Lehrende sich gegenseitig zu einer erstellten Ressource Rückmeldung geben. Es gibt verschiedene Bewertungskategorien auf der Zielscheibe, die von eins bis fünf bewertet werden können – eins entspricht dabei dem OER-Goldstandard.

Und fünf?

Geurden: Bei einer Fünf würden Nutzende erhebliche Schwierigkeiten sehen oder das Material als nicht OER-fähig einstufen.

Können Sie uns auch noch erklären, was die OER-Cupcake-Regel ist?

Geurden: (lacht) Natürlich! Sie beschreibt auf bildlicher Ebene, wie man OER-Materialien remixen kann. Die Gesamtlizenz orientiert sich dann am restriktivsten Einzelmaterial. Im Bild des Cupcakes erklärt: Der Sahneaufguss, der Kuchen und das Papier sind die einzelnen OER-Materialen, die allesamt unterschiedliche Lizenzen haben können. Wenn die Sahne also zum Beispiel CC-BY SA ist, ist der gesamte Cupcake mit CC-BY SA zu lizenzieren.

Zum Ende dürfen wir Danke sagen fürs Gespräch – aber nicht ohne Sie zu fragen, wer in der nächsten Ausgabe des Formats dabei sein soll und welche Frage Sie für sie oder ihn haben?

Geurden: Ich freue mich, meinen Kollegen Robin Schütgens von der Folkwang Universität der Künste zu benennen. Ich habe mich schon oft gefragt: Stellst Du als Netzwerkstelle fest, dass es an Kunst- und Musikhochschulen eine eigene oder erweiterte OER-Strategie gegenüber Fachhochschulen und Universitäten braucht? Und gibt es sogar Sichtweisen aus diesen Fachbereichen, die OER anders, vielleicht sogar kreativer, beleuchten?

Frank Homp: „Das Wissen der Vielen im Netzwerk ist einzigartig“

Die Netzwerkstellen von ORCA.nrw haben eine wichtige Aufgabe: An den 37 Universitäten und Hochschulen, die das Landesportal nutzen, sind sie Ansprechperson Nummer eins für Lehrende und Studierende, wenn es um OER und ORCA.nrw geht. Doch was bedeutet das genau? In der neuen Rubrik „Netzwerkstellen-Porträt“ finden wir heraus, wie der Alltag an den Hochschulen aussieht, welche Fragen zu OER am häufigsten aufkommen und stellen auch die Person hinter der wichtigen Arbeit vor. Den Anfang macht Frank Homp (38), seit Dezember 2021 ORCA.nrw-Netzwerkstelle an der Universität Bielefeld, dessen berufliche Erfahrungen ihm bei seiner jetzigen Arbeit in besonderem Maße helfen.

 

Herr Homp, Sie haben Ihr Lehramts-Studium abgebrochen, weil Sie Schwierigkeiten beim Verfassen der Hausarbeiten hatten. Hand aufs Herz: Wenn es 2009 schon ORCA.nrw gegeben hätte, wären Sie heute Lehrer?

Frank Homp: (lacht) Interessante Frage. Ich hatte damals das Gefühl, sehr auf mich alleine gestellt zu sein und dachte dementsprechend auch, dass das Problem nur bei mir liegt. Erst viel später hat eine Professorin mich aufgeklärt, dass das wissenschaftliche Schreiben eine Fähigkeit ist, die die meisten erst erlernen müssen. Wenn es also damals schon ORCA.nrw gegeben hätte, wäre auf jeden Fall ein großer Magnet da gewesen, der Probleme wie meins angezogen und gebündelt hätte. Ich hätte also schon mal gewusst, dass ich nicht alleine bin und Tipps bekommen, was anderen geholfen hat. Und gerade, wenn es um die Grundlagen im Studium geht, sind OER für Studierende natürlich super. Von daher könnte die Antwort durchaus „Ja“ lauten.

Statt als Lehrer arbeiten Sie nun als Netzwerkstelle von ORCA.nrw an der Universität Bielefeld. Wie beschreiben Sie Freundinnen und Freunden, was Ihre berufliche Aufgabe ist?

