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„KI-NEL-23-NRW war ein rundum erfolgreiches Projekt für uns“

Die Entwicklungen im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI) in Studium und Lehre sind rasant. Der Weiterbildungs- und Vernetzungsbedarf zum Thema ist ungebrochen hoch. Deshalb bearbeiteten das Zentrum für Wissenschaftsdidaktik (ZfW) der Ruhr-Universität Bochum und das Landesportal ORCA.nrw in Stellvertretung für die Digitale Hochschule NRW das bundesweite Projekt „Konzertierte wissenschaftliche Weiterbildungen zu Künstlicher Intelligenz in der Hochschullehre“ (KI-NEL-23).

Die kurze Projektlaufzeit von Oktober 2023 bis März 2024 wurde durch verschiedene Veranstaltungsformate intensiv genutzt, um über das Thema KI in der Hochschullehre zu informieren und interessierten Fachgemeinschaften die Möglichkeit des Austauschs zu bieten. Der Fokus von ORCA.nrw lag hierbei auf der Bedeutung Künstlicher Intelligenz für Open Educational Resources (OER), während das Zentrum für Wissenschaftsdidaktik den Schwerpunkt auf generative KI in Studium und Lehre sowie Vernetzung von Fachgemeinschaften setzte.

Jonas Leschke vom ZfW und ORCA.nrw-Geschäftsführer, PD Dr. Markus Deimann (beide im Bild), die das Projekt im Team mit den ZfW- und ORCA-Kolleg*innen umgesetzt haben, werfen in diesem Abschlussbeitrag einen Blick zurück auf einige der umgesetzten Maßnahmen.

 

Austauschtreffen: Infrastruktur für Generative KI

Datenschutzkonformität, Finanzierbarkeit und technische Umsetzbarkeit von KI-Systemen für Hochschulen sind Themen, die aktuell diskutiert werden. Zwei landesweite digitale Austauschtreffen, im Dezember 2023 sowie März 2024 unter dem Titel „Infrastruktur für Generative KI an Hochschulen“ vom ZfW organisiert, ermöglichten hierzu einen hochschulübergreifenden Austausch der Rechenzentren in NRW. In den (bislang) zwei Terminen wurden aktuelle Entwicklungen von Dr. Christian Schlösser an der FH Dortmund, von PD. Dr. Malte Persike an der RWTH Aachen und Martin Bovermann und Tim Trappen an der Ruhr-Universität Bochum vorgestellt und technische Herausforderungen diskutiert. Trotz der Unterschiedlichkeit der Ansätze, indem beispielsweise Open Source-Modelle oder Modelle Kommerzieller Anbieter verwendet werden, sind die Herausforderungen teilweise identisch. Auch in den kommenden Monaten soll es, dann koordiniert durch das Projekt KI:edu.nrw, weitere Austauschmöglichkeiten für die Rechenzentren geben.

Jonas Leschke: „Für die strategischen Prozesse der Bereitstellung generativer KI an der eigenen Hochschule war es hilfreich zu sehen, welche unterschiedlichen Ansätze die Hochschulen auf der Ebene der technischen Bereitstellung verfolgen. Neben den vorgestellten individuellen Standortlösungen wurde deutlich, dass der Wunsch und der Bedarf einer standortübergreifenden Bereitstellung im Land bestehen. Vielen Dank auch an die Präsentierenden der jeweiligen Standortüberlegungen zur Bereitstellung generativer KI, die ganz unterschiedliche Ansätze verfolgen. Den in den Terminen formulierte Wunsch nach weiteren Austauschmöglichkeiten auch nach KI-NEL-23 nehmen wir auf und koordinieren den Austausch unter dem Dach von KI:edu.nrw gerne weiter.“

   

Digitale Themenreihe: How to be learning aid?

In Nordrhein-Westfalen werden bereits seit Längerem Projekte von unterschiedlichen Mittelgebern (BMBF, DFG, Stiftung Innovation in der Hochschulbildung, KI-Campus, DH.NRW) gefördert, die sich mit Künstlicher Intelligenz in der Hochschule und Lehre beschäftigen. Im Rahmen einer digitalen Themenreihe konnten sich sechs dieser Projekte vorstellen, namentlich uLKIS, KI-transdisziplinär, IMPACT, AIStudyBuddy, HAnS und Digitales Mentoring. Die Projekte beschäftigen sich beispielsweise mit KI-basierten Unterstützungssystemen für Studierende und Disziplinen unabhängigen KI-Kompetenzen. Die Themenreihe wurde um einen siebten Termin zur aktuellen rechtlichen Einschätzung generativer KI in der Hochschullehre von Nicolas John von der WWU Münster ergänzt. Insgesamt hat sich durch die unterschiedlichen Projekte wieder gezeigt, wie vielfältig bereits jetzt am Thema Künstliche Intelligenz in der Hochschule gearbeitet wird und das KI nicht gleich KI ist.

Einen Überblick über die vorgestellten Projekte und die Möglichkeit zum Download der Präsentationsfolien erhalten Sie hier.

Leschke: „Wir waren uns zuerst nicht sicher, wie groß die Nachfrage der Lehrenden an so einer Themenreihe ist. Immerhin haben sich hier noch laufende Projekte vorgestellt, die teilweise noch keine fertigen Lösungen für die Hochschullehre anbieten konnten. Alle Termine waren aber sehr gut besucht und auch den Vortragenden ist es gelungen die Implikationen der Projekte für die Praxis in der Hochschullehre darzustellen. Ich bin davon überzeugt, dass vergleichbare Austauschformate für ein Praxisfeedback, aber auch zur Kooperation zwischen Projekten einen großen Mehrwert bieten und auch die Lehrenden selbst erhalten neben der Partizipationsmöglichkeit Einblicke und Vorschläge, wie sie ihre Lehre schon heute oder zukünftig weiterentwickeln können.“

 

NRW-weite Vernetzung zu Generativer KI

Die Bedeutung generativer KI-Systeme für Studium und Lehre und auch der Verwaltung beschäftigt neben den technischen und projektbasierten Bereichen auch die zentralen Einrichtungen der Hochschulen. Der Umgang mit den generativen KI-Werkzeugen stellt Hochschulen nicht nur vor technische Herausforderungen, die es nun zu bearbeiten und in geordnete Bahnen zu bringen gilt. Ziel des Vernetzungstreffens im Februar 2024 war der Erfahrungsaustausch und die Systematisierung von Lösungsansätzen zum Umgang mit KI in Studium und Lehre. Hierfür haben wir über die Hochschulleitungen aller Hochschulen in NRW in den Beckmanns Hof nach Bochum eingeladen und so Personen von 33 Hochschulen sowie Vertreter*innen aus dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft und dem Hochschulforum Digitalisierung in den Austausch gebracht. Nach initialen Impulsvorträgen zu den vier Handlungsfeldern der technischen Umsetzbarkeit, Regelungsbedarfen, weiterführenden Beratungs- sowie Schulungsangeboten für Lehrende und Studierende sowie curricularen Einflüssen wurden diese Themen im Rahmen eines World Cafés diskutiert. Die Ergebnisse des World-Cafés wurden am Nachmittag zusammengetragen und resultierende strategische Bedarfe und Konsequenzen im Land diskutiert.

