Das Praxisprojekt KI:edu.nrw: Künstliche Intelligenz und Learning Analytics in der Hochschulbildung
Das vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Kultur und Wissenschaft geförderte Projekt KI:edu.nrw beschäftigt sich mit dem Einsatz von Learning Analytics und Künstlicher Intelligenz (KI) zur Verbesserung von Studium und Lehre. Das Kooperationsprojekt der Ruhr-Universität Bochum und der RWTH Aachen nimmt dabei einen ganzheitlichen Blick auf das System Hochschule ein und fragt danach, wie sich Hochschulen auf unterschiedlichen Ebenen für den erfolgreichen Einsatz von Learning Analytics und KI vorbereiten müssen.
Die inhaltliche und methodische Integration von Learning Analytics in die Hochschulbildung sowie die stetig wachsende Zahl frei verfügbarer KI-Software fordern die Lehre an Hochschulen in vielfältiger Weise heraus. So ergeben sich einerseits Potenziale zur Steigerung der Lehrqualität, insbesondere durch neue Möglichkeiten der individuellen Förderung von Studierenden. Andererseits stehen Lehrende vor neuen Herausforderungen hinsichtlich der im Studium zu vermittelnden Kompetenzen. Diese Potenziale und Herausforderungen werden im Projekt KI:edu.nrw – Didaktik, Ethik und Technik von Learning Analytics und KI in der Hochschulbildung anhand der praktischen Anwendung von Learning Analytics und ausgewählter KI-Tools eruiert.
Ein Blick in die Theorie: Themenfelder und Ebenen von Learning Analytics und KI
Nach Gaaw und Stützer (2017) oder Greller und Drachsler (2012) betrifft der Einsatz von Learning Analytics und KI in der Hochschulbildung diverse Themenfelder: Neben der erforderlichen technischen Infrastruktur sind kulturelle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung zu berücksichtigen. Entsprechende Einflüsse müssen gemeinsam mit verschiedenen Stakeholdern identifiziert und bearbeitet werden, um eine positive Grundhaltung gegenüber den neuen Technologien zu ermöglichen. Neben rechtlichen sind auch ethische Fragen über den Einsatz von Learning Analytics zu diskutieren. Der so ge-schaffene Rahmen bleibt methodisch und didaktisch zu reflektieren, um die technologischen Potenziale in Bezug auf den Lernzuwachs der Studierenden bestmöglich ausschöpfen zu können.
Der Einsatz von Learning Analytics in der Hochschulbildung lässt sich auf der Mikro-, Meso- und der Makroebene betrachten (.vgl Knight/Buckingham 2017; Ifenthaler/Drachsler 2020): Die Mikroebene beschreibt Lerndatenanalysen in Lehrveranstaltungen und schließt insbesondere die individuellen Analysen von und für Studierende und Lehrende mit ein. Hier werden Lerndaten aus den jeweiligen Lehrveranstaltungen verwendet. Learning Analytics über mehrere Kurse oder ganze Studiengänge werden auf der Mesoebene angestrebt. Auf dieser Ebene werden auch Studienverlaufsdaten eingeschlossen. Auf der Makroebene werden Analysen über eine ganze oder mehrere Organisationen durchgeführt. Der Einsatz von KI an Hochschulen beeinflusst ebenfalls die zuvor beschriebenen Ebenen. Dabei können Learning Analytics und KI unabhängig voneinander oder verzahnt eingesetzt werden. Ein verzahnter Einsatz kann z. B. so aussehen, dass Learning Analytics-Systeme Analyseverfahren auf Basis künstlicher Intelligenz enthalten.
Ein Blick in das Praxisprojekt KI:edu.nrw
Diese Vielschichtigkeit wird im Projekt KI:edu.nrw berücksichtigt und mit entsprechender Expertise aus unterschiedlichen Fach- und Zuständigkeitsbereichen in Teilprojekten bearbeitet. Es ist so angelegt, dass Themenfelder auf der Mikro-, Meso- und Makroebene betrachtet werden. Ein Beispiel: Das Querschnittsthema Ethik handelt ethische Bewertungen für die Lerndatenauswertung auf Lehrveranstaltungsebene (Mikroebene), für Fakultätsprojekte zur Studiengangsanalyse und -entwicklung (Mesoebene) sowie für den institutionenweiten Ansatz an Learning Analytics (Makroebene) aus. Erfahrungen auf den Ebenen werden sowohl im Kontext fachspezifischer Lehre als auch durch die Bearbeitung darauf bezogener Querschnittsthemen gesammelt.
