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Büroräume in Bochum: ORCA.nrw fortan mit DH.NRW und KDU.NRW unter einem Dach

Die Geschäftsstelle von ORCA.nrw hat eine neue Adresse: Seit dem 8. August befinden sich die Büroräume des Landesportals an der Universitätsstraße 104 in 44799 Bochum. Zuvor waren sie im knapp drei Kilometer entfernten O-Werk. In beiden Gebäuden werden Räumlichkeiten von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) angemietet, an der das Landesportal ORCA.nrw organisatorisch angesiedelt ist.

ORCA.nrw wird im Gebäude an der Universitätsstraße 104 (im Bild) künftig mit zwei weiteren wichtigen landesweiten Einrichtungen unter einem Dach arbeiten: der Geschäftsstelle der Digitalen Hochschule NRW (DH.NRW) sowie die Koordinierungsinstanz Digitale Unterstützungsprozesse NRW (KDU.NRW). Beide sind ebenfalls an der RUB angedockt und haben ihre Büroräume auf derselben Etage. Wir freuen uns auf eine gute und gewinnbringende Zusammenarbeit für die Hochschulen in NRW.

Kooperation zwischen NRW und Niedersachsen bei Digitaler Hochschullehre

Zukunftsweisende Zusammenarbeit: Das OER-Portal twillo stellt seit 2024 das Repositorium – einen Dokumentenserver – für ORCA.nrw bereit.

Für die zeitgemäße Hochschullehre sind digitale Lehr- und Lernmaterialien unverzichtbar. Umso wichtiger ist es, dass diese als offene Bildungsmaterialien – also Open Educational Resources (OER) – offen lizenziert, frei zugänglich und nutzbar sind. So wie bei twillo, dem vom niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur finanzierten Portal für OER, und beim Open Resources Campus NRW (ORCA.nrw), das vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Kultur und Wissenschaft finanziert wird.

Synergien schaffen für digitale Hochschullehre

Bisher entwickelten viele Bundesländer die technische Infrastruktur ihrer Portale für digitale Lehr- und Lernmaterialien unabhängig voneinander. Ab 2024 arbeiten erstmals zwei Landesportale bei dem Betrieb von Repositorien (Dokumentenserver) – und damit bei einem Kernbestandteil der technischen Infrastruktur – zusammen und schaffen so Synergien. Das nordrhein-westfälische Portal ORCA.nrw kooperiert nun mit der TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek, die die technische Infrastruktur von twillo betreibt und bereitstellt.

„Diese Kooperation ist ein wichtiger Beitrag in der Entwicklung der digitalen Hochschullehre. Es freut uns, dass unsere niedersächsische Initiative damit sowohl regional als auch überregional Anklang findet und dazu beiträgt, den Zugang zu digitaler Bildung zu stärken“, sagt Prof. Dr. Joachim Schachtner, Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur.

„Die Ausstattung von Studierenden mit frei zugänglichen Ressourcen sollte keine Frage von Ländergrenzen sein. Mit dieser Kooperation gehen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen voran und ebnen den Weg für einen grenzenlosen Zugang zu digitalen Lehr- und Lernmaterialien. Ich bin sicher: Von der Zusammenarbeit mit Niedersachsen profitieren beide Plattformen und vor allem unsere Studierenden, die sich an diesem digitalen Aktenschrank frei bedienen können“, sagt Gonca Türkeli-Dehnert, Staatssekretärin im Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

„Durch den Rückgriff auf die Repositorien von twillo und dem TIB AV-Portal steht ORCA.nrw eine robuste und erprobte Technologie zur Verfügung, die das Portal besser zugänglich macht und Lehrenden eine größere Flexibilität in der Arbeit mit den Materialien ermöglicht“, sagt Dr. Markus Deimann, Geschäftsführer des Landesportals ORCA.nrw.

Durch diese Zusammenarbeit greifen Nutzerinnen und Nutzer aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen auf die gleichen Repositorien zurück, um OER teilen können.

„Wenn wir unsere Kräfte vereinen, können wir eine nachhaltige und zukunftsorientierte Infrastruktur für offene Bildungsmaterialien in Deutschland schaffen, die in der Lage ist, auf die Bedürfnisse von Studierenden und Lehrenden schon heute und auch in Zukunft effizient zu reagieren“, so Prof. Dr. Sören Auer, Direktor der TIB.

OER-Portale twillo und ORCA.nrw leisten Beitrag zur Verbesserung der digitalen Hochschullehre

Twillo (www.twillo.de) ist ein Portal für Open Educational Resources (OER). Auf der digitalen Plattform werden lehr- und lernunterstützende Materialien offen lizenziert und zugänglich gemacht. Zu OER zählen alle Lern- und Lehrmaterialien, die in einem offenen Format bereitgestellt werden und von anderen kostenlos genutzt, adaptiert und verbreitet werden dürfen. Die Initiative twillo möchte dazu beitragen, dass Hochschullehre digital gestaltet und verbessert wird. Die Plattform befindet sich derzeit in der zweiten Förderphase und ist ein Verbundprojekt von der TIB, dem E-Learning Academic Network Niedersachsen (ELAN e.V.), dem HIS-Institut für Hochschulentwicklung und der Universität Osnabrück.

Das Landesportal ORCA.nrw ist eine zentrale Betriebseinheit der nordrhein-westfälischen Hochschulen. ORCA.nrw ermöglicht, dass OER im gesamten hochschulischen Fächerspektrum sicher und langfristig veröffentlicht, gezielt gefunden und unkompliziert genutzt werden können. Im Zusammenwirken mit den nordrhein-westfälischen Hochschulen setzt die an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) angesiedelte Geschäftsstelle Anreize zur Erstellung, Verbreitung und Nutzung von OER und vernetzt Lehrende hochschulübergreifend zu Themen des digitalgestützten Lehrend und Lernens miteinander – zuletzt beispielsweise zum Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in der Hochschullehre. Zudem hält das Portal qualitätsgesicherte Selbstlernkurse für die Studieneingangsphase vor, z. B. zu Mathematik, Sprach- und Textverständnis und Lernstrategien. Die Kooperation zwischen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen soll erst der Anfang sein. Weitere Bundesländer können sich der Zusammenarbeit für bessere Digitale Hochschullehre anschließen.

SecAware.nrw: Selbstlernkurs für mehr Cybersicherheit

Neues Angebot für die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen: Mit SecAware.nrw steht Studierenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in NRW ab sofort ein kostenloses Online-Selbstlernangebot zum Thema Cyber- und Informationssicherheit zur Verfügung. Das Lernangebot soll Nutzende sensibilisieren und die IT-Kompetenz für mögliche Cyberangriffe stärken. Die Selbstlernakademie steht in Deutsch und Englisch bereit.

Erstellt wurde das Angebot vom an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen ansässigen Institut für Internet-Sicherheit – if(is) und vom an der Fachhochschule Dortmund ansässigen Institut für die Digitalisierung von Arbeits- und Lebenswelten (IDiAL).

Um das individuelle Wissensniveau bestmöglich zu berücksichtigen, ist die Selbstlernakademie modular aufgebaut. Durch praxisnahe Selbsttests wird zunächst der persönliche Wissenstand abgefragt, ehe die Lernenden dann mit Gefährdungslagen ihrer jeweiligen digitalen Arbeits- oder Alltagswelt konfrontiert werden. Die Lerninhalte decken das gesamte Feld der Cyber- und Informationssicherheit ab und sind sowohl für den beruflichen als auch privaten Bereich hilfreich. Sofern nicht anders gekennzeichnet, sind die Inhalte durch die CC BY 4.0-Lizenzierung auch zur Weiternutzung geeignet.