Leschke: „Das Vernetzungstreffen hat gezeigt, wie deutlich die Bedarfe an einer hochschulübergreifenden Zusammenarbeit im Kontext generativer KI über die technische Bereitstellung hinaus geht. Sicherlich gibt es mittlerweile an jeder Hochschule Personen, die sich aus ihrem Bedarf heraus mit dem Thema beschäftigen. Es ist aber beispielsweise nur ein Baustein, generative KI an einer Hochschule technisch bereitzustellen. Für einen kompetenten Umgang mit den Systemen braucht es beispielsweise Schulungsangebote für eine große Anzahl an Lehrenden, Studierenden und auch allen weiteren Personen an Hochschulen, wie der Forschung und Verwaltung. Zudem wurde auch an diesem Tag wieder der Bedarf nach einer eindeutigen Regelung im Umgang mit generativer KI diskutiert. Neben allgemeinen Regelungen muss dieser Umgang aus meiner Sicht fachspezifisch ausdifferenziert werden, sodass es bspw. auch hochschulübergreifend in den Fachcommunities einen systematischen Dialog braucht.“

 

Informationsveranstaltung Dr. Robert Schuwer

Es war der gelungene Auftakt in eine Reihe von zahlreichen Projektmaßnahmen: Dr. Robert Schuwer, OER-Forscher aus den Niederlanden, lud zur Online-Veranstaltung unter dem Titel „Generative künstliche Intelligenz und offene Bildungsmaterialien: Segen oder großes Risiko?“. In seinem einstündigen Vortrag erklärte Schuwer unter anderem die Chancen, durch KI künftig „on the fly“ OER erstellen zu können. Gleichzeitig gab er aber auch einen ersten Überblick, welche Probleme dadurch entstehen können: zum Beispiel die Frage nach der richtigen Lizenzierung und Quellenangabe oder Sicherstellung der Barrierefreiheit von Materialien.

PD Dr. Markus Deimann: „Mit dem Vortrag wollten wir ganz zu Beginn des Projekts einen Rahmen abzustecken. Ich kenne Robert seit vielen Jahren, er ist ein OER-Experte der ersten Stunde und forscht seit einiger Zeit schon zum Thema ‚OER und KI‘. Zudem bringt er eine internationale Sicht auf das Thema mit. Er hat es geschafft, in einer Stunde nicht nur einen Überblick über die Themenlage zu geben, sondern auch einen Ausblick. Das war für die weiteren Veranstaltungen – zum Beispiel auch einen Online-Workshop zusammen mit Robert – enorm hilfreich.“

 

Workshop im Rahmen des „OERCamp 2024“

Vier Stunden wurde diskutiert und ausprobiert. PD Dr. Markus Deimann und Daniel Diekmann, OER-Referent bei ORCA.nrw, luden im Rahmen des diesjährigen „OERCamp“ zum Workshop unter dem Motto „Künstliche Intelligenz und Open Educational Resources – Ideen entwickeln, gestalten und reflektieren“ ein. Dabei richtete er sich – wie die meisten Angebote des „OERCamp“ nicht ausschließlich an die deutschsprachige OER-Community aus dem Hochschulwesen, sondern aus allen Bildungsbereichen. Im ersten Schritt des Workshops wurde zu verschiedenen Themen diskutiert, unter anderem welche Handlungsfelder und Herausforderungen sich in der Lehre aktuell ergeben. Im zweiten Schritt wurde es dann praktisch, und die Arbeit mit ChatGPT stand im Fokus.

Deimann: „Der Workshop wurde von der Community sehr gut angenommen. Wir haben verschiedene Stationen vorbereitet, aber bewusst wenig Input gegeben. Der Fokus lag auf dem Diskutieren, Ausprobieren und Konzeptionieren. An der Resonanz haben wir gemerkt, dass es sich lohnt, das Thema ‚OER und KI‘ zu diskutieren, weil es wichtiger werden wird.“

 

KI-Freitag

Im Format „Kennt Ihr schon?“ hat ORCA.nrw Experten zum Thema „OER und Künstliche Intelligenz“ zu Wort kommen lassen. Immer freitags wurden Videos auf der Themenseite sowie LinkedIn und X veröffentlicht. Thematisch wurden eine Vielzahl von Themen, unter anderem rechtliche Aspekte, Fragen zur Lizenzierung und Potenziale und Risiken von KI für OER, behandelt. Impulsgeber waren beispielsweise Fabian Rack von iRights.law, Dr. Robert Farrow aus dem Vereinigten Königreich oder Patrick Zauner und David Lohner vom Karlsruher Institut für Technologie. Insgesamt generierte das Landesportal mit den zehn Ausgaben über 5.000 Impressionen. Das zeigt, dass das Thema „OER und KI“ große Relevanz und Nachfrage hat.

Deimann: „Mit dem Video-Format wollten wir eine breitere Zielgruppe auf das Thema ‚OER und KI‘ aufmerksam machen und es zudem ansprechend und lebendig aufbereiten. Wir haben zahlreiche Experten aus dem Bereich zu Wort kommen lassen und so viele unterschiedliche Themenbereiche abdecken können. Zum Beispiel zu rechtlichen Aspekten gibt es in der Community viele offene Fragen, durch die Videos haben wir versucht, Antworten zu liefern.“

 

Fazit

Das Projekt KI-NEL-23-NRW stand neben den zahlreichen erfolgreichen Maßnahmen auch im Zeichen der guten Zusammenarbeit in Nordrhein-Westfalen. Entsprechend positiv fällt auch das Gesamt-Resümee von Jonas Leschke und PD Dr. Markus Deimann aus.

Deimann: „KI-NEL-23-NRW war ein rundum erfolgreiches Projekt für uns. Wir haben uns zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen vom Projekt KI:edu.nrw in besonderem Maße mit dem wichtigen Thema ‚Künstliche Intelligenz in Bezug auf OER‘ auseinandersetzen können und viele neue Einblicke und Perspektiven erhalten. Für uns ist das in unserer täglichen Arbeit eine außerordentlich gute Grundlage, um bei diesem Thema auch in Zukunft wichtige Impulse geben zu können. Ein besonderer Dank gilt der Stiftung Innovation in der Hochschullehre, ohne deren Förderung uns diese besondere Möglichkeit nicht gegeben gewesen wäre.

