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Kooperation zwischen NRW und Niedersachsen bei Digitaler Hochschullehre

Zukunftsweisende Zusammenarbeit: Das OER-Portal twillo stellt seit 2024 das Repositorium – einen Dokumentenserver – für ORCA.nrw bereit.

Für die zeitgemäße Hochschullehre sind digitale Lehr- und Lernmaterialien unverzichtbar. Umso wichtiger ist es, dass diese als offene Bildungsmaterialien – also Open Educational Resources (OER) – offen lizenziert, frei zugänglich und nutzbar sind. So wie bei twillo, dem vom niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur finanzierten Portal für OER, und beim Open Resources Campus NRW (ORCA.nrw), das vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Kultur und Wissenschaft finanziert wird.

Synergien schaffen für digitale Hochschullehre

Bisher entwickelten viele Bundesländer die technische Infrastruktur ihrer Portale für digitale Lehr- und Lernmaterialien unabhängig voneinander. Ab 2024 arbeiten erstmals zwei Landesportale bei dem Betrieb von Repositorien (Dokumentenserver) – und damit bei einem Kernbestandteil der technischen Infrastruktur – zusammen und schaffen so Synergien. Das nordrhein-westfälische Portal ORCA.nrw kooperiert nun mit der TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek, die die technische Infrastruktur von twillo betreibt und bereitstellt.

„Diese Kooperation ist ein wichtiger Beitrag in der Entwicklung der digitalen Hochschullehre. Es freut uns, dass unsere niedersächsische Initiative damit sowohl regional als auch überregional Anklang findet und dazu beiträgt, den Zugang zu digitaler Bildung zu stärken“, sagt Prof. Dr. Joachim Schachtner, Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur.

„Die Ausstattung von Studierenden mit frei zugänglichen Ressourcen sollte keine Frage von Ländergrenzen sein. Mit dieser Kooperation gehen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen voran und ebnen den Weg für einen grenzenlosen Zugang zu digitalen Lehr- und Lernmaterialien. Ich bin sicher: Von der Zusammenarbeit mit Niedersachsen profitieren beide Plattformen und vor allem unsere Studierenden, die sich an diesem digitalen Aktenschrank frei bedienen können“, sagt Gonca Türkeli-Dehnert, Staatssekretärin im Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

„Durch den Rückgriff auf die Repositorien von twillo und dem TIB AV-Portal steht ORCA.nrw eine robuste und erprobte Technologie zur Verfügung, die das Portal besser zugänglich macht und Lehrenden eine größere Flexibilität in der Arbeit mit den Materialien ermöglicht“, sagt Dr. Markus Deimann, Geschäftsführer des Landesportals ORCA.nrw.

Durch diese Zusammenarbeit greifen Nutzerinnen und Nutzer aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen auf die gleichen Repositorien zurück, um OER teilen können.

„Wenn wir unsere Kräfte vereinen, können wir eine nachhaltige und zukunftsorientierte Infrastruktur für offene Bildungsmaterialien in Deutschland schaffen, die in der Lage ist, auf die Bedürfnisse von Studierenden und Lehrenden schon heute und auch in Zukunft effizient zu reagieren“, so Prof. Dr. Sören Auer, Direktor der TIB.

OER-Portale twillo und ORCA.nrw leisten Beitrag zur Verbesserung der digitalen Hochschullehre

Twillo (www.twillo.de) ist ein Portal für Open Educational Resources (OER). Auf der digitalen Plattform werden lehr- und lernunterstützende Materialien offen lizenziert und zugänglich gemacht. Zu OER zählen alle Lern- und Lehrmaterialien, die in einem offenen Format bereitgestellt werden und von anderen kostenlos genutzt, adaptiert und verbreitet werden dürfen. Die Initiative twillo möchte dazu beitragen, dass Hochschullehre digital gestaltet und verbessert wird. Die Plattform befindet sich derzeit in der zweiten Förderphase und ist ein Verbundprojekt von der TIB, dem E-Learning Academic Network Niedersachsen (ELAN e.V.), dem HIS-Institut für Hochschulentwicklung und der Universität Osnabrück.

Das Landesportal ORCA.nrw ist eine zentrale Betriebseinheit der nordrhein-westfälischen Hochschulen. ORCA.nrw ermöglicht, dass OER im gesamten hochschulischen Fächerspektrum sicher und langfristig veröffentlicht, gezielt gefunden und unkompliziert genutzt werden können. Im Zusammenwirken mit den nordrhein-westfälischen Hochschulen setzt die an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) angesiedelte Geschäftsstelle Anreize zur Erstellung, Verbreitung und Nutzung von OER und vernetzt Lehrende hochschulübergreifend zu Themen des digitalgestützten Lehrend und Lernens miteinander – zuletzt beispielsweise zum Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in der Hochschullehre. Zudem hält das Portal qualitätsgesicherte Selbstlernkurse für die Studieneingangsphase vor, z. B. zu Mathematik, Sprach- und Textverständnis und Lernstrategien. Die Kooperation zwischen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen soll erst der Anfang sein. Weitere Bundesländer können sich der Zusammenarbeit für bessere Digitale Hochschullehre anschließen.

SecAware.nrw: Selbstlernkurs für mehr Cybersicherheit

Neues Angebot für die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen: Mit SecAware.nrw steht Studierenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in NRW ab sofort ein kostenloses Online-Selbstlernangebot zum Thema Cyber- und Informationssicherheit zur Verfügung. Das Lernangebot soll Nutzende sensibilisieren und die IT-Kompetenz für mögliche Cyberangriffe stärken. Die Selbstlernakademie steht in Deutsch und Englisch bereit.

Erstellt wurde das Angebot vom an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen ansässigen Institut für Internet-Sicherheit – if(is) und vom an der Fachhochschule Dortmund ansässigen Institut für die Digitalisierung von Arbeits- und Lebenswelten (IDiAL).

Um das individuelle Wissensniveau bestmöglich zu berücksichtigen, ist die Selbstlernakademie modular aufgebaut. Durch praxisnahe Selbsttests wird zunächst der persönliche Wissenstand abgefragt, ehe die Lernenden dann mit Gefährdungslagen ihrer jeweiligen digitalen Arbeits- oder Alltagswelt konfrontiert werden. Die Lerninhalte decken das gesamte Feld der Cyber- und Informationssicherheit ab und sind sowohl für den beruflichen als auch privaten Bereich hilfreich. Sofern nicht anders gekennzeichnet, sind die Inhalte durch die CC BY 4.0-Lizenzierung auch zur Weiternutzung geeignet.

ORCA.nrw-Tagung 2023: Das Programm steht!

Am 28. November findet zum zweiten Mal seit der Eröffnung des Landesportals die offizielle ORCA.nrw-Tagung statt. Gemeinsam ausgerichtet mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft wird die Digitale Transformation der Hochschullehre in NRW erneut zum Dreh- und Angelpunkt.  