Homp: Ich muss immer schmunzeln, wenn meine Freundin versucht anderen zu erklären, was ich mache. Da merke ich dann, dass das wohl wirklich schwer in einem Satz zu sagen ist. Die Kurzversion ist: Ich helfe Lehrenden dabei, ihre Lehrmaterialien zu teilen und muss an vielen Stellen vor allem motivieren und überzeugen.

Und die Langversion?

Homp: Als nächstes kommt meistens die Frage nach dem Warum. Warum sollten Lehrende ihr Material teilen? Ich antworte dann immer, dass fast alle guten Erfindungen dieser Welt Ergebnis irgendeiner Art Kollaboration waren. Ich möchte mit meiner Arbeit mithelfen, diese Kultur an Hochschulen zu etablieren und dort, wo schon Ansätze bestehen, weiter zu fördern. Den wichtigen Part meines Jobs, bei dem ich mich mit dem Urheberrecht beschäftige, lasse ich aber meist weg, denn sonst fragen als nächstes immer alle: „Was hat Frank jetzt auch noch mit dem Recht zu tun?“ (lacht)

Wie sieht eine Arbeitswoche bei Ihnen aus?

Homp: Ich stehe sehr viel im Austausch mit Lehrenden an unserer Uni und beantworte ihre Fragen zu OER. Von ganz allgemeinen bis sehr spezifischen ist da viel dabei, sehr häufig geht es aber darum: Darf ich dieses Material unter dieser Lizenz veröffentlichen? Oft ist die juristisch saubere Antwort: nein. Dann versuche ich im direkten Austausch mit den Lehrenden eine Lösung zu finden. Natürlich spreche ich dafür auch mit unserem Justiziar.

Seminarraum
@Universität Bielefeld

Sie sind an der Universität Bielefeld angestellt, sagen aber, Ihr Büro sei der ORCA-Raum.

Homp: Genau, denn zum einen bin ich Ansprechpartner für die Bezugsgruppen an meiner Uni, damit aber natürlich auch Teil des ORCA.nrw-Netzwerks. Es gibt zum Beispiel unsere Community-Plattform, quasi das Facebook für ORCA, auf der wir als über 40 Netzwerkstellen in NRW digital versuchen, Antworten zu geben und uns untereinander auszutauschen, um Wissen und Erfahrungen bestmöglich zu nutzen. Darüber hinaus besteht meine Woche aber auch aus Selbstarbeit, bei der ich zum Beispiel Workshops oder meine Ideen für diverse Arbeitsgruppen des Netzwerks vorbereite.

Die Netzwerkstellen gelten als einzigartig in Deutschland. Was macht sie so besonders?

Homp: Das Wissen der Vielen. Es ist ein bisschen so wie zu Anfang erwähnt: Bei uns weißt du, dass du nicht alleine bist. Das ist wichtig. Alle haben unterschiedliche Erfahrungen mit OER gesammelt, und die helfen sehr oft weiter. Darüber hinaus hat so ziemlich jede Netzwerkstelle einen anderen beruflichen Hintergrund oder Schwerpunkt, teils sogar sehr speziell wie zum Beispiel in der Japanologie. Da bin ich dann immer ganz Ohr.

Wie tauschen Sie sich als Netzwerkstellen untereinander aus?

Homp: Bei ganz konkreten Themen und Fragen direkt im Eins-zu-Eins oder in kleineren Gruppen via Zoom. Die Community-Plattform nutzen wir untereinander natürlich auch, aber es gibt auch Formate, bei denen wir uns persönlich sehen: zum Beispiel die Campus-Tournee, bei der wir uns immer an einer Hochschule treffen, Tagungen oder das große Netzwerk-Gesamttreffen bei ORCA.nrw in Bochum.

Herr Homp, Sie waren vor Ihrem Lehramtsstudium bei der Marine, haben danach lange als Physiotherapeut gearbeitet und später den Weg zurück an die Universität gefunden und Ihren Abschluss in Berufspädagogik gemacht. Inwieweit profitieren Sie von all diesen eigenen Erfahrungen bei Ihrer Arbeit für ORCA.nrw?