108 Thesen zur Bedeutung von OER und digitalen Kompetenzen

Über 200 Personen haben Ende November an der ersten ORCA.nrw-Tagung teilgenommen und über die digitale Transformation der Hochschullehre diskutiert und gefachsimpelt. Die Ergebnisse und Fragestellungen aus zahlreichen Workshops, Talks und Sprint-Sessions sowie der abschließenden Podiumsdiskussion haben die Veranstalter – der Stifterverband und das Landesportal ORCA.nrw – in den vergangenen Wochen aufgearbeitet und zusammengefasst. Dieses Thesenpapier ist nun veröffentlicht worden.

 

Hier geht’s zum Thesenpapier.

 

Die Kernthese bei der Tagung war, dass der Digitalisierungsschub infolge der Covid-19-Pandemie sowohl den Alltag der Studierenden als auch der Lehrenden stark verändert habe. Darauf aufbauend wurden im Thesenpapier 17 Leitaussagen erstellt, auf die sich insgesamt 108 Thesen zur Bedeutung digitaler Kompetenzen und offener Bildungsressourcen (OER) in der Hochschullehre verteilen.

Dr. Mandy Duda: „Wir bilden für Bereiche aus, in denen ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit über die Zukunft des Planeten entscheidet“ – Teil 2

Regelmäßig stellen wir in unserem Blog OER-Projekte vor. Wir haben uns mit Dr. Mandy Duda von der Ruhr-Universität Bochum unterhalten. Im zweiten Teil unseres Gesprächs verrät die Geowissenschaftlerin mehr über die Umsetzung der 3D-Objekte, mit denen sie arbeitet. Außerdem verrät sie, was sie dazu antreibt, sich für gute Lehre zu engagieren.

 

ORCA.nrw: Wie genau funktioniert die Umsetzung der 3D-Objekte, an denen sie arbeiten? Was für Equipment ist nötig, welche Rechenleistung ist erforderlich? Wie ist der zeitliche Aspekt (Stichwort Aufnahmen, die erst einmal im Gelände angefertigt werden müssen) einzuschätzen?

Dr. Mandy Duda: Bei der Umsetzung greifen wir im Wesentlichen auf drei Bausteine zurück. Das sind einmal 360° -Aufnahmen und Drohnenvideos, um das Exkursionserlebnis für die Studierenden möglichst realitätsnah begreifbar zu machen und um die Studierenden anzuhalten, die Informationen nach dem Grad ihrer Wichtigkeit in Bezug auf die Fragestellung zu werten. Dadurch erhalten sie auch ein Gefühl für die Raumstellung der dreidimensionalen Strukturen, z.B. Gesteinsschichten oder Baustellenorganisation. Über H5P können wir diese 360°-Aufnahmen sinnvoll aneinanderreihen sowie weitere Informationen, wie zum Beispiel Videos und Angaben zu nicht-digitalisierbaren Eigenschaften, und Abfragen hinterlegen.

Außerdem arbeiten wir mit 3D-Modellen der Geländeaufnahmen, mit denen bestimmte Strukturen genauer studiert oder Interaktionen von Sicherungselementen mit dem Baugrund besser verstanden werden können. Diese 3D-Modelle entstehen über Photogrammetrie aus zahlreichen Einzelaufnahmen, sind grundsätzlich bildschirmfähig und können deshalb von Studierenden von zuhause aus angesehen werden. Alternativ können sie besonders immersiv auch über VR Brillen erlebt werden, die an den Universitäten zur Verfügung gestellt werden. Der dritte Baustein besteht aus 3D-Modellen von einzelnen Gesteinsproben, Geräten oder Werkzeugen, die noch besser aufgelöst sind und dadurch eine hohe Detailtreue hinsichtlich der relevanten Informationen erreichen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Disziplinen haben wir im Geoingenieurwesen die besondere Herausforderung, dass unsere Digitalisierungsobjekte gleichzeitig großskalig sind und hoch aufgelöst sein müssen. Das stellt hohe Anforderungen an die Rechenleistung, was wir anfangs auch unterschätzt haben. Es gibt darüber hinaus viele Kleinigkeiten zu Bedenken. Zum Beispiel sollte es bei den Geländeaufnahmen weder sonnig (viele Schatten) noch regnerisch sein (schlecht für das Equipment), die 360° Kamera sollte aus einiger Entfernung steuerbar sein, da ansonsten immer jemand mit im Bild auftaucht. Reflektierende Oberflächen, wie zum Beispiel auf Baustellen oder bei besonderen Gesteinsarten, sind schwerer zu digitalisieren als matte Oberflächen. Ein unregelmäßiges Hintergrundmuster bei der Digitalisierung von Handstücken ist sehr hilfreich. Das Equipment ist natürlich der Thematik anzupassen. Für unsere Fragestellungen benötigen wir eine Drohne und den dazugehörigen Drohnenführerschein, eine 360° Kamera mit Fernsteuerung, eine vergleichsweise hohe Rechenleistung für die Modellerstellung, eine sehr gute Digitalkamera für die Handstücke und Werkzeuge, VR-Brillen mit eigenen Rechnern, die entsprechenden Software-Module, auch für den Schnitt von Video- und Audiomaterial und Anbieter, um 3D Modelle verfügbar zu machen. Aktuell arbeiten wir dank unseres Kollegen Alexander Seiling sogar mit Umgebungen für Spiele-Engines, um noch mehr Interaktionen in der 3D-Umgebung zu ermöglichen.

Wir haben unsere Erfahrungen in einer Publikation zusammengefasst, um anderen Arbeitsgruppen genau diese Schritte entlang der Lernkurve zu ersparen.

ORCA.nrw: Wie genau funktioniert die Umsetzung in Bezug auf die Ausführung durch die Teilnehmenden?

Dr. Mandy Duda: Wir erstellen alle Lehrinhalte so, dass Sie über einen in sich konsistenten, modular aufgebauten Moodle-Kurs erreichbar sind. Für Studierende gestaltet sich der Zugriff auf die Lerneinheiten so, wie Lehrende es beabsichtigen. Sie können die Kursinhalte in beliebiger Konstellation und Komplexität ergänzend in Lehrveranstaltungen bis hin zu semester- und hochschulübergreifenden Lernprojekten adaptieren. Beispielsweise kann man über ein Memory-Quiz Laborversuche mit den daraus resultierenden Parametern paaren, oder man kann Studierenden die Aufgabe geben, basierend auf ersten Erkundungsdaten ein komplexes geotechnisches Modell und darauf aufbauend einen vollständigen Projektplan zu konzipieren.

ORCA.nrw: Wie können Ihre Lehre-Lernmaterialien zu einer Diversity-sensiblen Lehre beitragen? Was hat Sie motiviert, Diversitysensibilität überhaupt zu bedenken?