Leschke: „Ich kann mich Markus nur anschließen. Auch aus unserer Perspektive waren alle Formate ein Erfolg und durch die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen von ORCA.nrw konnten wir jeweils unsere Expertise einbringen und somit sinnvolle Schwerpunkte setzen, indem ORCA.nrw Angebote zu generativer KI im Kontext von OER und wir Angebote zu generativer KI im Kontext verschiedener Perspektiven der Hochschullehre und Hochschulentwicklung durchgeführt haben. Auch wir werden im Kontext von KI:edu.nrw weiter an dem Thema arbeiten. Wir danken auch der Digitalen Hochschule NRW für die Möglichkeit KI-NEL-23-NRW für das Land umzusetzen und den Kolleg*innen vom Netzwerk der Landeseinrichtungen für digitale Hochschullehre (NeL) für die tolle Zusammenarbeit.“

 

Eine Übersicht über diese und weitere Maßnahmen aus dem Projekt KI-NEL-23-NRW finden Sie unter anderem auf der Projektseite.

 

1/2024: KI-Freitag startet bei ORCA.nrw

Das neue Jahr hat gerade erst begonnen, doch zu berichten gibt es schon einiges: Nicht nur die Vorfreude aufs University:Future Festival steigt peu a peu, auch ein besonderes Projekt geht in die nächste Phase.

 

U:FF ’24: Wir freuen uns auf die Beiträge

Bald ist es wieder soweit: Vom 5. bis 7. Juni findet das University:Future Festival statt, und ORCA.nrw ist mit einer Partnerbühne dabei. Wie schon 2023 werden auch dieses Jahr wieder zahlreiche interessante Beiträge in Bochum präsentiert. Der Call for Participation sowie der Call for Arts & Interaction für das diesjährige U:FF läuft noch bis zum 12. Februar, Beiträge können hier eingereicht werden. Das Festival wird auch in diesem Jahr vom Hochschulforum Digitalisierung und der Stiftung Innovation in der Hochschullehre veranstaltet, unterstützt wird es vom Stifterverband.

 

KI-Freitag bei ORCA.nrw

In den kommenden Wochen steht das Thema „KI und OER“ in besonderem Fokus von ORCA.nrw. Im Rahmen des Projekts KI-NEL-23-NRW haben wir vom Landesportal eine Videoreihe unter dem Namen „Kennt Ihr schon?“ produziert, in der immer freitags Expertinnen und Experten ihre Einschätzung geben. Den Anfang hat David Lohner vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gemacht, das Video finden Sie unter der Rubrik KI-Freitag auf unserer Themenseite „KI und OER“.

 

Learning AID: Call for Submission läuft

Die Learning AID 2024 wirft ihre Schatten voraus: Am 2. und 3. September findet erneut die renommierte Fachtagung rund um Learning Analytics, Artificial Intelligence und Data Mining in der Hochschulbildung statt. Seit 2022 hat sich die Learning AID als zentrale Vernetzungsplattform zu diesen Themen etabliert, organisiert wird sie vom landesgeförderten Projekt KI:edu.nrw. Tagungsort ist die Ruhr-Universität Bochum, mögliche Beiträge für die diesjährige Tagung können schon jetzt eingereicht werden: Bis zum 29. Februar ist der Call for Submissions geöffnet, alle Informationen finden Sie hier.

 

OER-Tipp des Monats: Digitale Qualifikation – Ausdauer

Auch 2024 geht der OER-Tipp des Monats natürlich weiter: Pünktlich zum Jahresstart ging es im Januar um das Thema Ausdauer. An der Deutschen Sporthochschule Köln ist ein Moodle-Kurs entwickelt worden, der die digitalen Kompetenzen der Studierenden schulen soll. Dabei werten sie im Kurs unter anderem ihre Ausdauer-spezifische Daten, die von gängigen Apps erfasst werden, aus und analysieren die Tools im Anschluss auf Vor- und Nachteile. Zum OER-Tipp des Monats Januar.

„KI:edu hat wichtige Grundlagen geschaffen, auf denen wir aufbauen wollen“

Im Projekt KI:edu.nrw wird exemplarisch erarbeitet, wie Regeln, Konzepte, Prozesse und Technik für den Einsatz von Learning Analytics ausgestaltet werden können. Beheimatet ist das Projekt an der Ruhr-Universität Bochum, die RWTH Aachen ist partnerschaftlich verbunden. Nun ist die erste Phase des Projekts abgeschlossen. Grund genug, mit Projektleiter Dr. Peter Salden sowie Projektkoordinator Jonas Leschke für ein Resümee zu sprechen. Im Interview berichten die beiden über überraschende Erkenntnisse und Veränderungen in der Hochschulwelt und im Projekt und geben einen Ausblick, wie es mit KI:edu.nrw weitergeht.

Ein Gastbeitrag von Stephanie Merten, KI:edu.nrw

 

Das Projekt neigt sich nun dem Ende zu und drei Jahre Projektarbeit liegen hinter euch. Wie blickt ihr auf das Projekt zurück? Was geht euch durch den Kopf?

Peter Salden: Ich habe gerade die Texte gelesen, die von den Teilprojekten für unseren abschließenden Sammelband geschrieben wurden. Es hat mich nochmal beeindruckt, wie vielfältig die in KI:edu bearbeiteten Themen waren, von Technik über Didaktik, Ethik, Recht und Studienberatung bis hin zu fachspezifischen Anwendungen. Mir ging aber auch noch einmal durch den Kopf, dass wir genau diesen breiten Blick brauchen, um dem Thema gerecht zu werden. Denn KI in der Hochschule ist etwas, was man nur gemeinsam mit allen lehrbezogenen Akteur*innen bearbeiten kann.

Jonas Leschke: Für mich sind es ja nur gut zwei Jahre gewesen, da ich erst später im Projekt gestartet bin. Ich konnte mich daher schon ins gemachte Nest setzen. Ich blicke glücklich auf diese Zeit zurück und denke, dass wir in einem großartigen Team ein super Projektergebnis erarbeitet haben. Für die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen in der Projektgruppe bin ich sehr dankbar. Für mich persönlich kann ich sagen, dass ich sehr viel von den Kolleg*innen gelernt habe und immer dazu ermutigen würde, solche Praxisprojekte groß und interdisziplinär anzulegen. Das bringt auch Herausforderungen mit sich, die sich in meinem Empfinden aber im Projektergebnis auszahlen.

 

Welche Erwartungen hattet ihr zu Beginn an das Projekt und euch selbst?