Homp: Ich glaube, ich bin kein ultimativer Spezialist in einer Sache, aber ich habe schon ein paar berufliche Stationen hinter mir und denke, dass ich mich an neue Aufgaben und Gegebenheiten daher ganz gut anpassen kann. Ich habe immer versucht zu verstehen, wie Lernprozesse funktionieren. Und ich glaube, dass ich mich auf Menschen und ihre Bedürfnisse recht gut einstellen kann, das brauchst du als Physiotherapeut genauso wie jetzt als Ansprechpartner für offene Bildungsressourcen. Neben allem fachlichen spielt das auch eine wichtige Rolle.

Was ist für Sie das Faszinierende an OER?

Homp: Ich erzähle dazu immer gerne die Anekdote, wie OER entstanden sein könnte – nämlich am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA. Dort haben Wissenschaftler*innen gemerkt, dass unfassbar viele digitale Lehrmaterialien vorhanden waren, und dann die Frage in den Raum geworfen: „Warum stellen wir sie nicht zur freien Verfügung?“ Ausgerechnet in den USA, wo Bildung im Vergleich zum Beispiel zu Deutschland mitunter sehr teuer ist. Seit ich davon gehört habe, fand ich diese Einstellung gut. Man könnte hier in Deutschland auch sagen: Bildung wird mit öffentlichen Geldern bezahlt, also gibt es auch eine moralische Pflicht, etwas zurückzugeben.

Vielen Dank für das Gespräch. Wir möchten in der kommenden Zeit gerne auch Ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Netzwerk kennenlernen, deshalb haben Sie nun die Qual der Wahl: Wer soll in der nächsten Ausgabe interviewt werden und wie soll die Einstiegsfrage lauten?

Homp: Bianca Geurden von der Universität Siegen. Und ich würde sie gerne fragen, welches Wort, das einen abstrakten Begriff ausdrückt, sie ihrem bald zur Welt kommenden Nachwuchs als erstes gerne erklären möchte.

Save the Date – OER Fachtag Gesundheit

Liebe Interessierte,

die OER-Fachtage gehen in die nächste Runde:

Am 04.09.2023 findet von 10-16 Uhr der OER-Fachtag Gesundheit an der Hochschule für Gesundheit in Bochum statt. Veranstaltet wird dieser Fachtag von den Netzwerkstellen ORCA.nrw an der Hochschule für Gesundheit, der FH Bielefeld, der FH Münster, der Hochschule Niederrhein und der Universität Bielefeld. Merken Sie sich den Termin gerne schon vor.

Eine Anmeldemöglichkeit zum Fachtag und weitere Informationen zum Programm finden Sie in Kürze auf dieser Seite.

Bei Fragen zum OER-Fachtag wenden Sie sich gerne an:

Christina Josupeit und Christian Funk, Stabsstelle Qualität in Studium und Lehre der Hochschule für Gesundheit Bochum.

Save the Date – OER Fachtag Lehrkäftebildung

Save the Date

Liebe Interessierte, die OER-Fachtage gehen in die nächste Runde:

Am 23.02.2023 findet von 10-15 Uhr ein digitaler (per Zoom) OER-Fachtag für die Lehrkräftebildung statt. Organisiert wird dieser Fachtag von den Universitäten Duisburg-Essen, Köln, Dortmund, Siegen und Paderborn. Merken Sie sich den Termin gerne schon vor. Eine Anmeldemöglichkeit zum Fachtag finden Sie ab Mitte Januar mit weiteren Informationen zum Programm auf dieser Seite. Bei Rückfragen zum OER-Fachtag wenden Sie sich gerne an:

Dr. Julia Liebscher, Zentrum für Hochschulqualitätsentwicklung der Universität Duisburg-Essen, julia.liebscher@uni-due.org

Laura Schaffeld, Zentrum für Informations- und Mediendienste der Universität Duisburg-Essen, laura.schaffeld.ude@gmail.com