Dr. Mandy Duda: Geländearbeit ist für die meisten Studierenden ein Highlight des Studiums und wird es auch in Zukunft sein. Leider ist es aber nicht allen Studierenden gleichermaßen möglich, diese Lehrangebote wahrzunehmen. Ich fürchte, dass wir es in der Vergangenheit versäumt haben, über eine proaktive Kommunikation auch Studieninteressierte anzusprechen, die wegen verpflichtender Geländearbeit vielleicht unüberwindbare Hürden gesehen haben. Das möchte ich unbedingt ändern, gerade weil unsere Studieninhalte vor dem Hintergrund der Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel von höchster gesellschaftlicher Relevanz sind. Als dezentrale Gleichstellungsbeauftragte unserer Fakultät hat sich außerdem mein Blick auf Fragen der Gleichstellung und Diversität geschärft. Studierende mit Care-Verpflichtungen und vielfältigen Hintergründen stehen vor Herausforderungen, die es für uns als Lehreinrichtung zu minimieren gilt, um Chancengleichheit in der Ausbildung zu garantieren.

ORCA.nrw: Was treibt Sie an, sich für die Lehre zu engagieren?

Dr. Mandy Duda: Wir bilden junge Menschen aus, die in Bereichen arbeiten werden, in denen ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit über die Zukunft unseres Planeten entscheidet. Geowissenschaftler befassen sich mit nachhaltigen Rohstoffen, regenerativen Energien, Vorhersage und Vermeidung von Schäden durch Naturkatastrophen und Anforderungen an Endlager für bereits angefallene radioaktive Abfälle, um nur Beispiele zu nennen. Deshalb wünsche ich mir, Studierenden die Kompetenz vermitteln zu können, eine auf wissenschaftlichen Daten basierende Haltung zu entwickeln und danach zu handeln.

ORCA.nrw: Wie ist das Feedback bisher aus Sicht von Lehrenden, Studierenden und der Community?

Dr. Mandy Duda: Das überwältigende positive Feedback hat uns etwas überrascht. Wir dürfen in DRAGON Ruhr.nrw im Rahmen der begleiteten Projekte mit Firmen und Behörden zusammenarbeiten, die allesamt ausgesprochen aufgeschlossen und kooperationsoffen sind hinsichtlich der Umsetzung des Projekts. Unsere Studierenden befürworten und unterstützen unser Projekt, zum Beispiel durch die Erlaubnis der Nutzung von Audio- und Videomaterial oder durch freiwillige Testläufe der Lehrmaterialien. Die persönlichen Rückmeldungen sind sehr motivierend. Wir haben unsere Projekte auch schon auf nationalen und internationalen Konferenzen vorstellen dürfen, auf denen wir ausschließlich positive Resonanz und viele Kooperationsangebote erhalten haben. Darüber freuen wir uns sehr und hoffen, dass wir mit DRAGON Ruhr.nrw einen Nukleus für weitere digitale Geländeprojekte schaffen können.

Abbildung: Bildschirmfoto des 3D-Modells 3D-Modells eines Wasserfalls im Hörschbachtal bei Murrhardt; ROBX-AGIF, Ruhr-Universität Bochum; aus Digitaler Geländekurs Murrhardt, Digifit: Digital Geology meets inclusive field training; lizensiert unter CC-BY-SA 4.0

 

Hier geht’s zu Teil 1 des Interviews.

 

Die Interviewpartnerin

Nach ihrem Studium der Geowissenschaften und der Promotion in der experimentellen Geophysik an der Ruhr-Universität Bochum war Mandy Duda zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt. Ab 2014 übernahm sie die Leitung der Labore für Geotechnologien am Internationalen Geothermiezentrum und war ab 2017 außerdem als Nachwuchsprofessorin an der Hochschule Bochum tätig. Seit 2019 ist sie Teil der Arbeitsgruppe Ingenieurgeologie und Felsmechanik der Ruhr-Universität Bochum.

Dr. Mandy Duda: „Wir möchten die Geländearbeit und Baustellenvisitation um diversitätsoffene digitale Angebote erweitern“ – Teil 1

Regelmäßig stellen wir in unserem Blog OER-Projekte vor. Wir haben uns mit Dr. Mandy Duda von der Ruhr-Universität Bochum unterhalten. Im ersten Teil unseres Gesprächs stellt die Geowissenschaftlerin das OERContent-Projekt DRAGON Ruhr.nrw (Diversitätsoffene digitale Geländearbeit im Geoingenieurwesen der Universitätsallianz Ruhr) vor, spricht über das bereits abgeschlossene Projekt Digifit und verrät, welchen Herausforderungen sie in den Projekten begegnet ist.

 

ORCA.nrw: Frau Dr. Duda, können Sie uns etwas über das Projekt DRAGON Ruhr.nrw erzählen?

Dr. Mandy Duda: Das Projekt DRAGON Ruhr.nrw hat zum Ziel, die bislang ausschließlich physisch angebotene Geländearbeit und Baustellenvisitation in Studieninhalten an den Schnittstellen zwischen den Geowissenschaften und dem Bau- und Umweltingenieurwesen um diversitätsoffene digitale Angebote zu erweitern. Zusammen mit der Universität Duisburg-Essen (Geotechnik, Prof. Perau) und der Technischen Universität Dortmund (Geotechnik, Prof. Könemann) bilden wir (Ingenieurgeologie und Felsmechanik, Prof. Backers) ein interdisziplinäres Konsortium. Über diese Konstellation bin ich besonders glücklich, da wir zum einen erstmalig zusammenarbeiten und zum anderen ein besonderer Mehrwert für Studierende entsteht, denn in vielen Berufsfeldern arbeiten Geowisschenschaftler*innen und Bau- und Umweltingenieur*innen eng zusammen. Unsere modularen und flexiblen OER-Lerneinheiten sind so konzipiert, dass dieses Zusammenwirken bereits im Studium umgesetzt wird. Die Module können einzeln in Veranstaltungen integriert oder in beliebiger Kombination semesterübergreifend und sogar universitätsübergreifend im Rahmen von projekt- und forschungsorientierten Lernkonzepten eingesetzt werden. Inhaltlich begleiten wir zwei Projekte, die den Studierenden auch ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung bewusst machen: Zum einen handelt es sich um eine Böschungssanierung bei Schuld, die im Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 steht, zum anderen um eine Baustellenbegleitung im Düsseldorfer Medienhafen.

ORCA.nrw: Wie entstand die Idee zu DRAGON Ruhr.nrw?

Die Idee zu DRAGON Ruhr.nrw entstand lange vor der Antragstellung. Ein wesentlicher Aspekt der beruflichen Vorbereitung unserer Studierenden besteht in der Erfahrung dreidimensionaler Zusammenhänge des Baugrunds sowie des Bauwerks und deren zeitlicher und räumlicher Interaktion. Klassische Geländearbeiten und Baustellenvisitationen ermöglichen aber nur einen temporären Zugang zu diesen Lehrinhalten und sind teilweise abhängig von der Verfügbarkeit entsprechender Bauprojekte. Gerade in Wahlbereichen ist außerdem die Zahl der Teilnehmenden aus Sicherheitsgründen begrenzt. Diese Aspekte stellen Studierende und Lehrende regelmäßig vor Herausforderungen, weil auf die Lehrinhalte zur Vor- und Nachbereitung nicht direkt zugegriffen werden kann. Gleichzeitig muss durch Geländearbeit die Diversität unter den Studierenden besonders bedacht werden, wofür weltweit im Geoingenieurwesen erst in der jüngsten Vergangenheit das Bewusstsein erwacht ist: Geländearbeit ist nicht barrierefrei, berücksichtigt nicht die familiäre Situation der Studierenden, z.B. durch die Pflege von Angehörigen oder die Betreuung von Kindern, stellt hohe Anforderungen an die finanzielle Resilienz von Studierenden und geht daher auch nicht auf die Bildungsherkunft ein. Die Pandemie hat die Notwendigkeit und Dringlichkeit unseres Vorhabens zusätzlich verstärkt. Für Wege der Umsetzung wurden wir durch internationale Vorreiter*innen, unter anderem durch Arbeitsgruppen am University College London und der Washington University inspiriert. Mit DRAGON Ruhr.nrw haben wir ein unglaublich starkes Projektteam mit sehr engagierten jungen wie erfahrenen Kolleg*innen aufstellen können.