 

DAS PROGRAMM

Lernen Sie im Veranstaltungszentrum der Ruhr-Universität Bochum bis zu 20 NRW-Förderprojekte zu digitalen Kompetenzen kennen und erörtern gemeinsam an insgesamt zehn ausgewählten Thementischen im World Café Format Perspektiven der hochschulübergreifenden Zusammenarbeit. 

Neben der Möglichkeit, seine eigene Expertise einzubringen, wird es viel Raum für Vernetzung und Austausch geben. Das vollständige Programm finden Sie ab sofort auf der Tagungswebsite.

Wir freuen uns auch über das lobendende Grußwort, das Professorin Dr. Birgitt Riegraf, Vorstandvorsitzende der DH.NRW, der Veranstaltung vorwegschickt.

Wenn Ihr Interesse jetzt geweckt ist: Hier geht es direkt zur Anmeldung! Ein paar freie Plätze sind noch verfügbar.

 

- Aktualisierung durch die Redaktion: 21-11-2023.

JUNI ’23: Digitalisierung in KiTas

Regelmäßig stellen wir in der Rubrik „OER-Tipp des Monats“ ein besonderes Projekt oder Material vor, das über das Landesportal ORCA.nrw offen und frei verfügbar ist. In diesem Monat geht es um ein Herzensprojekt von Prof. Dr. Helen Knauf von der Hochschule Bielefeld, in dem die Digitalisierung in Kindertagesstätten auf vielfältige Art und Weise im Fokus steht.

 

DAS MATERIAL

Digitalisierung spielt für Kindertageseinrichtungen auf vielen Ebenen eine immer wichtiger werdende Rolle. Das Problem: In der Ausbildung ist das so relevante Thema noch nicht flächendeckend repräsentiert, und da setzt das Projekt von Prof. Helen Knauf an. Neben den Grundlagen werden dabei vor allem die Medienbildung für Kinder sowie die Entwicklung der KiTa als Organisation beleuchtet. Medienbildung bedeutet dabei nicht, dass den Kindern stumpf Filme vorgeführt werden oder sie sich nur noch mit Handyspielen beschäftigen sollen. Vielmehr sollen im KiTa-Alltag sinnvolle digitale Möglichkeiten eingebunden werden – wie zum Beispiel eine App zum Erkennen und Zuordnen von Vogelstimmen. Das Motto ist: nicht konsumieren, sondern produzieren. Im Bereich der Organisationsentwicklung geht es zum Beispiel um die Kommunikation mit Eltern, die nicht zuletzt durch die Pandemie einen noch höheren Stellenwert in der täglichen Arbeit in einer KiTa eingenommen hat. Insgesamt hat Prof. Knauf neun Videos erstellt, die alle auf dem Landesportal ORCA.nrw abrufbar sind.

 

ENTSTEHUNGSGESCHICHTE

Die Idee für ein Seminar zum Thema Digitalisierung hatte Prof. Knauf schon länger. Genauso wie die Überzeugung, dass die Digitalisierung sich nicht nur auf die Kinder bezieht, sondern auch die Arbeit in der KiTa selbst verändert. Ihr Ziel war, in einem Seminar sowohl die Medienbildung als auch die Organisationsentwicklung und Personalveränderung gemeinsam zu betrachten und dafür Materialien zu erstellen – natürlich digital. Aufgrund des hohen Aufwands bei der Erstellung kam die erste Ausschreibung zur Förderlinie Curriculum 4.0 durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW genau richtig. Prof. Knauf erhielt die Förderung und setzte „Digitalisierung in Kindertageseinrichtungen“ in die Tat um.

 

ZIELSETZUNG

Die Videos richten sich an Studierende in den noch sehr jungen Studiengängen zur Kindheitspädagogik. An der Hochschule Bielefeld heißt der Studiengang, in dem Prof. Knauf die Inhalte vornehmlich einsetzt, „Pädagogik in der Kindheit“. Darüber hinaus richtet sich das Material aber auch an Lehrende und Studierende im Bereich „Soziale Arbeit“ oder anderer pädagogischer Fachrichtungen.

Porträt von Helen Knauf

 

ERSTELLERIN

Seit vier Jahren hat Prof. Dr. Helen Knauf eine Professur an der Hochschule Bielefeld im Fachbereich Sozialwesen inne, zuvor war sie zehn Jahre lang Professorin für frühkindliche Bildung an der Hochschule Fulda in Hessen. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen neben allgemeinen Themen der Kindheitspädagogik vor allem im Bereich Digitalisierung sowie Bildungsdokumentation in KiTas.

 

PERSÖNLICHE NUTZUNGSEMPFEHLUNG

Prof. Helen Knauf: „Ich freue mich, wenn die Videos flankierend zur Vorlesung oder zum Seminar eingesetzt werden. Also zum einen als Teaser für Themen, da ein Film sicher einen guten Einstieg in ein Thema darstellt. Zum anderen aber auch zur Reflexion und Nachbereitung einer Veranstaltung. Darüber hinaus können alle Inhalte auch für Veranstaltungen eingesetzt werden, die nach dem Modell des Flipped Classroom vorgehen.“

 

Zum Material „Digitalisierung in Kindertageseinrichtungen“

 

Vorschläge für einen „OER-Tipp des Monats“ nehmen wir gerne mit einer kurzen Begründung sowie der Nennung einer Ansprechperson samt Kontaktdaten unter redaktion@orca.nrw entgegen.

Dr. Alexandra Habicher: „Ich profitiere jeden Tag von OER“

Wir wollen wissen: Warum erstellen und nutzen Menschen OER? Dabei erhalten wir in diesem Format persönliche Einblicke und Anekdoten von ganz unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren. So auch von Dr. Alexandra Habicher, die das Team Digitale Lehre am Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln leitet und seit Jahren sehr aktives Mitglied im Universitätsverbund digiLL ist. Die 44-Jährige verrät im Interview unter anderem, dass OER ihre Arbeitsweise grundlegend verändert habe, welches Lernspiel sie oft einsetzt und welche Verbindungen für Sie durch OER erst möglich wurden.

 

Frau Habicher, warum sollte man OER nutzen und bereitstellen?

Dr. Alexandra Habicher: Für eine Bildungsinstitution ist in meinen Augen der Auftrag, den Zugang zu Bildung breit zu ermöglichen. Das nehmen wir bei digiLL sehr ernst. Das geht für mich sogar über die klassische Grundlage „öffentliches Geld, öffentliches Gut“ hinaus. Des Weiteren schaffen OER aber auch Verbindungen: Die Lizenzen laden per se schon dazu ein, Ideen zu verbinden, weil man sehr gut gemeinsam an Materialien arbeiten kann – übrigens sogar ohne sich persönlich zu kennen. Diese Zusammenarbeit und die sehr lebendige Community of Practice haben meine eigene Arbeit ganz nachhaltig verändert.