Salden: Als wir das Projekt im Jahr 2020 dem Wissenschaftsministerium vorgeschlagen haben, standen KI und Learning Analytics auf der Agenda der Hochschulen noch weit unten. Es war ein Forschungsthema, aber an den Einsatz in der Praxis der Hochschulen dachten die wenigsten. Meine Vorstellung war, dass wir über KI:edu besser verstehen können, was dieser Praxiseinsatz bedeuten wird und dass wir möglichst viele Hochschulen auf dem Weg dorthin mitnehmen und unterstützen können. Sicherlich war KI:edu nur ein Baustein von vielen, dass die Lage heute im Vergleich zum Jahr 2020 ganz anders ist. Ich glaube aber schon, dass wir einen guten inhaltlichen Beitrag leisten konnten, dass wir heute an einer anderen Stelle stehen.

Leschke: Ich weiß noch, dass als ich die Stellenausschreibung für die Projektkoordination gesehen habe, mit meiner Frau mit großer Skepsis darüber gesprochen habe, ob Learning Analytics mit meinem konstruktivistischen Lernverständnis vereinbar sein kann. Nachdem ich dann aber mit Peter telefoniert habe, hatte ich ein gutes Gefühl und habe mich dann doch beworben. Meine Erwartung an mich war daher, dass ich ein breites Bildungsverständnis in das Projekt einbringen möchte. Ich wollte nicht, dass Hochschullehre auf Zahlen und Noten reduziert wird. Ich glaube, das ist uns im Projekt auch gelungen.

 

Gibt es einen (Fach-)Bereich, der euch im Projekt besonders überrascht hat?

Leschke: Um die vielen positiven Erfahrungen aufzuzählen, bräuchten wir viel Zeit. Ganz grundsätzlich hat mich immer wieder beeindruckt, wie motiviert und lösungsorientiert die Kolleg*innen an die Fragestellungen im Projekt herangegangen sind. Durch die unterschiedlichen fachlichen Sozialisationen der Mitarbeitenden ist es durchaus zu Missverständnissen gekommen. Diese wurden dann allerdings nicht zu Barrieren zwischen den Kolleg*innen, sondern durch Kollegialität und Empathie zu einer für alle Seiten vertretbaren Lösung. Als konkretes Beispiel kann ich den Datenschutz nennen. Das klassische Argument gegen Lerndatenanalyse ist ja, dass diese nicht mit dem Datenschutz vereinbar sei. Die Datenschutzkollegen im Projekt haben allerdings gezeigt, dass ein intensiver, konstruktiver Umgang mit den Datenschutzfragen letztendlich doch zu einer praktikablen Lösung führen kann.

Salden: Auch wenn wir das Thema ja schon länger im Projekt hatten, hat mich vor allem überrascht, dass der Bereich generative KI mit einer solchen Geschwindigkeit an Dynamik gewonnen hat. Auch in anderen Bereichen habe ich aber jedenfalls noch dazugelernt. Positiv war in meinen Augen beispielsweise, dass wir, so wie Jonas es schon beschrieben hat, durch den engen Einbezug der Datenschutzbeauftragten gangbare Wege aufzeigen konnten, wie man Learning Analytics datenschutzkonform umsetzen kann. Als Schwierigkeit kann ich nennen, dass man doch recht häufig im Austausch mit projektexternen Personen wieder ganz grundlegende Dinge erklären muss. Man darf bei dem Thema in der Breite der Hochschule wirklich nicht viel Wissen voraussetzen.

 

Gut zu wissen: Im Rahmen des Projekts wurde ein Datenschutzachten entwickelt, dass eine rechtliche Begutachtung zur Nutzung von Lerndaten bereitstellt.

 

Hat sich eure Sicht auf Learning Analytics und KI in der Hochschule durch das Projekt verändert und wenn ja, auf welche Weise?

Leschke: Ja, definitiv. Ich bin aufgrund meines didaktischen Grundverständnisses wirklich skeptisch in das Projekt gestartet. Wie eben gesagt, habe ich ein konstruktivistisches Lernverständnis und war auch lange zu Beginn meiner Arbeit im Projekt nicht sicher, ob ich dieses mit dem Projekt vereinen kann. Durch das Projekt habe ich gelernt, dass Learning Analytics, aber auch KI, keinesfalls ein instruktives Lernverständnis meint. Heute bin ich davon überzeugt, dass Learning Analytics und KI die Hochschullehre positiv beeinflussen kann und wird.

Salden: Ich habe zu Beginn des Projekts die Bereiche Learning Analytics und generative KI noch unabhängig voneinander gesehen. Inzwischen sehe ich gerade in der Verbindung beider Bereiche Chancen, leistungsstarke persönliche Lernassistenzsysteme zu entwickeln. Generative KI habe ich dabei ursprünglich vor allem im Bereich Schreiben gesehen. Inzwischen gehen die Anwendungsfelder aber ja deutlich darüber hinaus, so dass für mich auch schon wieder in Frage steht, ob wir überhaupt die von uns ja eigentlich angestrebte umfangreiche Erfassung von Lerndaten brauchen. Möglicherweise wird dank der Möglichkeiten generativer KI die komplexe systemübergreifende Erfassung von Lerndaten gar nicht mehr notwendig sein, um individualisiertes Lernen zu ermöglichen. Hier bin ich aber einfach gespannt auf die Entwicklungen der nächsten Jahre.

 

Inwiefern hat die Einführung von ChatGPT bzw. generativer KI die Projektarbeit verändert?

Salden: Auch wenn wir das Thema generative KI ja schon vor ChatGPT im Projekt bearbeitet haben – nach meiner Einschätzung war es übrigens die erste praxisorientierte Projektstelle zu diesem Thema in ganz Deutschland – kann man die veränderte Dynamik nicht überschätzen. Im letzten Projektjahr hat uns dieses Thema viel stärker beschäftigt als erwartet und von uns auch in mancherlei Hinsicht ein verändertes Arbeiten gefordert. Wir hatten zwischenzeitlich sehr viel mit Medienanfragen zu tun, haben sehr viele Vorträge in ganz Deutschland gehalten und waren auch viel im politischen Kontext unterwegs, also z.B. im Dialog mit Parteien, Ministerien, mit der Kultusministerkonferenz und dem NRW-Landtag. Das hat sicherlich auch unseren Horizont erweitert, den gesellschaftlichen Kontext von Bildung und Didaktik nochmal anders zu betrachten – beispielsweise, was die Verantwortung von Bildung für die Gesellschaft angeht oder wie Rahmenbedingungen für Bildungseinrichtungen entstehen.