ORCA.nrw: Auch das Projekt Digifit, welches bereits abgeschlossen ist und zu dem es einen öffentlichen Kurs gibt, ist involviert. Können Sie dazu auch etwas sagen?

Das Projekt Digifit wurde vor DRAGON Ruhr.nrw innerhalb unserer Arbeitsgruppe Ingenieurgeologie und Felsmechanik an der Ruhr-Universität umgesetzt und durch das Digi-Fellowship gefördert. Hierbei ging es inhaltlich um die Digitalisierung einer geologischen Kartierung in Süddeutschland im Rahmen des Bachelorstudiums Geowissenschaften. Das war uns in einem ersten Schritt besonders wichtig, da diese Geländeveranstaltung verpflichtend ist und wir hier durch Digifit digitale Alternativen anbieten können. Das Ergebnis hat meine persönlichen Erwartungen deutlich übertroffen, was besonders meinen Kolleg*innen Julia Godlewska und Marc Ogan zu verdanken ist, die nicht nur ihr Fachwissen eingebracht haben, sondern sich auch hinsichtlich der technischen und didaktischen Umsetzung beeindruckendes Wissen angeeignet haben. Von diesen Erfahrungen profitieren wir jetzt enorm in DRAGON Ruhr.nrw, besonders, weil wir sie auch für dieses Projekt gewinnen und im Konsortium gleich in die inhaltliche Arbeit einsteigen konnten.

ORCA.nrw: Auf welche Herausforderungen sind Sie im Rahmen der Projekte gestoßen? Z.B. mit Blick auf das Urheberrecht, die konkrete Umsetzung der Projekte, Personal,…

Im Zentrum unseres Interesses steht der Baugrund. Auf der Skala der Herausforderungen, die mit Urheberrechten und Datenschutz einhergehen können, bewegen wir uns deshalb eher am unkomplizierten Ende. Dennoch müssen wir sicherstellen, dass wir das Material nutzen dürfen, das im Rahmen der Geländearbeit entsteht und Audio- sowie Videomaterial enthält, auf dem Studierende und Lehrende zu hören oder zu sehen sind. Da es für unsere Lehrinhalte bisher kein entsprechendes Material gibt, erstellen wir alle Lehrmaterialien selbst. Das ist urheberrechtlich, wie wir gelernt haben, vergleichsweise einfach zu regeln. Wir wurden dazu von den Netzwerkstellen von ORCA.nrw und im Rahmen von Informationsveranstaltungen umfassend beraten. Eine weitere Herausforderung besteht in der barrierearmen Gestaltung der Lehrmaterialien. Hier haben wir Unterstützung durch das Beratungszentrum zur Inklusion Behinderter (BZI) der RUB erhalten. Außerdem nehme ich am Fortbildungsprogramm des Zentrums für Wissenschaftsdidaktik (ZfW) teil, um die digitalen Lehrinhalte für Studierende möglichst ansprechend und didaktisch sinnvoll umzusetzen. Darüber hinaus gibt es fachliche Herausforderungen. Die digitalen Lehrinhalte haben Grenzen, zum Beispiel hinsichtlich des Erfahrens von Haptik und Härte der Gesteinsproben, dem Kornverband oder der großräumlichen Orientierung im Gelände. Wir stellen dazu genau die Gesteinsproben, die in den digitalen Lehrmaterialien explizit angesprochen werden, zur eigenständigen und barrierearmen Begutachtung an der RUB zur Verfügung. Die vermutlich größte Herausforderung besteht im personellen Aufwand, den eine Erstellung dieser digitalen Lehrinhalte mit sich bringt. Dabei geht es weniger um die Aufnahmen im Gelände, sondern mehr um die Nachbearbeitung von Video- und Audiomaterial, die Modellerstellung und die Aufwertung zu sinnvollen Lehrinhalten. Weil Absolvent*innen der Geowissenschaften und des Bau- und Umweltingenieurwesens momentan sehr gefragt sind, sind wir besonders froh, ein so hochqualifiziertes Team zu haben und für die Förderung ausgesprochen dankbar.

Abbildung: Foto des 3D-Modells einer Böschung bei Schuld im Ahrtal; Julia Godlewska; lizensiert unter CC-BY-SA 4.0

 

Hier geht’s zu Teil 2 des Interviews.

 

Die Interviewpartnerin

Nach ihrem Studium der Geowissenschaften und der Promotion in der experimentellen Geophysik an der Ruhr-Universität Bochum war Mandy Duda zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt. Ab 2014 übernahm sie die Leitung der Labore für Geotechnologien am Internationalen Geothermiezentrum und war ab 2017 außerdem als Nachwuchsprofessorin an der Hochschule Bochum tätig. Seit 2019 ist sie Teil der Arbeitsgruppe Ingenieurgeologie und Felsmechanik der Ruhr-Universität Bochum.

Kompetent im Umgang mit Daten – eine Publikation des Stifterverbands zu Data Literacy Education

Daten prägen unsere Welt. Die fortschreitende Digitalisierung von Arbeits- und Lebenswelt führt zu einer zunehmenden Datafizierung öffentlicher und privater Bereiche, durch die große Mengen an digitalen Daten produziert, erfasst, gespeichert und ausgewertet werden. Darüber hinaus finden Daten Eingang in Statistiken oder Grafiken in unterschiedlichen Medien. Daten – ob versteckt oder offen gesammelt bzw. genutzt – beeinflussen Entscheidungs- und Meinungsbildungsprozesse, sodass sie einen bedeutenden gesamtgesellschaftlichen Faktor darstellen. Daher erfordert der souveräne, verantwortliche und zielgerichtete Umgang mit ihnen entsprechende Kompetenzen, die unter dem Begriff „Data Literacy“ zusammengefasst werden. Er bezeichnet die Fähigkeit, „Daten auf kritische Art und Weise zu sammeln, zu managen, zu bewerten und anzuwenden“ (vgl. Ridsdale et al., 2015). Hinzu kommt die Datenethik und die mit ihr verbundene Frage, auf welchen Motiven und Werten die Erhebung sowie Nutzung von Daten, deren Analyse und die daraus gezogenen Schlüsse beruhen.

In der Förderung der benötigten Datenkompetenzen kommt den Hochschulen eine tragende Rolle zu, insofern sie ihre Studierenden angemessen auf die Bedarfe und Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft ausbilden sowie Teilhabe ermöglichen sollen. Damit stellt sich ihnen die Aufgabe, Data Literacy als Schlüsselkompetenz fachübergreifend und interdisziplinär zu etablieren. Hierbei unterstützt der Stifterverband gemeinsam mit der Heinz Nixdorf Stiftung, dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und der DATEV-Stiftung Zukunft die Hochschulen u. a. mit dem Förderprogramm Data Literacy Education, in dem auch zehn Hochschulen aus Nordrhein-Westfalen vertreten sind.