 

Wann haben Sie persönlich schon von OER profitiert?

Habicher: Ich profitiere wirklich jeden Tag von OER, weil sie meine Arbeit so sehr prägen. Zum einen, weil ich jeden Tag neue Materialien kennenlerne und zum anderen durch die stetig neuen Impulse, die ich als Rückmeldung auf das von uns im Team erstellte Material erhalte. Ganz konkret erinnere ich mich an einen aktuellen Moment: Es war ein Gespräch, in dem es um OER ging. Eine Kollegin aus einem ganz anderen Bereich an meiner Uni und ich haben dabei gemerkt, dass wir eine thematische Verbindung haben, die wir ohne die Auseinandersetzung mit OER gar nicht gesehen hätten. Das war sehr spannend. Jetzt arbeiten wir gemeinsam an einem Antrag, aus dem hoffentlich ein schönes Projekt zusammen wird. Solche Momente liebe ich.

 

Welches OER-Material ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?

Habicher: Bei unserer Arbeit sind Themen wie Künstliche Intelligenz, Algorithmizität und Big-Data-Literacy schon lange präsent, daher sind wir mich viele Materialien der Lernplattform KI-Campus sehr interessant. Ich schaue regelmäßig in das Angebot der Kolleginnen und Kollegen, wenn ich Material für meine Veranstaltungen zusammenstelle. Dabei habe ich schon sehr gerne und oft „Stadt, Land, Datenfluss“ eingesetzt. Es ist eine Art Lernspiel, um Schülerinnen und Schülern eine Einführung ins Thema Datenkompetenz zu geben.

 

Was wünschen Sie sich, wenn Sie Material veröffentlichen?

Habicher: Wissen, Ideen und Anregungen zugänglich zu machen, das ist am wichtigsten. Über OER können wir zusätzlich unsere spannenden Projekte und Expertise in die Welt bringen, und man kann sagen: OER machen Projekte wirklich bekannter. Ich erinnere mich gut an eines unserer allerersten digiLL-Projekte: MINTegration aus der Chemie-Didaktik. Die als OER zur Verfügung gestellten Materialien haben dazu beigetragen, dass das Projekt Reichweite bekam. Das hat uns natürlich sehr gefreut und gezeigt, was durch OER möglich ist. Darüber hinaus ist Wissen heutzutage sehr schnelllebig, deswegen ist mir wichtig zu betonen, dass wir nur als Gemeinschaft das Wissen aktuell halten können. Das geht durch Verbindungen, die erst durch die Arbeit mit OER entstehen, wunderbar.

 

Auf LinkedIn präsentiert Dr. Alexandra Habicher ihre „3 Gründe für OER“.

Digitale Transformation der Hochschullehre durch digitale Kompetenzen als offene Bildungsressourcen – Ein Rückblick auf die Tagung am 24. und 25. November 2022

Am 24. und 25. November haben wir, die Geschäftsstelle von ORCA.nrw, gemeinsam mit der DH.NRW, dem Ministeriums für Kultur und Wissenschaft NRW und dem Stifterverband Hochschullehrende verschiedene Förderlinien aus NRW in das Congress Center Essen eingeladen. Die Ziele der Veranstaltung waren, Erfahrungen zu teilen, Synergien zwischen den unterschiedlichen Projekten zu schaffen und digitale Kompetenzen für die gesamte Hochschulbildungsszene nutzbarer zu machen. 200 Lehrende sind unserer Einladung gefolgt.

98 Projekte präsentieren sich im Gallery Walk

Gallery Walk

Zum Start in die Tagung bestand Gelegenheit, im Rahmen eines Gallery Walks Einblicke in die unterschiedlichen Projekte zu gewinnen. 98 Projekte haben sich mit Postern am Gallery Walk beteiligt.  Im Anschluss an den Gallery Walk wurde die Veranstaltung mit Grußworten von Dr. Stefan Drees, Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen sowie Birgit Feldmann, Digitale Hochschule NRW  offiziell eröffnet. Gefolgt wurde von einem Input zu digitalen Kompetenzen von Uwe Stadler, Bergische Universität Wuppertal, aus dem Projekt digikomp.nrw. Anschließend präsentieren Vanessa Pörtner und Julien Pyrasch, beide ORCA.nrw, die ORCA.nrw Taxonomie.

Inhalte aus 329 in NRW geförderten Projekten bilden den Grundstein der ORCA.nrw Taxonomie

Empirische Grundlage für die ORCA.nrw Taxonomie bilden die 329 durch das ORCA.nrw-Team gesichteten Projekte der geladenen Förderlinien, aus denen die Themenfelder und Fragen rund um digitale Kompetenzen und offenen Bildungsressourcen hergeleitet wurden. Auf Grundlage dieser Sichtung wurde eine Taxonomie zur Einordnung der verschiedenen Kompetenzarten erstellt, die sich an drei Grundlagendokumenten orientiert:

  • Der KMK-Kompetenzrahmen “Bildung in der digitalen Welt” (2016), welcher grundlegende digitale Kompetenzen formuliert.

  • Der Future Skills Framework des Stifterverbands (2021), welcher die Dimensionen der klassischen, digitalen, transformativen und technologischen Kompetenzen abdeckt.

  • Ein Framework der Quality Assurance Agency UK (2020), welcher die Erfahrung der Hochschule im Umgang mit digitalisierten Lehr‐ Lernangeboten nach Erfahrungsgrad bewertet und es erlaubt den „Digital Readiness Level“ der Hochschule zu ermitteln.

Die ORCA-Taxonomie illustriert: Knowledge, Skills und Experiences

Die visuell aufbereitete Darstellung der ORCA Taxonomie und die Grundlagendokumente finden Sie hier . Bevor es dann in die Workshops ging gab es zur Abrundung der Eröffnung einen Input zum DigitalCheck.nrw von Marielle Ratter, Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Nach der Vorstellung der Taxonomie starteten die Gäste in den ersten von zwei Blöcken von thematischen Workshops. In den Workshops wurden Themen die von Relevanz für die Projekte sind aus verschiedenen Blickwinkeln bearbeitet. Im Anschluss an den ersten Workshopblock bestand beim gemeinsamen Abendessen Gelegenheit zum Networking und weiteren Ideenaustausch.

Zwei Tage gefüllt mit Hands-on Workshops

Workshop

Der zweite Tag startete mit einem weiteren Workshopblock. Insgesamt fanden im Rahmen der Tagung 14 Workshops statt, die Präsentationen werden wir in Kürze zur Verfügung stellen. Die Ergebnisse der Workshops wurden in Sprints im Plenum zusammengefasst und können hier eingesehen werden.