Leschke: Die medienwirksame Bereitstellung von ChatGPT hat definitiv auch einige Veränderungen in der Projektarbeit mit sich gebracht. Bevor ChatGPT veröffentlicht wurde, haben wir uns bemüht, bestmöglich über KI in der Hochschullehre zu informieren. Die Reaktionen waren dann häufig so, „dass man sich irgendwann in der Zukunft mal damit beschäftigen wolle“. Dann kam generative KI in der breiten öffentlichen Wahrnehmung an und plötzlich folgte eine Anfrage nach der anderen. Ich glaube, dass die Außenwahrnehmung über das Projekt plötzlich auch viel stärker von KI geprägt war, sicher auch wegen des Gutachtens. Die Arbeit um Learning Analytics hörte aber keinesfalls auf und wir haben hierzu auch weiterhin wichtige Ergebnisse erarbeitet. Learning Analytics hat auch in Zeiten von generativer KI große didaktische Potenziale; auch oder gerade im Zusammenspiel mit generativer KI.

 

Gibt es etwas, dass ihr in der nächsten Förderphase anders machen würdet und wenn ja, was?

Leschke: Es wäre sicher vermessen zu sagen, dass das Projekt nicht hätte irgendwo besser ablaufen können. Dennoch bin ich absolut zufrieden. Eine wichtige, aber doch etwas späte Erkenntnis war, dass wir die interdisziplinäre Zusammenarbeit durch die gemeinsame Arbeit an konkreten Produkten stärken können. Konkret fällt mir da die Arbeit um ein gemeinsames Verständnis zum Studienerfolgsbegriff ein. Wir haben dieses Verständnis gemeinsam herausgearbeitet und in einem Papier festgehalten. Das hat das gegenseitige Verständnis verbessert und die Kommunikation im Projekt auch über dieses Thema hinaus gestärkt. In der kommenden Förderphase werden wir als Konsortialprojekt auch stärker hochschulübergreifend arbeiten. Ich überlege schon jetzt, an welchem gemeinsamen Produkt wir diese Zusammenarbeit stärken können.

Salden: Mir fällt nicht der eine große Fehler ein, bei dem ich sagen würde: Das hätten wir anders machen sollen! Ich gehe aber in das Folgeprojekt natürlich mit einer anderen Erfahrung hinein und sehe manches anders oder klarer als vor dem ersten Projekt. Eine ganz zentrale Erfahrung kommt für mich aus dem Bereich generative KI. Wir hatten zu dem Thema schon vor ChatGPT viele Vorträge, bei denen, wie Jonas schon sagte, die Zuhörer*innen die Möglichkeiten von generativer KI zwar interessant fanden, aber doch nicht richtig glauben konnten, dass das funktionieren oder die Hochschulen beeinflussen wird. Ich denke heute, dass diese Sicht mit dem eigenen Selbst- und Menschenbild zu tun hatte: Wir möchten manchmal nicht wahrhaben, dass Computerprogramme etwas genauso gut oder besser können wie wir selbst. Ich denke, dass man sich nicht scheuen darf, beim Thema KI in diese Richtung zu denken. Manchmal braucht es vielleicht eine gewisse Radikalität im Denken, um eine Vorstellung von der Zukunft zu entwickeln und diese dann positiv zu gestalten. Dies kann in Zukunft z.B. die Fragen betreffen, inwieweit KI wissenschaftliche Erkenntnis hervorbringen wird und in welcher Hinsicht Lehrassistenzsysteme Studierenden besser Feedback geben können als Lehrende.

 

Was nehmt ihr aus der Zusammenarbeit miteinander und mit den Projektpartner*innen für euch mit?

Salden: Was uns von Beginn an in KI:edu besonders wichtig war, war das Thema Vernetzung und Zusammenarbeit. Das betraf unsere interdisziplinäre Projektgruppe, aber auch von uns organisierte Formate wie die Vernetzung der Nordrhein-Westfälischen Forschungs- und Praxisprojekte zu KI sowie die Organisation der Learning AID-Tagung. Die interdisziplinäre und hochschulübergreifende Zusammenarbeit ist gerade bei diesem Thema unheimlich wichtig. Wir sollten beispielsweise technische und rechtliche Fragen nicht an jeder Hochschule alleine klären, sondern werden das im Verbund besser schaffen. Zudem wird jeder einzelne Bereich (wie z.B. die Technik oder die Didaktik) seine Aufgaben besser lösen, wenn er Input aus anderen Bereichen erhält – eben im Sinne von Interdisziplinarität.

Leschke: Peter und ich haben sehr eng zusammengearbeitet. Das kannte ich bisher so nicht. Letztendlich hat uns das aber in verschiedenen Situationen geholfen, für die andere Person einzuspringen, wenn bspw. mal jemand krank oder im Urlaub war. Zudem konnten wir durch diese Form der Zusammenarbeit mögliche Probleme bereits in der Entstehung auflösen und natürlich im Austausch kreative Ideen wie die Learning AID-Tagung entwickeln. Diese enge Zusammenarbeit kann in der Form natürlich nicht mit und zwischen allen Projektpartner*innen funktionieren. Hier hat mir als Projektkoordination insbesondere die Offenheit und Bereitschaft, sich gegenseitig auch kurzfristig zu unterstützen und auszutauschen, sehr geholfen. Falls wir bspw. in Gremien oder Netzwerken das Projekt vorgestellt haben, konnte ich mir immer der Unterstützung der Kolleg*innen sicher sein. Sei es, dass sie mir notwendige Informationen gegeben haben oder auch selbst spontan an Treffen teilgenommen haben. Die Projektarbeit war von einem Teamgefühl, gegenseitiger Wertschätzung und Offenheit geprägt und das sage ich, weil ich es wirklich so meine und nicht, weil es die üblichen Buzzwords sind.

 

Worauf freut ihr euch in der zweiten Förderphase?

Leschke: Sicherlich, dass wir die Arbeiten aus der ersten Projektphase fortsetzen können. Durch die Ergebnisse aus den ersten drei Jahren haben wir nun eine ganz andere Ausgangsbasis für die weitere Projektarbeit. Wir können über eine konkrete technische Infrastruktur sprechen, haben grundsätzliche datenschutzrechtliche Fragestellungen geklärt und können auch für didaktische Fragen fundierte Entscheidungen treffen. Vor drei Jahren waren wir Projektmitarbeiter*innen im Grunde alle Quereinsteiger*innen im Bereich Learning Analytics und KI in der Hochschullehre. Das ist nun nicht mehr so und diesen Schwung mitzunehmen, freut mich wirklich sehr.

Salden: Ich bin einfach gespannt, wie es mit dem Thema weitergeht, weil ich glaube, dass die Veränderung der Hochschulen durch KI noch nicht gut genug verstanden wurde. Zugleich muss sie aufgrund der schnellen Entwicklung in diesem Bereich aber auch immer wieder neu verstanden werden. KI:edu hat hier wichtige Grundlagen geschaffen, auf die man nun aufbauen kann. Ich freue mich außerdem, dass wir in der zweiten Förderphase schon auf ein viel stärkeres, sehr interessantes Netzwerk von Kooperationspartner*innen zurückgreifen können. Ich freue mich also darauf, ein spannendes Thema mit interessanten und in aller Regel netten Menschen weiter bearbeiten zu dürfen – das ist ein echtes Privileg!