Als „Werkstattbericht und wissenschaftliche Reflexion“ liegt zu dem Thema die Publikation „Kompetenzerwerb im kritischen Umgang mit Daten“ des Stifterverbands vor, deren Beiträge dem bundesweiten Data Literacy Education-Netzwerk entstammen. Dabei wird in der Veröffentlichung ein weiter thematischer Bogen gespannt: von den organisatorischen Rahmenbedingungen und Fragen curricularer Integration über Gestaltungsmerkmale von Lehr-/Lernszenarien, hochschuldidaktischer Potenziale digitaler Lehre und der Qualifizierung von Lehrenden bis hin zur Bedeutung außerhochschulischer Kooperationen und der Datenethik als wesentlichem Bestandteil von Data Literacy Education. Den Abschluss der Publikation bildet die „Data-Literacy-Charta“, mit deren Leitprinzipien „ein gemeinsames Verständnis von Datenkompetenzen und deren Bedeutung für Bildungsprozesse formuliert“ wird und zu deren Unterzeichner*innen Personen aus Politik, Wirtschaft sowie Wissenschaft zählen.

Unter Berücksichtigung unterschiedlicher Handlungsfelder und -ebenen umfasst die Publikation somit praxisorientierte Ansätze, Ideen und Konzepte von Data Literacy Education und bezeugt damit den Beitrag der Hochschulen auf dem Weg zu einer datenliteraten Gesellschaft.

 

Bibliographische Angabe:

Johanna Ebeling, Henning Koch, Alexander Roth-Grigori (Hrsg.):

Kompetenzerwerb im kritischen Umgang mit Daten Data Literacy Education an deutschen Hochschulen

Edition Stifterverband. Essen 2021.

ISBN: 978-3-922275-98-5

108 Seiten

Hier geht es zur Publikation:

https://www.stifterverband.org/medien/kompetenzerwerb-im-kritischen-umgang-mit-daten

 

Zur Person:

Frank Wistuba leitet an der FernUniversität in Hagen das Projekt bne:digital.nrw, in dem das Zusammendenken von Nachhaltigkeits- und Digitalkompetenzen einen Schwerpunkt bildet.

ChatGPT ist erst der Anfang

Strenggenommen ist ChatGPT – eine künstliche Intelligenz, die auf Aufforderungen Texte generiert – nicht einmal der Anfang, sondern lediglich Zwischenstation in einem seit etwa 10 Jahren zu beobachtenden Entwicklungsprozess des Natural Language Processing (NLP). ChatGPT kann auch nichts grundlegend Neues, was vorherige Tools nicht konnten. Es unterscheidet sich lediglich in der Qualität des generierten Outputs, der Fokussierung auf die Interaktivität (Eingabe von Fragen und KI-generierte Antworten) und vor allem in seiner bestechenden Einfachheit: Eine URL, eine Registrierung, ein einziges simples leeres Textfeld und schon steht einem die Unendlichkeit der Textgenerierung offen, die zudem (je nach Frage meistens) Sinnhaftes und Fundiertes von sich gibt, da sie auf einen Korpus von ca. 1 Billion Wörtern (aus 6 Millionen Wikipedia-Artikeln und Millionen von Büchern und Websites) zugreift. Zu beachten ist, dass diese Trainingsbasis fast ausschließlich aus englischsprachigen Texten besteht, bei der Kommunikation mit Anwender:innen aber zusätzlich eine KI-gestützte Übersetzung greift. Diese integrierte Übersetzung führt mitunter zu tragischen Missverständnissen in der Kommunikation. Trotz aller Kinderkrankheiten sind die Ergebnisse beeindruckend, verstörend und beeindruckend verstörend. Die gesamte akademische Welt von der Grundschule bis zur Exzellenzuniversität gerät in Aufregung, die einen aus dystopischer Panik, die anderen aus utopischer Naivität. Beide Positionen sind im höchsten Maße verständlich. Für alle Leser*innen, denen ChatGPT noch nichts sagt, haben wir ChatGPT gebeten, sich selbst kurz vorzustellen:  

ChatGPT, kannst Du Dich kurz vorstellen?

Ich bin ein Assistent, ein großes Sprachmodell, das von OpenAI trainiert wurde. Ich bin in der Lage, auf Fragen und Anfragen in verschiedenen Sprachen zu antworten und Informationen bereitzustellen. Ich kann auch in der Lage sein, kleine Unterhaltungen zu führen und menschenähnliche Antworten zu geben. Ich bin jedoch keine echte Person und habe keine persönlichen Erfahrungen oder Meinungen. Mein Wissensstand ist auf das Jahr 2021 beschränkt und ich habe keine Möglichkeit, aktuelle Ereignisse zu verfolgen oder neue Informationen zu erhalten. Ich bin lediglich ein Computerprogramm, das darauf ausgelegt ist, Informationen bereitzustellen und zu versuchen, auf Fragen und Anfragen so gut wie möglich zu antworten.

Welches disruptive Potenzial hat ChatGPT in Bezug auf akademische Schreibprozesse?

ChatGPT ist ein Chatbot, der mit maschinellem Lernen trainiert wurde, um menschenähnliche Unterhaltungen zu führen. Es wurde entwickelt, um Schülern, Studenten und akademischen Fachleuten dabei zu helfen, ihre Schreibprozesse zu unterstützen und zu verbessern. Eines der disruptive Potenziale von ChatGPT in Bezug auf akademische Schreibprozesse ist, dass es Schülern und Studenten dabei helfen kann, ihre Ideen und Gedanken zu strukturieren und zu formulieren. ChatGPT kann auch als „intelligenter“ Schreibassistent fungieren, indem es Benutzern Vorschläge für mögliche Änderungen oder Verbesserungen an ihrem Schreibstil oder ihrer Grammatik macht. Darüber hinaus bietet ChatGPT die Möglichkeit, dass Benutzer ihre Schreibprozesse mit anderen teilen und gemeinsam an Projekten arbeiten können. Dies kann besonders für Studierende von Vorteil sein, die an kooperativen Projekten oder gemeinsamen Schreibprozessen teilnehmen. Insgesamt bietet ChatGPT die Möglichkeit, akademische Schreibprozesse zu vereinfachen und zu verbessern, indem es Benutzern dabei hilft, ihre Ideen zu strukturieren und zu formulieren, Vorschläge für mögliche Änderungen macht und die Möglichkeit bietet, gemeinsam an Projekten zu arbeiten.

Und wie sieht es andererseits mit den Gefahren aus?

Es gibt einige mögliche Gefahren im Zusammenhang mit der Verwendung von ChatGPT oder anderen Chatbots, die für akademische Schreibprozesse entwickelt wurden. Eine der Hauptbedenken ist, dass Chatbots nicht in der Lage sind, die tiefgreifenden analytischen Fähigkeiten und das kritische Denkvermögen von Menschen zu replizieren. Chatbots können zwar Vorschläge für mögliche Verbesserungen oder Änderungen an Schreibstil oder Grammatik machen, sie können jedoch keine tiefgreifenden Analysen oder kritische Reflexion durchführen, die für akademische Arbeiten oft erforderlich sind. Ein weiteres Bedenken ist, dass Chatbots möglicherweise nicht in der Lage sind, die kulturelle und sprachliche Vielfalt von Menschen zu berücksichtigen. Es ist wichtig, dass Schüler und Studenten lernen, ihre Gedanken und Ideen in ihrer eigenen Sprache und ihrem eigenen Stil auszudrücken, und Chatbots können diese Fähigkeit möglicherweise nicht unterstützen. Es ist auch wichtig zu beachten, dass Chatbots möglicherweise nicht in der Lage sind, die komplexen Anforderungen und Standards von akademischen Arbeiten zu berücksichtigen. Sie können zwar dabei helfen, Schreibprozesse zu vereinfachen und zu verbessern, aber sie können kein Ersatz für gründliche Recherche, tiefgreifende Analyse und kritische Reflexion darstellen. Schließlich gibt es auch Bedenken hinsichtlich der Datenschutz- und Sicherheitsaspekte von Chatbots. Es ist wichtig, dass Schüler und Studenten darüber informiert sind, wie ihre Daten von Chatbots verwendet werden und dass sie verstehen, dass Chatbots möglicherweise nicht in der Lage sind, die gleiche Vertraulichkeit und Sicherheit wie menschliche Schreibberater zu gewährleisten. Insgesamt gibt es einige mögliche Gefahren im Zusammenhang mit der Verwendung von Chatbots wie ChatGPT in akademischen Schreibprozessen. Es ist wichtig, dass Schüler und Studenten diese Bedenken berücksichtigen und verstehen, dass Chatbots kein Ersatz für gründliche Recherche, tiefgreifende Analyse und kritische Reflexion darstellen können.