Digitale Kompetenz – oder kompetent digital?

Gestärkt vom Mittagessen wurde die Veranstaltung dann abgerundet durch eine Podiumsdiskussion mit Expert*innen aus der Hochschulwelt:

  • Prof. Dr. Evelyn Korn, Vorstand Wissenschaft bei der Stiftung für Innovation in der Hochschullehre und Vizepräsidentin für Universitätskultur und Qualitätsentwicklung an der Philipps-Universität Marburg.

  • PD Dr. Malte Persike, Leiter des Center für Lehr- und Lernservices an der RWTH Aachen

  • Dr. Dominic Orr, Senior Advisor digital transformation bei atingi & Adj. Prof. for Educational Management an der Nova Gorica University in Slowenien.

  • Lea Bachus, Studierendenvertreterin an der Universität Bielefeld und Digital Change Maker beim Hochschulforum Digitalisierung

Die abschließende Podiumsdiskussion behandelte durch eine Vielzahl von Diskussionsthemen rund um digitale Kompetenzen und die sich verändernden Hochschul- und Bildungslandschaften. Die Podiumsdiskussion wurde aufgezeichnet und kann hier nachgesehen werden.

Das war es also mit der Tagung? Noch nicht so ganz…

Wir freuen uns Ihnen im Nachgang zur Tagung in den nächsten Wochen noch einiges anbieten zu können: da kommen zum Beispiel noch die Poster des Gallery Walks, die Präsentationen, die Aufnahmen der Lightning Talks, eine Zusammenfassung des Erlebten und Erlernten, sowie die Weiterarbeit an der ORCA-Taxonomie. Wir freuen uns, dazu in unseren kommenden Blogbeiträgen mehr berichten zu können. Und wie immer freuen wir uns über Ihr Feedback!

Figments.nrw: Offene Virtual Reality Inhalte und Werkzeuge

Das Interesse an Virtual Reality (VR) nimmt – auch in der Hochschullehre – stetig zu, immer neue Anwendungen werden entwickelt und durch technische Hilfestellungen und didaktische Konzepte unterstützt. Gleichwohl deckt ein Großteil der aktuell verfügbaren VR-Lehr- und Lernanwendungen nur fachspezifisch sehr eng gefasste Anwendungsfälle ab, die kaum aktualisiert oder an veränderte Bedingungen angepasst sowie häufig nur punktuell und von einzelnen Lernenden eingesetzt werden können.

Das Hauptziel von Figments.nrw ist es, Werkzeuge kostenfrei und offen bereitzustellen, die das Lernen mit virtueller Realität in der Hochschulbildung ermöglichen und erleichtern. Von der Softwareentwicklung bis hin zur Erstellung von Schulungsmaterialien und Austauschplattformen wird dazu an unterschiedlichsten Punkten gleichzeitig gearbeitet.

Figments.nrw wird im Rahmen des von der Digitalen Hochschule NRW (DH.NRW) geförderten Projekts AR/VR.nrw von 2019 bis 2023 entwickelt. Beteiligt sind die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (Konsortialführerin), die RWTH Aachen, die Bergische Universität Wuppertal und die Hochschule Hamm-Lippstadt.

VR in der Hochschulbildung

Die Grundidee von Figments.nrw ist es, Virtual Reality in der Hochschulbildung auch ohne individuelle Expertise in der Softwareentwicklung oder 3D-Modellierung einsetzen zu können. Die Erstellung, die Vermittlung und der Austausch von didaktisch und pädagogisch aufbereiteten Inhalten orientieren sich an bereits bestehenden Methoden der Inhaltserstellung und bekannten Interaktionen. Ein großer Hemmschuh für den Einsatz von Virtual Reality in einem breiteren Kontext ist aber der Aufwand, der nötig ist, um 3D-Daten zu erstellen und darauf aufbauend didaktisch und methodisch wirksame Lerninhalte zu verfassen. Figments.nrw> versucht diesen Faktor zu kompensieren, indem es intuitiv handhabbare Autorentools bereitstellt, die von jedem genutzt werden können.

Open Source und offene Bildungsressourcen

Figments.nrw wird als offene Software entwickelt, die von allen kostenfrei verwendet und weiterentwickelt werden kann, sei es in der Hochschullehre, in fachspezifischen Anwendungsbereichen oder um neue Funktionen zu entwickeln. Unser Ziel ist es, ein freies und offenes Autorentool zur Verfügung zu stellen, um immersive und unterhaltsame Lernerfahrungen zu erzeugen, diese möglichst breit auszutauschen und je nach Bedarf spezifisch oder gemeinsam mit anderen weiterzuentwickeln.Frau mit VR Brille

Evaluierung von Software, Didaktik und Methodik

Die von Figments.nrw bereitgestellten Softwarewerkzeuge werden in praktischen Kontexten erprobt und evaluiert, um die Bedürfnisse der beteiligten Akteur*innen im Hochschulbereich zu erfüllen und gutes Lernen und Lehren zu ermöglichen. Dazu arbeiten wir mit anderen Akteur*innen aus dem Hochschulbereich zusammen (z. B. im Rahmen assoziierter Partnerschaften), führen Nutzerstudien durch, und evaluieren und validieren so Figments.nrw, unsere didaktischen Ansätze sowie unsere Kernkonzepte und Einzelkomponenten. Hierbei versuchen wir nicht nur den Einfluss von VR auf Lernergebnisse zu messen, sondern in Relation zu konventionellen und nicht-immersiven digitalen Lehr- und Lernmethoden zu betrachten.

Community of Practice

Um unsere Ziele zu erreichen ist es wichtig, nicht nur die notwendigen Werkzeuge für Virtual Reality in der Hochschule zu entwickeln, sondern Anwender*innen genau die Informationen zur Verfügung zu stellen, die sie bei der Gestaltung virtueller Welten für das Lehren und Lernen benötigen. Dazu erarbeiten wir derzeit sowohl Artikel und Tutorials zu technischen Aspekten der Erstellung von VR-Inhalten (z. B. „Wie erstelle ich ein 3D-Modell?“ oder „Auf was muss ich achten, wenn ich 3D-Modelle aus dem Netz herunterlade?“) als auch ein didaktisches Konzept. Dieses Konzept wird nicht nur in schriftlicher Form vorliegen, sondern auch innerhalb von Figments.nrw erlebbar und erfahrbar sein.

 

Ansprechpartner:

Dr. Jens Maiero

Dominic Fehling

„Man muss versuchen, weiterzudenken: Was kann man alles als OER zur Verfügung stellen?“

Wie fängt man am besten an, wenn man OER erstellen will? Und warum lohnt sich der Einsatz von OER? Fakt ist: Es lohnt sich, weil alle profitieren. Im Interview mit PD. Dr. Klaus Schaper und Ann-Kathrin Mertineit von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf konnten wir erfahren, wie beide zum Thema OER kamen, was sie anderen zum Einstieg in das Thema OER raten und warum Kreativität beim Format von OER Material erwünscht ist.