Musik für Lehrvideos auf ORCA.nrw: OER Tracks

Gute freie Musik für Lehrvideos oder Podcasts ist rar – da kommt das neue OER-„Mixtape“ auf ORCA.nrw wie gerufen! Die 30 „OER Tracks“ sind in einem Projekt der FH Dortmund entstanden, das die ORCA.nrw-Netzwerkstelle Dr. Sina Nitzsche ins Leben gerufen hat. 10 junge Künstler*innen aus NRW haben die Tracks im Rahmen des Corona-Soforthile-Programms der DH.NRW komponiert und selbst eingespielt.

Alle Tracks stehen unter der Lizenz CC BY 4.0 – das bedeutet, Sie dürfen die Musik nicht nur frei nutzen, sondern auch verändern – kürzen, mixen und adaptieren. Viel Spaß beim Anhören und Nutzen! ?

Hier können Sie die OER Tracks auf ORCA.nrw anhören und herunterladen

In dem kurzen Erklärvideo “OER Tracks and the ORCA.nrw Network: Promoting OER in Higher Education“ (Youtube-Link, englischsprachig) stellen Dr. Sina Nitzsche und andere ORCA.nrw-Netzwerkstellen das Projekt kompakt vor.

Wo geht die Reise hin? BildOER-Vision 2030

Ein Workshop vom Netzwerk Landesportal auf dem University:Future Festival 2021

„Herzlich willkommen an Bord!“.
Mit dieser Begrüßung startete unsere kleine digitale Reise am 04. November 2021 um 9:45 Uhr in das Jahr 2030, in dem an den Hochschulen eine offene Lehr-/Lernkultur und Open Educational Resources (kurz OER) als Standard gelebt werden. Als Ziel sollte im Rahmen von zwei Stunden eine gemeinsame Vision für die Zukunft der Hochschullandschaft entstehen. Für diese Reise hatten wir unterschiedliche Reisehighlights vorbereitet: Zu Beginn wurden die Teilnehmenden mit einer kurzen Einführung in die Welt der OER und einer Vorstellung des Netzwerk Landesportals abgeholt, sodass alle von einem gemeinsamen Punkt aus zum ersten Zwischenhalt der Reise gelangen konnten.Reiseplan

Um die Reisegäste für die erste Arbeitsphase zu aktivieren, gab es zunächst noch eine kleine Aufwärmübung: Anhand von Stimmungsbildern in Form von Tierbildern sollten die Teilnehmenden angeben, was ihnen spontan in den Sinn kommt, wenn sie an OER denken. Dabei waren u. a. neugierige Katzen, ideenreiche und inspirierte Affen sowie Pinguine, die sich in Anbetracht des großen Themas OER noch etwas verloren fühlen.

Das Jahr 2030 – OER als Standard

Zum ersten Zwischenhalt schickten wir die Workshopteilnehmenden in das Jahr 2030. Ein Countdown leitete den Sprung in die Zukunft der Hochschullandschaft ein. In dieser Zukunft schauten sich die Teilnehmenden in Breakout-Sessions die Hochschullandschaft aus Sicht der Akteur*innen Lehrende, Hochschulleitung und Studierende genau an und beschrieben auf einem Mural-Board anhand von drei bis fünf Bildern und Notizzetteln ihre Zukunftsvision einer Kultur des Teilens.

Kultur des Teilens 2030

[2] Screenshot (zur Vergrößerung bitte Bild anklicken)

Nach einer kurzen Snackpause wurden die Visionen aus den Akteur*innengruppen mit dem Plenum geteilt, um im Anschluss die Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten.