Vielen Dank! Das hilft mir sehr.

Gern geschehen! Ich hoffe, dass meine Antworten Ihnen geholfen haben, das disruptive Potenzial von ChatGPT in Bezug auf akademische Schreibprozesse besser zu verstehen und auch die möglichen Gefahren im Zusammenhang mit seiner Verwendung zu berücksichtigen. Wenn Sie weitere Fragen haben oder weitere Informationen benötigen, zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen!  

 

Dieser Dialog ist binnen weniger Sekunden entstanden und ohne jegliche Nachbearbeitung. Mit etwas mehr Mühe hätte man noch sehr viel bessere Ergebnisse erzeugen können, aber selbst das Ergebnis dieser unbedarften Eingabe reicht aus, um den Turing-Test zu bestehen. Die seit dem 30. November 2022 mit der kostenfreien Veröffentlichung von ChatGPT angeheizte Diskussion darüber, wie (Hoch-)Schulen darauf zu reagieren haben, schlägt dabei in den meisten Fällen fehl, denn Hochschulpolitik ist in der Regel – und aus gutem Grund – träge. Die Entwicklung der Tools ist daher den hochschulpolitischen Diskussionen in der Regel mehr als nur einen Schritt voraus. So wird in vielen Hochschulgremien immer noch über die systematische Einführung von Plagiatserkennungssoftware diskutiert, obwohl zwischenzeitlich Plagiate immer weniger eine Rolle spielen, weil KI-Tools vollständige Arbeiten neu kreieren können, die faktisch und juristisch keine Plagiate sind. Eine Ausnahme stellen Strukturplagiate dar, bei denen vorhandene Texte mit KI-gestützten Paraphrasierungswerkzeugen, auch Rewriting-Tools genannt, bewusst verfremdet werden, um die Quelle vor der Enttarnung durch Plagiatserkennungs-Softwarelösungen zu verbergen. Die Fragen, die es also unserer Meinung nach in (Hoch-)Schulen zu stellen und auszuhandeln gilt, sind nicht, wie man auf dieses oder jenes Tool, diese oder jene Entwicklung reagieren soll, sondern vielmehr: Welche fundamentalen qualitativen Änderungen in Bezug auf wissenschaftliches Arbeiten sind durch die zukünftige, unsere (akademische) Alltagspraxis bestimmende Kollaboration von menschlicher und künstlicher Intelligenz zu erwarten? Wie wollen wir im Rahmen der (Aus-)Bildung damit umgehen? Um diese Fragen beantworten zu können, bedarf es eines historischen Bewusstseins mit Blick in die Zukunft.  

Die Zukunft generativer KI-Sprachmodelle

Dass die Entwicklung großer KI-Sprachmodelle („Large Language Model“ – kurz: LLM) rasant verläuft, zeigt die folgende Grafik. Im Fokus steht der Indikator Parameteranzahl, der mit der Leistungsstärke von LLM positiv korreliert, hier dargestellt in der Entwicklung von 2019 bis 2021:

Abbildung 1: KI-Sprachmodelle und Parameteranzahl, Quelle: https://www.iwkoeln.de/studien/hans-peter-kloes-grosse-ki-modelle-als-basis-fuer-forschung-und-wirtschaftliche-entwicklung.html
Abbildung 1: KI-Sprachmodelle und Parameteranzahl, Quelle: https://www.iwkoeln.de/studien/hans-peter-kloes-grosse-ki-modelle-als-basis-fuer-forschung-und-wirtschaftliche-entwicklung.html

Die bisherige Entwicklung der großen KI-Sprachmodelle deutet somit auf eine exponentielle Leistungssteigerung hin. Die Grafik spiegelt aber auch die amerikanische und chinesische Vorreiterrolle wider (siehe das deutsche Start-up Aleph Alpha im Vergleich ganz rechts in der Grafik). Jörg Bienert, in seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender des KI-Bundesverbands, hat in einem Gastbeitrag im Handelsblatt im Juni 2022 explizit die hohe strategische Relevanz generativer KI-Sprachmodelle für die deutsche und europäische Wirtschaft und damit einhergehend das Zukunftspotenzial von KI-Sprachmodellen betont. Der KI Bundesverband hat bereits 2021 seine Initiative LEAM (Kurzform für „Large European AI Models“) ins Leben gerufen, um die Entwicklung großer KI-Modelle in Europa zu fördern und eine Abhängigkeit von Lösungen außerhalb der EU zu vermeiden. Unterstützt von renommierten Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Verbänden und Start-ups soll LEAM ein europäisches KI-Leuchtturmprojekt sein.

Der weitere Blick in die Zukunft fällt schwer, weil kein Ende der Entwicklung erkennbar ist. Das aktuell am häufigsten thematisierte Manko von KI-Sprachmodellen ist der fiktionale Charakter der generierten Texte (man spricht von „halluzinierenden“ Systemen), aber auch dieses Problem dürfte bereits in Kürze gelöst sein. DeepMind bietet mit dem Sprachmodell Retro ein Modell mit Datenbankrecherche für einen Faktencheck an. OpenAI arbeitet am Forschungsprototypen WebGPT, der als Erweiterung zu GPT-3 bzw. GPT-3,5 eine zusätzliche Internetsuche mit abdecken soll, um faktuale Texte generieren zu können. Als Alternative zu ChatGPT von OpenAI stellt sich bereits der Anbieter Writesonic mit Chatsonic auf und verspricht eine Lösung für die Probleme mit fiktionalen Texten: „Write factual content including real-time topics“. Weitere Anbieter folgen bereits mit ähnlichen Ankündigungen.

Die nächste Modellversion GPT-4 von OpenAI soll in wenigen Monaten erscheinen und wird vermutlich einen weiteren Quantensprung darstellen, wie bereits der Versionsprung von GPT-2 zu GPT-3 Mitte 2020. Weitere Fortschritte bahnen sich zudem im Zusammenspiel von Mensch und Maschine im eigentlichen Schreibprozess an. Erst im August 2022 hat Meta den Schreibbot PEER angekündigt, der als kollaboratives Sprachmodell für die Unterstützung während des gesamten Schreibprozesses sorgen soll. PEER soll wie ein „Tausendsassa“ für schnelle Entwürfe sorgen, Vorschläge hinzufügen, Bearbeitungen vorschlagen und seine Handlungen auch erklären können (https://arxiv.org/abs/2208.11663). Und wie bereits erwähnt ist das zweifelsohne erst der Anfang. Mit ihrem Gesetzesentwurf zum AI Act will die EU-Kommission umfassend die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz regulieren. Abhängig von der Risikoklassifikation des EU AI Act ergeben sich daraus bestimmte Verpflichtungen, KI-Strategien, dokumentierte und kommunizierte KI-Leitlinien für Unternehmen als Anbieter und Nutzer von KI-Systemen. Wo verlaufen hier die Grenzlinien zum Bildungsbereich? Lassen sich diese überhaupt identifizieren oder fließen sie vielmehr ineinander?  