 

ORCA.nrw: Herr Schaper, was war Ihr Einstieg in das Thema OER?

Schaper: Mein Einstieg war die Mediathek meiner Hochschule. Die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat eine eigene Mediathek. Dort veröffentliche ich seit 2013 Videos, inzwischen über 500 Stück. Die ersten Videos waren Vorlesungsaufzeichnungen. Wenn man dort ein Video öffentlich zur Verfügung stellt, wird es automatisch als OER deklariert. Dadurch war ich dann sozusagen gezwungen, mich mit dem OER-Gedanken zu befassen. Das war der allererste Einstieg. Dann hatte ich 2016 ein Projekt im Rahmen des Fellowship für Innovation in der Digitalen Hochschullehre NRW. Im Rahmen der Förderung hat man sich verpflichtet, die Inhalte als OER zur Verfügung zu stellen. Aus dem Anlass habe ich mich intensiv mit dem Thema OER befasst. Seitdem ist meine selbst betriebene Lernplattform scheLM, spezielle chemische eLearning Module, auch als OER deklariert. Das heißt, alle Inhalte können beliebig weitergenutzt werden. Das ist aber natürlich bei einer Lernplattform etwas schwierig. Um hier den OER-Gedanken vollends zu erfüllen, müsste man eigentlich auch den Quellcode teilen. Diesen Schritt möchte ich in Zukunft gehen.

 

ORCA.nrw: Frau Mertineit, wie sind Sie zum Thema OER gekommen?

Mertineit: Auf zwei verschiedenen Wegen: Einerseits natürlich durch OER.DigiChem.NRW, unser OERContent.nrw Projekt, welches ich koordiniere. Bevor ich die Koordination übernommen habe, war ich sozusagen entgegengesetzt zu OER tätig, im Bereich bezahlte Bildung. In meinem Studium gab es im Fach Pädagogik aber immer wieder Berührungspunkte mit dem Thema OER. Insbesondere in meinem nebenberuflichen Psychologiestudium bemerke ich in den letzten Jahren immer stärker, wie die Open Access Bewegung größer wird und beispielsweise Studien-Fragebögen geteilt werden. Studierende oder auch Schüler*innen auf diesem Weg zu unterstützen, finde ich sehr gut. Ich empfinde es als für unser OERContent.nrw Projekt sehr gewinnbringend, dass ich diesen theoretischen Weg selbst in einem anderen Fachbereich miterlebe und ihn nun in unserem Projekt direkt praktizieren kann. Ich habe mich bewusst für OER entschieden, weil ich den Grundgedanken – Bildung sollte für alle möglich sein und alle erreichen – sehr gut finde. Ich kenne es aus der Studierendenperspektive noch sehr gut, dass es nicht immer möglich war, alles Material zu bekommen oder zu nutzen, weil es einfach keine offenen Angebote gab. Ich bin daher mit ganzem Herzen dabei und freue mich sehr über die Angebote, die mit der OERContent.nrw Förderlinie geschaffen werden.

 

ORCA.nrw: Worum geht es in Ihrem OERContent.nrw Projekt?

Schaper: Wir erstellen in unserem OERContent.nrw Projekt Lehrvideos – für das Fach Chemie und darüber hinaus. Unsere Lehrvideos sollen helfen, Kompetenzen bei der Nutzung von digitalen Werkzeugen zu entwickeln. Lehrvideos sind ein Kerngebiet des OER. Erklärvideos zu Word, PowerPoint, Excel – wenn man einen Lernraum auf Ilias oder Moodle bereitstellt, der zehn Videos enthält und dann nutzt ihn jemand weiter und sagt sich „Zwei der Videos passen für meine Studierenden nicht, die mache ich neu“ und nutzt die anderen acht – dann hat man den OER-Gedanken umgesetzt. Ich habe das Projekt gemeinsam mit Bert Zulauf von der Heinrich-Heine Universität Düsselorf, Dirk Burdinski und Matthias Hochgürtel von der TH Köln, sowie Claudia Bohrmann-Linde und Frank von Danwitz von der Bergischen Universität Wuppertal beantragt. Wir kennen uns schon länger. Unsere Projektidee kam sozusagen von den Studierenden. Meine Studierenden habe mich angesprochen, alle würden davon ausgehen, sie wären Digital Natives und brauchen deshalb keine Erklärungen, aber in Wirklichkeit haben sie Probleme mit der Software. Man muss wissen, wie geht man beispielsweise mit Formatierungen in Word um, damit am Ende ein gutes Inhaltsverzeichnis von Word erstellt werden kann. Wir haben also gesagt, wir wollen Lehrvideos drehen zum Thema Softwarenutzung, weil es da großen Bedarf gibt – hochschulübergreifend. Chemiespezifische Software – wie zeichne ich chemische Strukturen und werte Daten aus? – aber auch Literaturverwaltungssoftware, Fotografiesoftware – wie erzeuge ich gute Abbildungen im Labor? Daraus entstand unser Antrag. Wir haben ein didaktisches Konzept erstellt, weil wir natürlich viel mehr bieten wollen als noch ein Erklärvideo. Das sind ja teilweise auch Themen, zu denen es viele Erklärvideos im Internet gibt. Wir wollen mit unserem Projekt auch Awareness für Probleme schaffen. Niemand recherchiert „Wie strukturiere ich eine Bachelorarbeit?“, wenn der Person nicht bewusst ist, dass es zu Problemen führt, wenn man sich darüber nicht vorab Gedanken macht. Daher kam die Idee, wir produzieren Kurse durch die man sich durchklicken kann: Video für Video.

Ann-Kathrin Mertineit im Aufnahmestudio vor einem Greenscreen. ©Jennifer Kremper

Ann-Kathrin Mertineit vor dem Greenscreen im Studio. © Jennifer Kremper

 

ORCA.nrw: Frau Mertineit koordiniert das Projekt – wer ist noch in Ihrem Team und aus welchen Bereichen stammen die Mitarbeitenden? Woran arbeiten Sie momentan?

Schaper: Ursprünglich wollten wir das Projekt mit Hilfskräften abwickeln, wir haben uns dann aber für eine Koordination entschieden, weil man die umfangreiche Betreuung neben dem Tagesgeschäft nicht leisten kann.