 

Was möchtet ihr abschließend noch sagen?

Salden: Ich bedanke mich bei den vielen Beteiligten, die das Projekt in der ersten Förderrunde zu einem Erfolg gemacht haben. Das waren natürlich zuallererst die unmittelbaren Mitglieder der Projektgruppe – einschließlich unserer Kooperationspartner von der RWTH Aachen um Malte Persike – aber auch viele andere Menschen aus unterschiedlichen Kontexten, die ich gar nicht alle aufzählen kann. Danken möchte ich auch noch einmal dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, denn – man kann es sich kaum noch vorstellen – als das Projekt begann, war die Förderung zum Thema KI doch auch noch ein bisschen ungewöhnlich und mutig. Ich denke, inzwischen ist aber allen klar, wie wichtig das Thema KI für uns in den Hochschulen ist und bleiben wird.

Leschke: Ich kann mir da nur anschließen. Danke an alle Beteiligten innerhalb und außerhalb des Projekts. Ich freue mich schon darauf, mich auch in Zukunft dazu mit Euch und Ihnen auszutauschen! 

KI und OER: ORCA.nrw bietet besonderes Angebot

ORCA.nrw bietet in den kommenden Wochen in besonderem Maße KI-bezogene Informations- und Unterstützungsangebote an. Das nordrhein-westfälische Landesportal nimmt am Projekt „Konzertierte wissenschaftliche Weiterbildungen zu künstlicher Intelligenz in der Hochschullehre“ (KI-NEL-23) teil. Ins Leben gerufen und finanziert wurde das Projekt von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre (StIL), durchgeführt wird es vom Netzwerk Landeseinrichtungen für digitale Hochschullehre (NeL).

Ziel ist, bundesweit landesspezifische Weiterbildungsangebote zu „Künstlicher Intelligenz in der Hochschullehre“ (KI-Qualifizierung) anzubieten. Für NRW ist die Digitale Hochschule NRW mit dem Teilprojekt KI-NEL-23-NRW beauftragt, die operative Umsetzung des Teilprojekts erfolgt kooperativ durch das Zentrum für Wissenschaftsdidaktik der Ruhr-Universität Bochum sowie ORCA.nrw. Die Angebote von ORCA.nrw legen dabei den Fokus auf die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz für OER.

PD Dr. Markus Deimann, Geschäftsführer von ORCA.nrw, sagt: „Wir freuen uns sehr, für NRW an einem so relevanten Projekt mitzuwirken. Gerade für uns als OER-Portal bietet Künstliche Intelligenz zukünftig viele Möglichkeiten, entsprechend groß ist die Vorfreude auf den Austausch mit Expertinnen und Experten aus diesem Bereich in den kommenden Wochen.“

Der Rahmen für den Auftakt des Teilprojekts könnte kaum besser sein. Schon bei der ORCA.nrw-Tagung am 28. November wird es unter anderem um KI gehen, wenn Dr. Malte Persike von der RWTH Aachen zum Thementisch unter dem Motto „Transformation der Lehre durch Learning Analytics“ lädt. Anmeldungen sind noch möglich. Ein weiteres Highlight wartet am 12. Dezember, dann gibt Dr. Robert Schuwer, renommierter niederländischer OER-Forscher Input zum Thema „Generative künstliche Intelligenz und offene Lehrmaterialien: Segen oder großes Risiko?“.

Auf einer eigens eingerichteten Landingpage wird ORCA.nrw zeitnah weitere Hinweise zu Veranstaltungen zum Thema „OER und KI“ geben. Dort finden sich auch alle Informationen zum Projekt KI-NEL-23-NRW sowie künftig auch digitale Inhalte wie Videos oder Literaturempfehlungen zum Thema. Vorbeischauen lohnt sich!

 

Zur Themen-Seite „OER und KI“

Dr. Alexandra Habicher: „Ich profitiere jeden Tag von OER“

Wir wollen wissen: Warum erstellen und nutzen Menschen OER? Dabei erhalten wir in diesem Format persönliche Einblicke und Anekdoten von ganz unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren. So auch von Dr. Alexandra Habicher, die das Team Digitale Lehre am Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln leitet und seit Jahren sehr aktives Mitglied im Universitätsverbund digiLL ist. Die 44-Jährige verrät im Interview unter anderem, dass OER ihre Arbeitsweise grundlegend verändert habe, welches Lernspiel sie oft einsetzt und welche Verbindungen für Sie durch OER erst möglich wurden.

 

Frau Habicher, warum sollte man OER nutzen und bereitstellen?

Dr. Alexandra Habicher: Für eine Bildungsinstitution ist in meinen Augen der Auftrag, den Zugang zu Bildung breit zu ermöglichen. Das nehmen wir bei digiLL sehr ernst. Das geht für mich sogar über die klassische Grundlage „öffentliches Geld, öffentliches Gut“ hinaus. Des Weiteren schaffen OER aber auch Verbindungen: Die Lizenzen laden per se schon dazu ein, Ideen zu verbinden, weil man sehr gut gemeinsam an Materialien arbeiten kann – übrigens sogar ohne sich persönlich zu kennen. Diese Zusammenarbeit und die sehr lebendige Community of Practice haben meine eigene Arbeit ganz nachhaltig verändert.

 

Wann haben Sie persönlich schon von OER profitiert?

Habicher: Ich profitiere wirklich jeden Tag von OER, weil sie meine Arbeit so sehr prägen. Zum einen, weil ich jeden Tag neue Materialien kennenlerne und zum anderen durch die stetig neuen Impulse, die ich als Rückmeldung auf das von uns im Team erstellte Material erhalte. Ganz konkret erinnere ich mich an einen aktuellen Moment: Es war ein Gespräch, in dem es um OER ging. Eine Kollegin aus einem ganz anderen Bereich an meiner Uni und ich haben dabei gemerkt, dass wir eine thematische Verbindung haben, die wir ohne die Auseinandersetzung mit OER gar nicht gesehen hätten. Das war sehr spannend. Jetzt arbeiten wir gemeinsam an einem Antrag, aus dem hoffentlich ein schönes Projekt zusammen wird. Solche Momente liebe ich.

 

Welches OER-Material ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?