Die drei Arbeitsfelder von KI:edu.nrw
KI:edu.nrw gliedert sich in drei Arbeitsfelder: Fakultätsprojekte, Querschnittsthemen und einen Dialogprozess. Aktuell werden fünf Fakultätsprojekte umgesetzt, und zwar in den Erziehungswissenschaften, der Medizin, der Mathematik, der Angewandten Informatik und dem Maschinenbau. Die Teilprojekte unterscheiden sich in der thematischen Schwerpunktsetzung. So legen die Mathematik und Medizin einen stärkeren Fokus auf den Lernprozess innerhalb einzelner Lehrveranstaltungen und den Einsatz adaptiver Lehrmethoden. Das Teilprojekt in den Erziehungswissenschaften sammelt praktische Erfahrungen an der Schnittstelle zwischen Lehrveranstaltungen und zugehörigen Studiengängen, indem selbstregulative Fähigkeiten durch Learning Analytics-Systeme gefördert werden sollen. In der Angewandten Informatik und im Maschinenbau werden reale Studienverläufe mittels Lerndatenanalysen untersucht und die Bedeutung der Ergebnisse für die Studiengänge reflektiert. Zukünftig ergänzen die Sportwissenschaften die Fakultätsprojekte, wobei das psychomotorische Lernen durch Learning Analytics-Systeme unterstützt werden soll.
Die Querschnittsthemen umfassen die Bereiche IT-Infrastruktur, Datenschutz, Ethik, Didaktik, Studienberatung, Data Literacy, KI-Schreibtools und Fremdsprachenlehre. Die Themen werden sowohl in eigenen Teilprojekten als auch miteinander verknüpft bearbeitet. Dies bedeutet, dass beispielsweise die IT-Infrastruktur nicht nur von der entsprechenden Betriebseinheit umgesetzt wird, sondern dass auch die mit der Technikgestaltung verbundenen ethischen und didaktischen Fragestellungen, sowie die fakultätsspezifischen Bedarfe, bearbeitet werden.
Für den Dialog mit den Stakeholdern werden im Projekt verschiedene Maßnahmen, wie beispielsweise eine Studierenden- und Lehrendenbefragung, Fokusgruppengespräche und ein universitätsinterner Dialogtag, initiiert. Auf Grundlage der im Dialog gesammelten Wünsche, Ideen, aber auch Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von Learning Analytics wird eine institutionsspezifische Policy erarbeitet. Diese soll die Ergebnisse des Dialogprozesses festhalten und transparent verankern. Zudem wird u. a. durch die Learning-AID-Konferenz der Austausch über Learning Analytics und die Verwendung von KI für Lehrzwecke zwischen den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen befördert.
Ein Blick in die Zukunft
Nachdem in der ersten Projekthälfte wertvolle Erfahrungen im Rahmen der Entwicklung von Praxiskonzepten gemacht und z. B. eine modulare IT-Infrastruktur entwickelt wurden, werden in der zweiten Projekthälfte diese Konzepte praktisch umgesetzt und hinsichtlich didaktischer und ethischer Erfordernisse spezifiziert. Die Projekterfahrungen werden durch verschiedene Konferenzaktivitäten und den direkten Austausch zwischen interessierten Personen und Hochschulen zugänglich gemacht – wie z. B. auf der zweiten Learning AID am 28. und 29. August 2023 in Bochum.
Literatur:
Gaaw, S.; Stützer, C. M.: Learning und Academic Analytics in Lernmanagementsystemen (LMS): Herausforderungen und Handlungsfelder im nationalen Hochschulkontext. In (Köhler, T., Schoop, E., Kahnwald, N., Hrsg.): Wissensgemeinschaften in Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Verwaltung. TUDpress, Dresden, S. 145-161, 2017.
Greller, W.; Drachsler, H.: Translating Learning into Numbers: A Generic Framework for Learning Analytics. Journal of Educational Technology & Society, 15/3, S. 42-57, 2012.
Ifenthaler, D.; Drachsler, H.: Learning Analytics: Spezielle Forschungsmethoden in der Bildungstechnologie. In (Niegemann, H., Weinberger, A., Hrsg.): Handbuch Bildungstechnologie: Konzeption und Einsatz digitaler Lernumgebungen. Springer, Berlin, Heidelberg, S. 515-534, 2020. Knight, S.; Buckingham Shum, S.: Theory and Learning Analytics. In (Lang, C., Siemens, G., Wise, A., Gasevic, D., Hrsg.): Handbook of Learning Analytics. Society for Learning Analytics Research (SoLAR), S. 17-22, 2017.
Knight, S.; Buckingham Shum, S.: Theory and Learning Analytics. In (Lang, C., Siemens, G., Wise, A., Gasevic, D., Hrsg.): Handbook of Learning Analytics.