Mertineit: Wir haben an unserem Standort an der HHU zehn studentische sowie wissenschaftliche Hilfskräfte. Wir legen sehr großen Wert auf Interdisziplinarität. Ich bin selbst auch keine Chemikerin, was für das Projekt ein Gewinn ist. Wir waren schon auf einigen Fachtagungen vertreten. Der Forschungsprozess ist natürlich ein großer Teil der Arbeit. Wir haben eine pre-Evaluation durchgeführt um zu schauen, wie bereiten wir den Lernraum am besten auf. Was sind Elemente in unseren Videos? Wie ist der Lerneffekt? Wir haben dafür eine Mixed Methode gewählt, also eine Kombination von Fragebogen und Interviews. Die Post–Evaluation werten wir gerade final aus.

 

ORCA.nrw: Was würden Sie beide Lehrenden raten, gibt es einen einfachen Weg in die Produktion von OER einzusteigen? Wie fängt man an?

Schaper: Die negative Botschaft, aber auch die ehrliche Botschaft, ist: Es gibt leider keinen einfachen Einstieg. Wenn man OER konzipiert, ist man gewissen Beschränkungen ausgesetzt, die man sonst nicht hat. Es gibt z. B. die 20%-Regel. Man darf unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 20% einer Vorlesung aus einem Lehrbuch kopieren oder bis zu 20% der Abbildungen nutzen. In dem Augenblick, in dem ich in die volle Öffentlichkeit gehe – was man mit OER macht, man konzipiert sie nicht nur für die eigene Vorlesung – ist es schwieriger. Es ist Mehrarbeit, ich muss beispielsweise Abbildungen selbst erstellen, weil ich nicht auf die Abbildung aus dem Lehrbuch zurückgreifen kann. Man sollte sich also zunächst Gedanken machen, welche Materialien man verwendet, woher die Materialien stammen. Es gibt selbstverständlich auch OER-Abbildungen, die sind aber für sehr fachspezifische Themen nicht immer leicht auffindbar. Für eine Vorlesung OER zu konzipieren ist auf jeden Fall leichter, bei einem Seminar muss man auch noch das Recht am eigenen Bild aller Teilnehmenden bedenken. Eine Seminar-Diskussion lässt sich aus diesem Grund schwierig nachhaltig als OER aufbereiten. Aber ich möchte an dieser Stelle gar nicht so negativ auftreten: Für klassische Frontallehre kann man hervorragend OER erstellen. Im Zweifelsfall macht das vielleicht nicht mal Mehrarbeit, sondern Mehrkosten, weil man vielleicht zehn Abbildungen benötigt, die bestimmte Arbeitsschritte oder Aspekte zeigen. Wenn einem dann die Abbildungen aus der Literatur nicht gefallen, kann man in meinem Fach beispielsweise auch gut Mitarbeitende beauftragen, entsprechende Fotos oder Darstellungen zu erstellen – und Mitarbeitenden müssen natürlich bezahlt werden.

Mertineit: Der Mehraufwand ist insbesondere nicht so groß, wenn man bedenkt, dass man bei der erstmaligen Durchführung einer neuen Vorlesung, eines Seminars oder Workshop sowieso Vorbereitungsaufwand hat. Mit OER unterstützt man andere dabei, bei genau diesem Schritt weniger Aufwand zu haben, in dem sie auf vorhandenes Material aufbauen können. Für Studierende ist die OER-Bewegung auch eine tolle Chance: Sie können Arbeitserfahrung sammeln, herausfinden, wie es ist an der Hochschule zu arbeiten. Eine Chance für die Lehre, den Wissenschaftsprozess – Erkenntnisfortschritt für alle.

Schaper: Ich glaube, dass gerade Projekte wie die OERContent.nrw Projekte über die fachlichen Bezüge für Studierende unglaublich wertvoll sind. Es ist eine tolle Chance, einfach mal in die Welt der Hochschule hineingucken zu können.

Mertineit: Herausfordernd ist sicherlich auch noch die technische Ebene. Da hat aber schon die Pandemie gezeigt, wie viel mit kleinen Mitteln bereits möglich ist. Ich kann auch nur empfehlen, sich nicht zu scheuen, zu netzwerken und sich interdisziplinär auszutauschen.

 

ORCA.nrw: Was zeichnet den OER-Gedanken aus?

Schaper: Viele setzen OER damit gleich: Ein Video ist öffentlich verfügbar, zum Beispiel auf YouTube. Aber OER ist viel mehr. Wir erlauben bei CC-BY SA dem Nachnutzer, es anzupassen, zu modifizieren. Der Nachnutzer ist also eine Lehrperson, die sagt „Ja, das Video gefällt mir, aber ich muss es für meine Bedürfnisse anpassen“. Wenn man diesen Schritt mitdenkt, bedeutet das eigentlich, dass man nicht nur die Videos auf der Mediathek öffentlich zur Verfügung stellt, sondern auch die Drehbücher zur Verfügung stellen sollte – im Idealfall die rohen Schnittmaterialien. Das gehört zum OER-Gedanken. Anderes Beispiel: Ich kann meinen Kolleginnen und Kollegen die PowerPoint-Datei zur Verfügung stellen. Oder ich stelle die Datei zur Verfügung und alle genutzten Dateien separat, damit man sie anpassen kann. Das ist ein großer Schritt, weil ich nicht nur meinen Ordner mit den Dateien teilen sollte, sondern auch dazu sagen muss, welche Datei auf welcher PowerPoint Folie verwendet wurde. Und das ist Mehraufwand – aber das ist der wahre OER-Gedanke und nicht nur „ich mache das Material öffentlich“ oder „Ich veröffentliche ein Video“. OER werden oft mit Videos gleichgesetzt. Aber man muss versuchen, weiterzudenken: Was kann man alles als OER zur Verfügung stellen? Gerade wenn man an moderne Lehre denkt, kommt immer wieder das Stichwort Video, Video, Video. Es muss kein Video sein, es kann auch ein Lernmodul in ILIAS oder Moodle sein, es kann ein Online-Test sein, alles das wäre auch als OER möglich. Wenn beispielsweise in einer Sprachwissenschaft eine Textanalyse gemacht werden soll, in der Studierende Stilmittel identifizieren sollen, könnte man dazu doch den Studierenden eine Liste mit Stichpunkten zur Verfügung stellen, auf die sie achten sollen. Die Kolleginnen und Kollegen an anderen Hochschulen können diese Liste auch gebrauchen, also teilt man sie als OER. Dann kann jede Kollegin, jeder Kollege die Liste runterladen und bearbeiten. Damit hat man den wahren OER-Gedanken viel mehr erfüllt, als mit einer Vorlesungsaufzeichnung. Die Vorlesungsaufzeichnung stellt man nur öffentlich zur Verfügung, sie wird aber nie nachbearbeitet.

 

ORCA.nrw: Warum lohnt es sich, OER zu erstellen und sich den Herausforderungen zu stellen?