Habicher: Bei unserer Arbeit sind Themen wie Künstliche Intelligenz, Algorithmizität und Big-Data-Literacy schon lange präsent, daher sind wir mich viele Materialien der Lernplattform KI-Campus sehr interessant. Ich schaue regelmäßig in das Angebot der Kolleginnen und Kollegen, wenn ich Material für meine Veranstaltungen zusammenstelle. Dabei habe ich schon sehr gerne und oft „Stadt, Land, Datenfluss“ eingesetzt. Es ist eine Art Lernspiel, um Schülerinnen und Schülern eine Einführung ins Thema Datenkompetenz zu geben.

 

Was wünschen Sie sich, wenn Sie Material veröffentlichen?

Habicher: Wissen, Ideen und Anregungen zugänglich zu machen, das ist am wichtigsten. Über OER können wir zusätzlich unsere spannenden Projekte und Expertise in die Welt bringen, und man kann sagen: OER machen Projekte wirklich bekannter. Ich erinnere mich gut an eines unserer allerersten digiLL-Projekte: MINTegration aus der Chemie-Didaktik. Die als OER zur Verfügung gestellten Materialien haben dazu beigetragen, dass das Projekt Reichweite bekam. Das hat uns natürlich sehr gefreut und gezeigt, was durch OER möglich ist. Darüber hinaus ist Wissen heutzutage sehr schnelllebig, deswegen ist mir wichtig zu betonen, dass wir nur als Gemeinschaft das Wissen aktuell halten können. Das geht durch Verbindungen, die erst durch die Arbeit mit OER entstehen, wunderbar.

 

Auf LinkedIn präsentiert Dr. Alexandra Habicher ihre „3 Gründe für OER“.

5/2023: Lehre verbindet NRW geht weiter

Was gibt’s Neues rund ums Landesportal ORCA.nrw? Im monatlichen Rückblick gibt’s wie gewohnt die Übersicht. Im Mai startete unter anderem die beliebte Veranstaltungsreihe „Lehre verbindet NRW“ in die nächste Runde, Geschäftsführer PD Dr. Markus Deimann referierte über ORCA.nrw und die länderübergreifende Zusammenarbeit beim Thema Open Educational Resources (OER) ging weiter voran.

 

„Lehre verbindet NRW“ wieder da

Das Warten hat endlich ein Ende: Die Reihe „Lehre verbindet NRW“ von HD@DH.nrw und ORCA.nrw geht mit vier Veranstaltungen weiter. Bereits im Mai fand der Vortrag zum Thema „Mit Lese-Rechtschreib-Störung (LRS) durchs Studium“ statt, für die drei im Juni laufenden Veranstaltungen läuft aktuell noch die Anmeldung. Alle Links und Informationen gibt’s auf der Übersichts-Seite zu „Lehre verbindet NRW“.

 

Markus Deimann als Speaker unterwegs

PD Dr. Markus Deimann ist nicht nur Geschäftsführer des Landesportals ORCA.nrw, sondern auch als Speaker gefragt. Anfang Mai war Deimann zum einen beim Tag des Lehrens und Lernens der Universität zu Köln (UzK) zu Gast und sprach gemeinsam mit Prof. André Bresges vom Institut für Physikdidaktik der UzK über die Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz in Lehre und Forschung. Eine Woche später referierte Deimann dann zusammen mit seinem Kollegen Dr. Konrad Faber (beide Vorsitzende von KNOER) vom Virtuellen Campus Rheinland-Pfalz auf der Online-Fachtagung von Twillo und dem Multimedia Kontor Hamburg. Das Thema dort lautete: Awareness und Anreizinstrumente für OER, die Präsentation ist hier einsehbar.

 

Twillo ab sofort Mitglied bei KNOER

Apropos KNOER: Das Kooperationsnetzwerk für OER-förderliche Infrastrukturen hat weiter Zuwachs erhalten. Wie in der dritten Mitgliederversammlung beschlossen wurde, tritt das niedersächsische OER-Portal „twillo“ dem länderübergreifenden Netzwerk bei. Damit sind nun Einrichtungen aus acht Bundesländern vertreten.

 

U:FF – alle Videos abrufbar

Über 600 Mal wurden die gestreamten Inhalte der ORCA.nrw-Bühne beim renommierten University:Future Festival live abgerufen, nun sind sie auch auf YouTube hochgeladen. Auf dem Kanal des Haupt-Veranstalters Hochschulforum Digitalisierung sind nicht nur alle Inhalte des gesamten Festivals verfügbar, sondern auch eine eigene Playlist mit den Inhalten der ORCA.nrw-Bühne. Insgesamt beinhaltet sie elf Videos – zu Themen wie „Visual Thinking“, neuen Lehr- und Lernräumen an der Hochschule und „Didaktische Perspektiven auf Learning Analytics“.

 

OER-Tipp des Monats: Das didaktische Sechseck

Regelmäßig stellen wir in der Rubrik „OER-Tipp des Monats“ ein besonderes auf ORCA.nrw abrufbares Material vor und beleuchten dabei auch die Entstehungsgeschichte und die Motivation der Erstellerinnen und Ersteller. Im Mai ging es um „Das didaktische Sechseck“, ein Legevideo, das unter anderem von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Service-Center für gutes Lehren und Lernen der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf erstellt wurde.

„Zeit nehmen, mit ChatGPT zu arbeiten – nicht zu spielen“

In unserer Rubrik „Gastbeitrag“ setzen sich Menschen aus der Welt der digitalen Lehre mit relevanten und oft aktuellen Themen auseinander. Das Thema, das über die Grenzen der Hochschulen hinaus seit Wochen intensiv diskutiert wird, lautet ChatGPT. Nadine Lordick, M. A. ist Mitarbeiterin im Projekt KI:edu.nrw am Schreibzentrum des Zentrums für Wissenschaftsdidaktik der Ruhr-Universität Bochum und Expertin für KI-Schreibtools. Sie hat sich ihre eigenen Gedanken zum Thema ChatGPT gemacht und einen sehr lesenswerten Artikel verfasst.

 

Gastbeitrag von Nadine Lordick

Seminarraum
© Nadine Lordick, Foto: Sebastian Strauß

„Mit der Popularität von ChatGPT steigen auch die Sorgen. Die größte Sorge in den Medien scheint zu sein, dass Studierende ihre Hausarbeiten nur noch von Künstlicher Intelligenz (KI) verfassen lassen – so die Aufmacher vieler oft alarmistischer Artikel zu ChatGPT. Das ist aus vielen Gründen ein problematischer Ansatz – nicht zuletzt deswegen, weil somit im Raum steht: Viele Studierende wollen und werden ChatGPT nutzen, um zu täuschen.

Schon vor ChatGPT gab es die Möglichkeit zur Täuschung – und dennoch sind Täuschungsversuche an den Hochschulen nicht die Regel. Offensichtlich haben also die meisten Studierenden ein Interesse daran, Dinge zu lernen, und sie haben Werte guter wissenschaftlicher Praxis und akademischer Integrität verinnerlicht.