Der Einsatz generativer KI-Sprachmodelle für Bildungsprozesse

Die Fokusfrage, die im Bildungskontext durchaus kontrovers diskutiert wird, lautet: Sollten KI-gestützte Schreibwerkzeuge proaktiv im Sinne von Generatoren von Textentwürfen in der Lehre eingesetzt werden, um über die automatisierte Produktion von ersten Textentwürfen und die nachfolgende ‚manuelle‘ Optimierung der Texte letztlich qualitativ hochwertigere Arbeiten zu generieren? Aus unserer Sicht lautet die Antwort: Ja. Oder besser: Ja, aber. Das Rad lässt sich nicht zurückdrehen. KI-Sprachmodelle und -systeme sind ein Faktum im Bereich der Wissensarbeit. (Hoch-)Schulseitige Vogel-Strauß-Taktik ist daher fehl am Platz. Wenn es aber nicht mehr um das ‚Ob‘ der Verwendung von KI-Tools geht, dann muss die Frage lauten: Wie soll der Einsatz künftig gestaltet werden? Welches Wissen, welche Kompetenzen benötigen Studierende (Lehrende, Schüler:innen) zwingend hierfür? Zu nennen wären hier z. B. die Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten, Textmusterwissen etc., insbesondere aber analytisches und kritisches Denken, um automatisierte Produkte zu bewerten und ihre Nutzung zu steuern. Die weitaus schwierigere Frage rankt sich derzeit um die Bewertungsproblematik dieser studentischen Leistungen, die entstanden sind in der Koproduktion von Mensch und Maschine. Wenn schriftliche Haus- und Abschlussarbeiten auch zukünftig als relevante Prüfungsformen gelten sollen, setzt unser Lösungsvorschlag bei der Analogie zur Bewertung der Produktqualität an: Wir sollten zukünftig nicht nur das Endergebnis bewerten, sondern auch die Qualität des Designs, das zu diesem fertigen Elaborat geführt hat. Hierfür sind zwei Dimensionen relevant: das methodisch/fachliche Design (im Sinne eines Forschungsdesigns) und das damit in Verbindung stehende technische Tool-Design unter Berücksichtigung klassischer SW-Lösungen (z. B. Textverarbeitungs-, Literaturverwaltungs-, Statistikprogramme) wie auch moderner KI-gestützter Werkzeuge. Realistisch betrachtet, ist aber auch dieser Lösungsvorschlag nur als Übergangslösung tauglich. Zwei Gründe (aus der Sicht Dezember 2022) sind hierfür maßgeblich:

1. Schon heute bieten uns KI-gestützte Digital Research Assistant Tools wie elicit.org einen Method Deviser (https://ide.elicit.org/run/wtp6SbYgoPYPL5usB), der uns abhängig von unserer Forschungsfrage per Knopfdruck eine Fülle von wissenschaftlichen Vorgehensweisen beschert. Diese Entwicklung befindet sich noch im Beta-Stadium, aber sie darf als wegweisend bewertet werden. Daher könnte dieser Ansatz zu einem methodisch-fachlichen Design per Knopfdruck führen, bei dem die menschliche Leistung immer mehr in den Hintergrund tritt.

2. Wir dürfen zudem erwarten, dass die eingesetzten KI-Tools exponentiell leistungsstärker werden. Das wiederum bedeutet, dass die ersten Entwürfe kontinuierlich eine immer höhere Qualität aufweisen werden, die eine menschliche Nachbearbeitung zunehmend überflüssiger werden lässt.

Unsere Schlussfolgerung lautet daher:

Wir benötigen „grundsanierte“ neue Lehr- und Lernsettings und müssen insbesondere unsere Lehr-, Lern- und Prüfungskultur an deutschen Schulen wie auch Hochschulen überdenken. Nun sind wir als Hochschulvertreter:innen und Lehrende mit unserer menschlichen Kreativität und kritischer Urteilskraft in einem ganz besonderen Maße gefordert, dürfen und müssen uns beweisen. Wir stehen erst am Anfang – und leider oder gottseidank nicht am Ende! Sollten KI-gestützte Schreibwerkzeuge proaktiv im Sinne von Generatoren von Textentwürfen in der Lehre eingesetzt werden? Was braucht es dazu? Was sind nötige Leitlinien? Was müssen Lehrende und Lernende künftig mehr und anders wissen oder können? Was sind Ihre Erkenntnisse und Erfahrungen dazu? Um wirkmächtige KI-Modelle und Systeme im Bereich der Wissensarbeit verantwortlich einzusetzen, braucht es den Diskurs. Das Virtuelle Kompetenzzentrum „Schreiben Lehren und Lernen mit KI“ lädt dazu zur Gründungstagung am 23. März 2023 ein: https://www.ki-schreiben-lehren-lernen.de/events-und-calls/

 

Die Autor*innen

Prof. Dr. Doris Weßels ist Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Kiel sowie Initiatorin und Leiterin der Fachgruppe „KI und Academic Writing“ beim KI-ExpertLab Hochschullehre.

Margret Mundorf lehrt, berät und forscht selbstständig als Linguistin, zertifizierte Schreibberaterin/Schreibtrainerin und Lehrbeauftragte zu Sprache und Wissensvermittlung; Fachkommunikation in Wirtschaft und Recht; Schreiben, Digitalität und künstliche Intelligenz. Sie ist Mitglied des Vorstands der Gesellschaft für Schreibdidaktik und Schreibforschung (gefsus) e. V., Mitglied des Instituts für Schreibwissenschaft (ISW) und des Heidelberger Arbeitskreises für Rechtslinguistik sowie Herausgeberin der Reihe „Theorie und Praxis der Schreibwissenschaft“ des wbv Media.

Nicolaus Wilder studierte Pädagogik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pädagogik der CAU in der Abteilung für Allgemeine Pädagogik. Seine Forschungsschwerpunkte sind Theorien und Grundbegriffe der (Allgemeinen) Pädagogik sowie deren philosophische (insb. wissenschaftstheoretische und ethische) Grundlagen und Bezüge. Ganz nebenbei geht er davon aus, dass künstliche Intelligenzen einen fundamentalen Einfluss auf die Transformation wissenschaftlicher Lehr-Lern- sowie Arbeitsprozesse haben und haben werden und deswegen auch aus pädagogischer Perspektive reflexionsbedürftig sind.

CC-BY-SA Dieser Text steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International – CC BY-SA 4.0.  Quelle: Hochschulforum Digitalisierung.