Schaper: OER lohnen sich insbesondere, wenn man sie für große Gruppen erstellt. Wenn viele Kolleginnen und Kollegen OER erstellen, nimmt man sich Arbeit ab. Wenn es einen Materialpool gibt, auf den man zurückgreifen kann, dann ist man nicht mehr darauf angewiesen, irgendetwas aus einem Lehrbuch zu nehmen. Stattdessen kann man auf gutes Material von Kolleginnen und Kollegen zurückgreifen und kann auch mit viel Freiheit darüber verfügen. Man kann die Materialien frei anpassen und weiterentwickeln. Wenn die OER– Bewegung ein bisschen wächst, ist das also ein Vorteil für alle. Im Moment ist es oft noch schwer, wirklich gutes Material zu finden. Das schwankt aber auch von Fach zu Fach, in den Bildungswissenschaften findet man schon jetzt eher OER als in den Naturwissenschaften. Ich finde, die Arbeit sollte sich lohnen: Warum sollte ich etwas nur für meine Studierenden machen, wenn es auch andere Studierende nutzen können? Das habe ich mir schon vor über 10 Jahren bei meiner selbst programmierten Lernplattform scheLM [spezielle chemische eLearning Module, verlinken] gedacht: Warum sollten nicht auch Studierende anderer Hochschulen sie nutzen dürfen?

Mertineit: Je mehr OERContent.nrw Projekte wir haben, umso mehr professionelles Material gibt es. Ich sehe es als Herausforderung, das Mindset zu ändern. Unabhängig von technischen oder didaktischen Voraussetzungen muss das Mindset da sein: Nur, weil ich etwas erstellt habe, muss es nicht nur für mich und meine Studierenden sein, sondern ich teile mein Material ganz bewusst – weil das Vorteile für alle hat.

Klaus Schaper vor einem Lightboard, auf welches er Begriffe notiert (z. B. OER).

Klaus Schaper vor einem Lightboard. © Peter Bernardi

 

ORCA.nrw: Gibt es vielleicht eine Fächerkultur, die sich besonders für OER eignet oder besonders schwierig ist? Gibt es aus Ihrer Sicht ein Fach, das besonders umtriebig im Bereich OER ist?

Schaper: Wenn ich die Kolleginnen und Kollegen aus der Hochschuldidaktik frage, ist die klassische Frontalvorlesung völlig out, obwohl ich glaube, dass sich alle Naturwissenschaftler einig sind, dass die Naturwissenschaften in vielen Bereichen durchaus die Berechtigung haben. Wenn ich als einfachstes OER-Medium die Vorlesungsaufzeichnung nehme, dann ist die Vorlesungsaufzeichnung einfach – eine Seminaraufzeichnung als OER zu veröffentlich ist fast unmöglich. Daher glaube ich, dass die Naturwissenschaften, die immer noch zu Frontalvorlesungen neigen – und ich glaube auch an vielen Stellen aus guten Gründen dazu neigen – dafür prädestiniert sind. In Fächern, die viel handwerklich arbeiten – Chemie, Biologie, Pharmazie, Physik, Teile der Medizin um einige zu nennen – bieten sich Lehrvideos zu handwerklichen Tätigkeiten an. Hier kann der OER-Gedanke kultiviert werden. Diese Themen sind so allgemein, dass es sich absolut anbietet, die Videos als OER zu produzieren und zur Verfügung zu stellen. Wie benutze ich dieses Gerät? Wie funktioniert jene Tätigkeit? Aber es kommt auch auf den Studienabschnitt an. Gerade in den Naturwissenschaften unterrichten wir auch Nebenfächer – erstes Semester Chemie für Medizinier, erstes Semester Chemie für Biologen. Dafür benötigen wir Übungsaufgaben. Etwas vorrechnen ist viel besser, als nur einen Lösungszettel zur Verfügung zu stellen. Ich kann beispielsweise einen Aufgabenzettel mit 20 Aufgaben erstellen, zu jeder der 20 Aufgaben stelle ich ein Lösungsvideo bereit, dann stelle ich den Zettel und die 20 Lösungsvideos zur Verfügung und jeder kann damit weiterarbeiten. Noch ein Video dazu drehen, den Aufgabenzettel für die eigenen Studierenden anpassen usw.. Ich glaube, die Geisteswissenschaften haben es da teilweise schwieriger. Die Juristen sind nach meinem Eindruck auch eher OER-freundlich.

Mertineit: Mein Eindruck ist, in den Bildungswissenschaften oder Geisteswissenschaften gibt es auch gute Möglichkeiten, OER zu produzieren und zu nutzen. Aber auf eine andere Weise, denn dort arbeitet natürlich niemand im Labor mit Chemikalien und muss dann praktisch irgendwas tätigen, woraus man ein Lehrvideo machen kann. Aber wenn ich beispielsweise an Statistik denke – für Statistiksoftware kann man doch tolle OER Videos produzieren. Der Grundgedanke funktioniert über alle Fächer hinweg – mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Man kann auch fächerübergreifend voneinander lernen. Übungszettel bieten sich in vielen Fächern an, Programme werden ebenso interdisziplinär genutzt.

 

ORCA.nrw: Wir haben vorhin schon über das Thema Urheberrecht gesprochen. Wie sieht es denn damit bei Erklärvideos aus, die die Nutzung einer Software erklären?

Schaper: Man muss sich den Dreh natürlich genehmigen lassen. Microsoft Office genehmigt Erklärvideos beispielsweise pauschal, solange man die Software nicht verändert. Die Reaktionen der Softwarehersteller waren aber sehr unterschiedlich. Manche waren sehr verwundert über unsere Anfrage, weil sie noch nie jemand vorher gefragt hat. Ein anderer Hersteller hat uns zu einem zweistündigen Workshop eingeladen, weil der Hersteller annahm, wir können noch gar nicht alle Tricks und Kniffe kennen.

 

ORCA.nrw: Was wünschen Sie sich von und für ORCA.nrw?

Schaper: Ich wünsche ORCA.nrw eine erfolgreiche Aufbauphase.

Mertineit: Da schließe ich mich an. Außerdem wünsche ich ORCA.nrw eine hohe Sichtbarkeit. Die Dozierenden, die Studierenden, die Schülerinnen und Schüler müssen von ORCA.nrw erfahren. Über das Netzwerk Landesportal ORCA.nrw, über die Geschäftsstelle, über die Hochschulleitungen….

 

ORCA.nrw: Vielen Dank für das Gespräch!

 

 

Die Interviewpartner*innen

PD Dr. Klaus Schaper ist Arbeitsgruppenleiter am Institut für Organische Chemie I an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er engagiert sich seit Jahren im Bereich digitale Lehre. Die von ihm produzierten Videos sind unter CC BY lizensiert und können in der Mediathek der HHU eingesehen werden. Außerdem hat er eine E-Learning Plattform aufgebaut, die spezielle Fragestellungen, Bedürfnisse und Aufgabentypen in der Chemie adressiert. Die Plattform ist öffentlich zugänglich und die Inhalte sind CC BY-SA lizensiert. Für sein Engagement wurde er u. a mit dem Fellowship Innovation in der digitalen Hochschullehre ausgezeichnet.