ChatGPT ist eine neue Möglichkeit zum Täuschen, nicht aber der Anlass. Aus didaktischer Perspektive sollte man sich vielmehr die Frage stellen, wieso es Situationen gibt, in denen Studierende lieber auf Ghostwriting o. ä. zurückgreifen, als selbst Hausarbeiten zu schreiben. Die Antworten darauf sind vielfältig. Man müsste sie jeweils einzeln adressieren (zu hoher Workload, nicht motivierende oder zu schwierige Aufgaben, Sorge ums Bestehen, kein Interesse – es gibt viele mögliche Gründe). Einiges davon liegt in der Hand der Lehrenden, die den Studierenden aufzeigen können, welcher Wert in der eigenen Erarbeitung der Prüfungsleistung liegt. Das galt schon vor ChatGPT und gilt danach genauso. Dass das aus pragmatischer Perspektive oft utopisch erscheint, hat viel mehr mit strukturellen Gründen zu tun als mit ChatGPT.

 

ChatGPT kann nicht auf Knopfdruck eine Hausarbeit erstellen

Übrigens setzt die Sorge vor KI-generierten Hausarbeiten auch voraus, dass ChatGPT auf Knopfdruck eine Hausarbeit erstellen könnte: Das ist derzeit nicht der Fall. Solche Hilfsmittel können aber an sehr verschiedenen Stellen und mit unterschiedlicher Funktion im Schreibprozess zum Einsatz kommen. Ob es sich dann um schlechte wissenschaftliche Praxis handelt oder nicht, kann nicht pauschal beantwortet werden.

Jenseits dieser Debatte über Täuschungsversuche ist voraussehbar: Anwendungen wie ChatGPT oder DeepL Write werden Schreibprozesse verändern, so wie das Papier, die Schreibmaschine und Textverarbeitungsprogramme sie verändert haben. Gern wird der Buchdruck und die damit einhergehende Alphabetisierung der Gesellschaft als Beispiel für eine vergleichbare Revolution im Bereich der Schriftlichkeit genannt – nur, dass alles gar nicht so schnell und revolutionär ablief, wie es heute erscheint. Kontroversen über das Schreiben gab es auch schon davor und danach; übrigens auch in Kontexten, in denen Schriftlichkeit sich überhaupt erst etablieren musste, aufgrund der Sorge, dass dadurch wichtige Aspekte einer mündlichen Kultur verdrängt werden. Das ist zum Teil natürlich auch passiert, aber vieles Wichtige ist auch erhalten geblieben und immer noch von Wert. Wir müssen – und können! – mitentscheiden und mitgestalten. Veränderungen passieren nicht einfach, sondern entstehen aus den Handlungen vieler einzelner. Deshalb sind jetzt Lehrende wie Studierende gefragt, sich mit einigen grundlegenden Fragen zum Stellenwert des Schreibens in der Wissenschaft auseinanderzusetzen.

Für einen reflektierten Umgang mit Anwendungen wie ChatGPT ist es wichtig zu verstehen, wie sie funktionieren, was sie leisten können und was nicht. Ebenso wichtig ist es, darüber nachzudenken, was durch das Schreiben erreicht werden soll. Die Studierenden damit allein zu lassen, könnte dazu führen, dass die technikversierten unter ihnen die Möglichkeiten besser zu nutzen wissen, während andere abgehängt werden. Zudem ist abzusehen, dass solche Anwendungen kommerzialisiert werden (da, wo sie es nicht schon sind). Das könnte die Schere zwischen stärkeren und schwächeren Studierenden (wie bei vielen neuen Technologien) in bedenklicher Weise auseinandergehen lassen. Deshalb sollten Lehrende sich mit diesen Tools auseinandersetzen.

 

ChatGPT generiert solide und richtig gute Vorschläge – aber auch schlechte

Im Selbstversuch werden die derzeit vielfach diskutierten Probleme und Lösungsansätze sehr schnell greifbar. Um Ideen für eine Fragestellung für eine Hausarbeit zu finden, kann ChatGPT hilfreich sein. Es generiert im Versuch einige solide Vorschläge und einige richtig gute. Aber auch schlechte – das setzt Expertise voraus, die Studierende in einem Seminar im besten Fall erlangen. Beim Versuch, mithilfe von ChatGPT einen Absatz über ein bestimmtes Thema zu generieren, sind einige Fehler enthalten. Einer Expertin fallen diese direkt ins Auge, sie sind aber durchaus plausibel, sodass diese Stellen auch als korrekt erscheinen könnten: ChatGPT gibt eben die wahrscheinlichste Antwort, nicht die richtige, und oft decken sich diese, aber nicht immer. Das Ergebnis, dass durch ChatGPT auf den Prompt hin generiert wird, einen Absatz wissenschaftlich umzuformulieren, klingt gut. Aus schreibdidaktischer Perspektive ist das spannend: Man könnte mit Studierenden gemeinsam analysieren, was es eigentlich heißt, dass ein Text ‚wissenschaftlich‘ formuliert ist – eine Frage, die viele sich stellen.

Schreiben ist ein komplexer Prozess, und an jeder einzelnen Stelle muss man ganz genau hinschauen, wie KI-Schreibanwendungen zum Einsatz kommen können. Die kurzen Beispiele zeigen, wie viel Reflexion notwendig ist, um sich dem zu nähern. Und es gibt noch viel mehr Anwendungsbereiche. Deshalb wird es wichtig sein, dass Lehrende sich die Zeit nehmen, in nächster Zeit mit Anwendungen dieser Art arbeiten – nicht spielen, wie es derzeit viel passiert, und was in der Regel für den Wow-Effekt sorgt – sondern ernsthaft arbeiten, und sich dann Gedanken darüber machen, wo der Einsatz in der Lehre sinnvoll ist. Unterstützen und beraten können dabei didaktische Einrichtungen wie Schreibzentren, die es an vielen Universitäten gibt. Im besten Fall werden sowohl Praxis als auch Grundlagenforschung Antworten auf viele der gerade gestellten Fragen liefern, aber das ist ein Prozess, der auch ein wenig Zeit braucht – die wir uns nehmen sollten.

Wir sind gerade in einer Werte-Diskussion, weniger in einer Technik-Diskussion (auch wenn zweiteres das erste oft anstößt). Es geht nicht darum, was machbar ist, sondern darum, was gemacht werden soll. Das verschwindet manchmal hinter den vielfach geteilten Beispielen, die Erstaunen und Sorge hervorrufen, und spitzt sich in der plakativen Aussage zu, dass Studierende jetzt keine Hausarbeiten mehr schreiben werden. KI-Schreibtools wie ChatGPT werden Lehre vielleicht nicht einfacher machen; einfach war (gute) Lehre aber ohnehin noch nie.“