Learning Analytics und KI in der Hochschulbildung. Ein ethischer Exkurs

Künstliche Intelligenz (KI) als Oberbegriff für eine gewisse Art von technischen Entwicklungen ist in den letzten Jahren in aller Munde. Von Suchmaschinen im Internet und sozialen Medien bis hin zu selbstfahrenden Autos, diversen Chatbots oder persönlichen Assistenzsystemen à la Siri oder Alexa durchdringen KI-Technologien immer mehr unseren Alltag. Wenig überraschend ist es deshalb, dass auch im Bereich der Hochschulbildung bzw. -lehre über die Frage nachgedacht wird, inwiefern KI zur Verbesserung des Studiums und der Lehre beitragen kann. Im Rahmen des landesgeförderten Projekts KI:edu.nrw an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) in Kooperation mit der RWTH Aachen erkunden und erproben wir Möglichkeiten und Bedingungen eines potenziellen Einsatzes von Learning Analytics und KI an der RUB. Um ein holistisches Bild der Thematik zu schaffen, bedarf es einer multi- bzw. interdisziplinären Perspektive, zu denen die Ethik als Querschnittsthema gehört. Dieser Beitrag soll Denkanstöße sowie Einblicke in die Praxis der ethischen Arbeit bieten.

 

Warum ist Ethik hierbei überhaupt relevant? Eine mögliche Antwort lautet: Technik ist von Menschen geschaffen und wirkt sich auf Menschen und die Welt aus. Somit wird sie automatisch zum Gegenstand der Ethik. Die Ethik, also die Wissenschaft der Moral ist nicht als moralische Instanz zu verstehen, sondern bietet uns Werkzeuge, um moralisches Handeln und Verhalten systematisch zu reflektieren. Welche Handlung oder welches Verhalten ist moralisch richtig und aus welchen Gründen? Im Kontext von Learning Analytics und KI in der Hochschulbildung stellen wir uns u. a. die Frage, wie solche Technologien ethisch begründbar gestaltet und eingesetzt werden sollen. Damit hängt unmittelbar zusammen, welche Werte und Normen auf dem Spiel stehen, etwa Privatsphäre, Autonomie, Fairness oder Diversität: Wie weit darf eine KI in die Privatsphäre eingreifen, um personalisiertes Lernfeedback zu erzeugen? Wie soll eine KI gestaltet und eingesetzt werden, um Bias und Diskriminierung zu vermeiden? Welche Ziele des Einsatzes einer KI sind ethisch legitim? Wie könnte eine KI-gestützte Hochschulbildung in 50 Jahren aussehen und wäre sie wünschenswert?

 

Im Folgenden möchte ich eine dieser Fragen herausgreifen und beispielhaft erläutern, wie man diese aus ethischer Perspektive reflektieren könnte. Die Themen Bias, also systematische Wahrnehmungs- und Klassifizierungsverzerrungen, und Diskriminierung, also ungleiche Behandlung auf Basis von Bias, im Kontext von KI gewinnen in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung. Durch eine Reihe von Enthüllungen wurde eine Debatte ausgelöst, die diskriminierende Praktiken unterschiedlicher KI-Systeme ans Licht gebracht hat. Als prominente Beispiele gelten das Amazon-Recruiting-Tool, das beim Einstellungsprozess systematisch Frauen diskriminiert, oder Gesichtserkennungssoftwares, die systematische Verzerrungen auf Basis von Gender und Hautfarbe hervorgebracht haben (vgl. Gebru 2020). Auf den ersten Blick benötigt es keine ethische Ausbildung, um solche Diskriminierungspraktiken als moralisch problematisch zu beurteilen. Wie genau dieser moralische Beurteilungsprozess funktionieren kann, ist allerdings nicht so offensichtlich. Typischerweise beginnt er mit der Anerkennung eines moralischen Wertes. Ausgehend vom moralischen Wert der Gleichheit zwischen Gendern und Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe, lässt sich die Norm ableiten, dass man auf Basis von Gender oder Hautfarbe nicht diskriminieren soll.

 

Bias und Diskriminierung stellen im zuvor beschriebenen Kontext demnach ein ethisches Problem dar, weil dadurch (mindestens) ein moralischer Wert verletzt wird. Um Lösungsansätze formulieren zu können, muss zuerst das Problem spezifiziert werden. Beispielsweise müsste zwischen absichtlichen oder unbeabsichtigten, zufälligen oder systemischen Diskriminierungspraktiken unterschieden und die Ursachen analysiert werden, um jeweils angemessene Lösungsansätze entwickeln zu können. In der einschlägigen Debatte entwickelte sich zuerst der verbreitete Ansatz, dass Bias und Diskriminierung im Kontext von KI ein technisches Problem sind. Das Problem liegt, so die These, am schlechten Programmieren und an problematischen Datensätze (vgl. Mehrabi et al. 2021). Diese Ansicht geht von einer engen Definition von Bias aus, nach der diskriminierende Praktiken von KI-Anwendungen auf statistische Verzerrungen zurückzuführen sind. Seit kurzer Zeit werden allerdings immer mehr Ansätze vorgebracht, die eine breitere soziotechnische Perspektive in den Fokus nehmen (vgl. Ferrer et al. 2021). Demnach werden Bias und Diskriminierung in KI nicht ausschließlich als ein technisches Problem aufgefasst, sondern KI reproduziert und verschärft existierende soziale Ungleichheiten zwischen Gendern, Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe oder weiteren marginalisierten Gruppen (vgl. z. B. Noble 2018, D’Iganzio & Klein 2020, Crawford 2021).

 

Die Diskussion bisher mag den Eindruck erwecken, dass wir vom Thema „KI in der Hochschulbildung“ abgekommen sind. Jedoch erweisen sich solche Exkurse als wichtig, weil dadurch implizite Annahmen und weniger offenkundige Zusammenhänge beleuchtet werden können. Anhand einer kurzen Behandlung der Debatte um Bias und Diskriminierung im Kontext von KI wurde gezeigt, dass eine ethische Analyse u. a. einer nuancierten Präzisierung von Begriffen, einer systematischen Konzeptualisierung und Abwägung von moralischen und ethischen Werten und Normen bedarf. Im konkreten Kontext des Projekts KI:edu.nrw reflektiert und diskutiert die Projektgruppe solche Themen: z. B. über die Frage, welche algorithmische Verfahren eingesetzt werden sollen, die eine geringere Bias-Anfälligkeit aufweisen, oder wie die Themen Bias und Diskriminierung an Stakeholder herangetragen werden sollen (Data Literacy). Die Ergebnisse dieser ethischen Reflexion fließen dann in die konkreten Designs der Learning Analytics-Konzepte und Prototypen der verschiedenen Fakultätsprojekten ein.

 

Literatur

Crawford, K. (2021). The Atlas of AI: Power, Politics, and the Planetary Costs of Artificial Intelligence. Yale University Press. D’Ignazio, C., & Klein, L. F. (2020). Data Feminism. MIT Press. Ferrer, X., Nuenen, T. van, Such, J. M., Cote, M., & Criado, N. (2021). Bias and Discrimination in AI: A Cross-Disciplinary Perspective. IEEE Technology and Society Magazine, 40(2), 72–80. https://doi.org/10.1109/MTS.2021.3056293 Gebru, T. (2020). Race and gender. In M. Dubber, F. Pasquale, & S. Das (Eds.), The Oxford handbook of Ethics of AI (pp. 251–269). Oxford University Press. Mehrabi, N., Morstatter, F., Saxena, N., Lerman, K., & Galstyan, A. (2021). A Survey on Bias and Fairness in Machine Learning. ACM Computing Surveys, 54(6), 1–35. https://doi.org/10.1145/3457607 Noble, S. U. (2018). Algorithms of Oppression: How Search Engines Reinforce Racism. NYU Press.