Das Gesamtbild zeichnete sich dabei durch unterschiedliche Facetten aus: Für alle Akteur*innen ist es relevant, dass OER-Materialien ständig kombiniert und verändert werden können. In diesem Sinne wurden von den Teilnehmenden iterative und reflektierende Prozesse als notwendig erachtet. Dabei werden die unterschiedlichen Perspektiven der Akteur*innen für eine gemeinsame Zusammenarbeit benötigt. Diese unterschiedlichen Ansichten zeigten sich in den Perspektiven der ausgewählten Bilder. Während die Hochschulleitung die OER-Aktivitäten eher aus einer Vogelperspektive betrachtet, um alles im Blick zu haben, möchten die Lehrenden und Studierenden diese Machtstrukturen aufbrechen. Aus diesen Aspekten ergeben sich unterschiedliche Schritte, um die Vision zu erreichen. So wäre es aus Sicht der Workshopteilnehmenden z. B. wünschenswert, wenn die Hochschulleitungen Strukturen für die Erstellung von OER schaffen. Die Lehrenden selbst könnten fachliche Impulse setzen und sich in Arbeitsgemeinschaften und Communitys zu einem fachlichen Austausch zusammenschließen. Für die Studierenden sollten die Lernbedingungen gleich sein und ihnen sollte beim Weg durch die Vielzahl an Möglichkeiten geholfen werden. Bei all diesen Aspekten wurde allerdings auch deutlich, dass eine Kultur des Teilens bzw. das Teilen von Materialien auf Freiwilligkeit beruhen sollte.

Ergänzt wurde dieses Gesamtbild durch die Vision des Netzwerks, die wir in einem separaten Workshop mit der gleichen Visualisierungsmethode erarbeitet haben und zum Abschluss unserer Reise vorstellten: Stichworte in Bezug auf die Lehrenden waren Erfahrungsaustausch, Kooperation, Freiheit und Kreativität. Die Hochschulleitung unterschied sich in den Bildern, die die Teilnehmenden des Workshops ausgewählt haben, gemeinsam ist beiden Visionen allerdings, dass diese mit einer Perspektive von oben (Übersicht) charakterisiert wurde.

Damit endete die gemeinsame Reise um 11:45 Uhr am 04. November und Teilnehmenden konnten im Anschluss an den Workshop noch Teile der Reiseausstattung (Präsentation, Bild des Mural-Boards, Notizen zur gemeinsamen Vision) als Andenken mit nach Hause nehmen. 

Gemeinsamer Weg in eine OER-Zukunft

Mit diesem Workshop wollten wir die Teilnehmenden zu einer Vision inspirieren, um gemeinsam die Reise in eine Zukunft, in der OER an den Hochschulen als Standard gelebt werden und eine Kultur des Teilens selbstverständlich ist, fortzuführen und dabei jede*n auf seine*ihre eigene kleine Mission an seiner*ihrer Hochschule zu schicken.

Die Autorinnen

Autorinnen des Beitrags

Tassja Weber, Anke Marks, Bianca Geurden, Magdalena Spaude, Sarah Schotemeier und Sarah Görlich vom Netzwerk Landesportal

[1] Reiseplan zum Workshop „BildOER-Vision 2030“ auf dem University:Future Festival, 04.11.2021 von Anke Marks (FernUniversität in Hagen), Bianca Geurden (Universität Siegen), Magdalena Spaude (Universität zu Köln), Sarah Görlich (Ruhr-Universität Bochum), Sarah Schotemeier (WWU Münster) Tassja Weber (Universität Paderborn) für das Netzwerk Landesportal ORCA.nrw, lizenziert unter CC BY 4.0.

[2] Screenshot Muralboard zum Workshop „BildOER-Vision 2030“ auf dem University:Future Festival, 04.11.2021 von Anke Marks (FernUniversität in Hagen), Bianca Geurden (Universität Siegen), Magdalena Spaude (Universität zu Köln), Sarah Görlich (Ruhr-Universität Bochum), Sarah Schotemeier (WWU Münster) Tassja Weber (Universität Paderborn) für das Netzwerk Landesportal ORCA.nrw, lizenziert unter CC BY 4.0.

Weiterführende Informationen:

Informationen zum Netzwerk Landesportal: https://orca.nrw/lehrende/akteure/netzwerk
Informationen zum Thema OER: https://open-educational-resources.de/
 

Ein Interview mit dem Netzwerk Landesportal