Ann-Kathrin Mertineit koordiniert das OERContent.nrw Projekt OER.DigiChem.NRW und kümmert sich um die quantitative und qualitative Forschung im Projekt. Mediendidaktik sowie quantitative und qualitative Forschung waren auch die Schwerpunkte Ihres Masterstudiums der Erwachsenen- und Weiterbildung. Bevor sie zu OER.DigiChem.NRW kam, hat sie in der Weiterbildungsbranche E-Learning Projekte begleitet. Sie hat schon im Rahmen ihres Studiums vielfältige Projekte umgesetzt, beispielsweise die Planung, Entwicklung, Umsetzung und Evaluierung einer Erste Hilfe App. In Anstellungen als studentische und wissenschaftliche Hilfskraft in den Bereichen Mediendidaktik, betrieblich-berufliche Weiterbildung und empirische Sozialforschung hat sie mediengestützte Lernangebote entwickelt.

Ein Kompass für die digitale Lehre: Digitalkompetenz und Digitale Ethik

Allein damit, dass der Beamer funktioniert, ist es bei der digitalen Lehre noch lange nicht getan: Warum digitale Hochschulbildung auch Ethik braucht und welche Tools dabei unterstützen können.

Das Leben in vernetzten Welten ist unübersichtlich geworden: Internet und Digitalisierung waren in den 90er Jahren als hoffnungsvolle Instrumente der Befreiung gestartet und scheinen nun doch, im Zeitalter des „Überwachungskapitalismus“ (Shoshana Zuboff), zu Instrumenten der Unterdrückung geworden zu sein (so zumindest die geläufige Wahrnehmung im Globalen Norden – im Süden fällt das Urteil etwas anders aus). Angesichts von Herausforderungen wie Fake News, Datenschutzskandalen und Künstlicher Intelligenz wird eines immer deutlicher: digitales Lehren und Lernen ist ohne einen digitalethischen Kompass unmöglich.

Digitalkompetenzbaum

Copyright Kompetenzbaum: Grimm, Petra/Müller, Michael/Trost, Kai-Erik (2021): Werte, Ängste, Hoffnungen. Das Erleben der Digitalisierung in der erzählten Alltagswelt. Baden-Baden: Academia, S. 158.

An welchem Norden ließe sich ein solcher digitalethischer Kompass in der digitalen Lehre ausrichten? Das Team des Forschungsprojekts „Digital//Dialog21“ am Institut für Digitale Ethik (IDE) der Hochschule der Medien (HdM) Stuttgart hat dafür den Begriff der Digitalkompetenz erarbeitet. Digitalkompetenz beginnt mit der Frage, welche individuellen Fähigkeiten notwendig sind, um ein gutes und menschenwürdiges Leben in der Digitalität zu ermöglichen. Sie schließt sich damit an den Capabilities Approach von Martha Nussbaum sowie an Aristoteles‘ Tugendethik an. Diese Fähigkeiten zu vermitteln sollte im Zentrum einer digitalen Lehre stehen. Der Kompetenzbaum fasst die acht wichtigsten dieser Fähigkeiten zusammen, die das Forschungsteam in der Publikation „Werte, Ängste, Hoffnungen“ auf der Grundlage einer empirischen Befragung identifizieren konnte.

Tools für die Förderung der Digitalkompetenz

Wie wird Digitalkompetenz konkret? Indem man akzeptiert, dass reines Auswendiglernen allein nicht weiterhilft. Der Mensch ist ein homo narrans, das Tier, das erzählt. Eine werteorientierte Haltung und eine Vision für die Zukunft entwickeln wir nicht (nur) auf Basis von rationalen Fakten, sondern vor allem in den Erzählungen und Geschichten, die wir uns gegenseitig erzählen. Eine narrative Ethik kann sich das zu Nutze machen.

Ein Beispiel dafür ist das Buch „Märchen und Erzählungen der Digitalen Ethik“, das am IDE entstanden ist und als kostenloses E-Book zur Verfügung steht. Anhand von sieben Geschichten vermittelt das Buch zentrale Wertekonflikte in der digitalen Welt. Ein Arbeitsbuch lädt dazu ein, die eigene digitalethische Reflexion mit verschiedenen Methoden fortzusetzen. So wird es möglich, über die mit der Digitalisierung verbunden Herausforderungen zu sprechen, ohne ein allzu hohes Niveau an technischen Vorkenntnissen voraussetzen zu müssen. Denn diese Herausforderungen gehen uns alle an.

Ein zweites Beispiel ist das medienethische Online-Tool „Privatomat“, das ebenfalls am IDE entwickelt wurde. Mithilfe von 15 Fragen aus verschiedenen Bereichen des digitalen Alltags können die Nutzerinnen und Nutzer ihrem Verhalten und ihren Gewohnheiten im Netz auf die Spur kommen. Am Ende zeigt der Privatomat an, welcher Datenschutztyp am ehesten zum eigenen Profil passt, und gibt hilfreiche Tipps, um das eigene Wissen über Datenschutz und Privatheit zu vervollständigen. So regt der Privatomat einen digitalethischen Reflexionsprozess im besten Sinne an.

Ausblick: Digitalkompetenz für Nutzer und Entwickler

Digitalkompetenz bleibt dabei jedoch nicht bei den Nutzerinnen und Nutzern stehen. Denn an den Hochschulen bilden wir auch die zukünftigen Programmiererinnen und Programmierer von morgen aus. Für sie bedeutet Digitalkompetenz ebenfalls, in ihren Alltag und in die Produkte, die sie entwickeln, eine digitalethische Haltung zu integrieren. Zur Digitalkompetenz hinzu kommt der Ansatz des „Ethics by Design“: Digitale Ethik von Anfang an. Die beiden jüngsten Forschungsprojekte des IDE, SHUFFLE und IKID, gehen diesen Weg. Bei SHUFFLE geht es um den Ausbau der digitalen Barrierefreiheit in der Hochschullehre. Bei IKID geht es darum, am Beispiel von acht Demonstratoren zu ausgewählten Anwendungsgebieten der Künstlichen Intelligenz die Perspektive der Digitalen Ethik zusammen mit denen der Ökonomie, des Rechts und der Informatik im Rahmen einer integrierten Lehre direkt an die zukünftigen Programmierer von morgen zu vermitteln. Digitalkompetenz in der Lehre setzt so nicht erst ein, wenn der Beamer schon läuft – sondern bei der Frage, welchen Beamer wir überhaupt aufbauen wollen.