Ist eine Collage urheberrechtlich zulässig? – Fall des Monats März ’25
Herzlich willkommen zur neuen Rubrik der Rechtsinformationsstelle von ORCA.nrw. Das Team der Rechtsinformationsstelle unterstützt Lehrende aus Nordrhein-Westfalen bei rechtlichen Fragen. Im Format „Fall des Monats“ stellt sie nun regelmäßig einen besonderen Sachverhalt vor, der sich aus einer zu bearbeitenden Anfrage oder aus aktueller Rechtsprechung ergibt.
Ausgangspunkt
Diese Erstauflage befasst sich mit der urheberrechtlichen Zulässigkeit einer Collage, die sich aus fremden urheberrechtlich geschützten Werken zusammensetzt. Eine Collage ist dabei eine künstlerische, literarische oder musikalische Ausdrucksform, die aus mehren zusammengefügten Elementen besteht (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Collage, letzter Abruf: 11.03.2025).
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Rechtliche Bewertung
Auf rechtlicher Ebene stellt sich zunächst die Frage, ob die Einbindung eines fremden Werkes in eine Collage als eine freie Benutzung oder als eine zustimmungsbedürftige Bearbeitung einzuordnen ist (1.). Da es sich bei einer Collage regelmäßig um eine zustimmungsbedürftige Bearbeitung handeln dürfte, ist deren Zulässigkeit aufgrund des Zitatrechts (2.) oder als Pastiche (3.) zu prüfen.
1. Keine freie Benutzung gem. § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG
Die Einarbeitung eines Werkes in eine Collage dürfte regelmäßig eine zustimmungsbedürftige Bearbeitung gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG sein. Gemäß § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG liegt eine freie Benutzung nur vor, wenn die Collage als neues Werk einen hinreichenden Abstand zu dem genutzten Originalwerk darstellt. Bei der Abgrenzung kommt es stets auf den Einzelfall an. Dabei stehen die Übereinstimmungen, nicht die Unterschiede der zu vergleichenden Werke im Vordergrund. Ein hinreichender Abstand liegt nicht vor, wenn das neue Werk auch weitere, abweichende Elemente enthält. (Wandtke/Bullinger/Bullinger, 6. Auflage 2022, § 23 UrhG, Rn.36 und 38). Bei der Erstellung einer Collage wird das Originalwerk mit weiteren Elementen zusammengesetzt. Dementsprechend hat das OLG Köln schon 1997 eine freie Benutzung verneint, wenn aus dem Werkfundus eines Künstlers verschiedene urheberrechtlich geschützte Elemente herausgegriffen und neu kombiniert werden (OLG Köln, Urteil vom 10. 1. 1997 – 6 U 94–96, NJW 1998, 1416).
2. Kein Zitat
Die Einarbeitung eines Werkes in eine Collage dürfte auch nicht als Zitat gemäß § 51 S. 1 UrhG gerechtfertigt sein, obwohl neben dem Textzitat und dem Musikzitat selbst die Übernahme von Bildwerken auch zu nicht-wissenschaftlichen Zwecken vom Zitatrecht als sog. Bildzitat gedeckt sein kann (Dreier/Schulze/Dreier, 7. Auflage 2022, § 51 UrhG, Rn.24 m. w. N.). Allerdings müsste die Übernahme der anderen Werke in ein selbstständiges Werk erfolgen, vgl. § 51 Nr. 1-3 UrhG. Selbstständig ist ein Werk nur, wenn es sich nicht um die Bearbeitung oder andere Umgestaltung des zitierten Werkes handelt (Dreier/Schulze/Dreier, 7. Auflage 2022, § 51 UrhG, Rn.7 m. w. N. und Wandtke/Bullinger/Lüft, 6. Auflage 2022, § 51 UrhG, Rn.8). Bei einer Collage dürften die Einzelteile wegen des neuen Kontextes als Bearbeitungen anzusehen sein (s.o. 1.).
3. Mögliche Pastiche
Die Collage könnte aber als Pastiche gemäß § 51a S. 1 UrhG zulässig sein, der aus den übernommenen Werken zusammengesetzt ist. Der Begriff Pastiche stammt aus dem Unionsrecht und wurde erst vor einigen Jahren ins deutsche Recht umgesetzt, weshalb dieser noch weitgehend ungeklärt ist. So gibt es in der Literatur Stimmen, die ausdrücklich die Collage als mögliche Form des Pastiche nennen (vgl. Dreier/Schulze/Dreier, 7. Auflage 2022, § 51a UrhG, Rn.20 m. w. N). Die Entscheidung eines Obergerichts steht aber bislang noch aus. In einer der ersten Gerichtsentscheidungen hat das LG Berlin den Begriff wie folgt umschrieben:
Bei dem Pastiche geht es demnach um einen kommunikativen Akt der stilistischen Nachahmung, wobei auch die Übernahme fremder Werke oder Werkteile erlaubt ist. Der Pastiche setzt eine bewertende Referenz auf ein Original voraus […]. Das ältere Werk muss in Abgrenzung zum unzulässigen Plagiat so benutzt werden, dass es in einer veränderten Form erscheint. Dazu reicht es aus, dem Werk andere Elemente hinzuzufügen oder das Werk in eine neue Gestaltung zu integrieren […]. Da die Schranke der Meinungs- und Kunstfreiheit dient, ist ein Mindestmaß eigener Kreativität des Begünstigten erforderlich, ohne dass dabei die für eine Urheberrechtsschutzfähigkeit erforderliche Schöpfungshöhe erreicht werden muss. (LG Berlin, Urteil vom 2.11.2021 – 15 O 551/19, The Unknowable, ZUM-RD 2022, S. 498, Rn. 37.)
Die Formulierung des LG Berlin legt nahe, eine Collage als einen Pastiche anzusehen. Allerdings ist noch nicht gesagt, dass sich auch Obergerichte dieser Sichtweise anschließen werden. Dieses Risiko sollte man sich vor Veröffentlichung einer Collage bewusst machen. Ungeachtet der Einordnung als Pastische müsste eine Collage auch die weiteren unionsrechtlichen Nutzungsvoraussetzungen erfüllen. Gemäß Art. 5 Abs. 5 Info-Soc-RL darf eine Ausnahme wie ein Pastiche nur in den Fällen erfolgen
a) in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird
b) und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.
Hierbei ist eine Interessenabwägung im Einzelfall anzustellen. Bei dieser ist das Urheberrecht am jeweiligen Originalwerk mit der Kunstfreiheit des Schöpfers der Collage als Pastiche abzuwägen (BeckOK UrhR/Lauber-Rönsberg, 44. Edition 01.11.2024, § 51a UrhG, Rn.20). Je mehr der Kunstcharakter einer Collage gegenüber kommerziellen Interessen hervortritt, umso eher wird hier die Interessenabwägung zugunsten der Zulässigkeit der Collage ausfallen. Doch auch hier verbleibt ein Restrisiko, dass sich auch im Zweifelsfall das erkennende Gericht dem anschließt.
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Fazit
Die Collage dürfte eine Bearbeitung sein, die weder der freien Benutzung unterliegt und auch nicht vom Zitatrecht gedeckt ist (s.o. 1. und 2.). Die Collage könnte aber ein Pastiche sein, wobei die Rechtslage zu diesem Begriff bislang ungeklärt ist (3.). Zudem sind die weiteren unionsrechtlichen Voraussetzungen zu beachten. Auch bei diesen verbleibt ein Restrisiko, weil die Rechtmäßigkeit der Werknutzungen von einer Interessenabwägung im Einzelfall abhängt.