Dr. Mandy Duda: „Wir möchten die Geländearbeit und Baustellenvisitation um diversitätsoffene digitale Angebote erweitern“ – Teil 1

Regelmäßig stellen wir in unserem Blog OER-Projekte vor. Wir haben uns mit Dr. Mandy Duda von der Ruhr-Universität Bochum unterhalten. Im ersten Teil unseres Gesprächs stellt die Geowissenschaftlerin das OERContent-Projekt DRAGON Ruhr.nrw (Diversitätsoffene digitale Geländearbeit im Geoingenieurwesen der Universitätsallianz Ruhr) vor, spricht über das bereits abgeschlossene Projekt Digifit und verrät, welchen Herausforderungen sie in den Projekten begegnet ist.

 

ORCA.nrw: Frau Dr. Duda, können Sie uns etwas über das Projekt DRAGON Ruhr.nrw erzählen?

Dr. Mandy Duda: Das Projekt DRAGON Ruhr.nrw hat zum Ziel, die bislang ausschließlich physisch angebotene Geländearbeit und Baustellenvisitation in Studieninhalten an den Schnittstellen zwischen den Geowissenschaften und dem Bau- und Umweltingenieurwesen um diversitätsoffene digitale Angebote zu erweitern. Zusammen mit der Universität Duisburg-Essen (Geotechnik, Prof. Perau) und der Technischen Universität Dortmund (Geotechnik, Prof. Könemann) bilden wir (Ingenieurgeologie und Felsmechanik, Prof. Backers) ein interdisziplinäres Konsortium. Über diese Konstellation bin ich besonders glücklich, da wir zum einen erstmalig zusammenarbeiten und zum anderen ein besonderer Mehrwert für Studierende entsteht, denn in vielen Berufsfeldern arbeiten Geowisschenschaftler*innen und Bau- und Umweltingenieur*innen eng zusammen. Unsere modularen und flexiblen OER-Lerneinheiten sind so konzipiert, dass dieses Zusammenwirken bereits im Studium umgesetzt wird. Die Module können einzeln in Veranstaltungen integriert oder in beliebiger Kombination semesterübergreifend und sogar universitätsübergreifend im Rahmen von projekt- und forschungsorientierten Lernkonzepten eingesetzt werden. Inhaltlich begleiten wir zwei Projekte, die den Studierenden auch ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung bewusst machen: Zum einen handelt es sich um eine Böschungssanierung bei Schuld, die im Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 steht, zum anderen um eine Baustellenbegleitung im Düsseldorfer Medienhafen.

ORCA.nrw: Wie entstand die Idee zu DRAGON Ruhr.nrw?

Die Idee zu DRAGON Ruhr.nrw entstand lange vor der Antragstellung. Ein wesentlicher Aspekt der beruflichen Vorbereitung unserer Studierenden besteht in der Erfahrung dreidimensionaler Zusammenhänge des Baugrunds sowie des Bauwerks und deren zeitlicher und räumlicher Interaktion. Klassische Geländearbeiten und Baustellenvisitationen ermöglichen aber nur einen temporären Zugang zu diesen Lehrinhalten und sind teilweise abhängig von der Verfügbarkeit entsprechender Bauprojekte. Gerade in Wahlbereichen ist außerdem die Zahl der Teilnehmenden aus Sicherheitsgründen begrenzt. Diese Aspekte stellen Studierende und Lehrende regelmäßig vor Herausforderungen, weil auf die Lehrinhalte zur Vor- und Nachbereitung nicht direkt zugegriffen werden kann. Gleichzeitig muss durch Geländearbeit die Diversität unter den Studierenden besonders bedacht werden, wofür weltweit im Geoingenieurwesen erst in der jüngsten Vergangenheit das Bewusstsein erwacht ist: Geländearbeit ist nicht barrierefrei, berücksichtigt nicht die familiäre Situation der Studierenden, z.B. durch die Pflege von Angehörigen oder die Betreuung von Kindern, stellt hohe Anforderungen an die finanzielle Resilienz von Studierenden und geht daher auch nicht auf die Bildungsherkunft ein. Die Pandemie hat die Notwendigkeit und Dringlichkeit unseres Vorhabens zusätzlich verstärkt. Für Wege der Umsetzung wurden wir durch internationale Vorreiter*innen, unter anderem durch Arbeitsgruppen am University College London und der Washington University inspiriert. Mit DRAGON Ruhr.nrw haben wir ein unglaublich starkes Projektteam mit sehr engagierten jungen wie erfahrenen Kolleg*innen aufstellen können.

ORCA.nrw: Auch das Projekt Digifit, welches bereits abgeschlossen ist und zu dem es einen öffentlichen Kurs gibt, ist involviert. Können Sie dazu auch etwas sagen?

Das Projekt Digifit wurde vor DRAGON Ruhr.nrw innerhalb unserer Arbeitsgruppe Ingenieurgeologie und Felsmechanik an der Ruhr-Universität umgesetzt und durch das Digi-Fellowship gefördert. Hierbei ging es inhaltlich um die Digitalisierung einer geologischen Kartierung in Süddeutschland im Rahmen des Bachelorstudiums Geowissenschaften. Das war uns in einem ersten Schritt besonders wichtig, da diese Geländeveranstaltung verpflichtend ist und wir hier durch Digifit digitale Alternativen anbieten können. Das Ergebnis hat meine persönlichen Erwartungen deutlich übertroffen, was besonders meinen Kolleg*innen Julia Godlewska und Marc Ogan zu verdanken ist, die nicht nur ihr Fachwissen eingebracht haben, sondern sich auch hinsichtlich der technischen und didaktischen Umsetzung beeindruckendes Wissen angeeignet haben. Von diesen Erfahrungen profitieren wir jetzt enorm in DRAGON Ruhr.nrw, besonders, weil wir sie auch für dieses Projekt gewinnen und im Konsortium gleich in die inhaltliche Arbeit einsteigen konnten.

ORCA.nrw: Auf welche Herausforderungen sind Sie im Rahmen der Projekte gestoßen? Z.B. mit Blick auf das Urheberrecht, die konkrete Umsetzung der Projekte, Personal,…

Im Zentrum unseres Interesses steht der Baugrund. Auf der Skala der Herausforderungen, die mit Urheberrechten und Datenschutz einhergehen können, bewegen wir uns deshalb eher am unkomplizierten Ende. Dennoch müssen wir sicherstellen, dass wir das Material nutzen dürfen, das im Rahmen der Geländearbeit entsteht und Audio- sowie Videomaterial enthält, auf dem Studierende und Lehrende zu hören oder zu sehen sind. Da es für unsere Lehrinhalte bisher kein entsprechendes Material gibt, erstellen wir alle Lehrmaterialien selbst. Das ist urheberrechtlich, wie wir gelernt haben, vergleichsweise einfach zu regeln. Wir wurden dazu von den Netzwerkstellen von ORCA.nrw und im Rahmen von Informationsveranstaltungen umfassend beraten. Eine weitere Herausforderung besteht in der barrierearmen Gestaltung der Lehrmaterialien. Hier haben wir Unterstützung durch das Beratungszentrum zur Inklusion Behinderter (BZI) der RUB erhalten. Außerdem nehme ich am Fortbildungsprogramm des Zentrums für Wissenschaftsdidaktik (ZfW) teil, um die digitalen Lehrinhalte für Studierende möglichst ansprechend und didaktisch sinnvoll umzusetzen. Darüber hinaus gibt es fachliche Herausforderungen. Die digitalen Lehrinhalte haben Grenzen, zum Beispiel hinsichtlich des Erfahrens von Haptik und Härte der Gesteinsproben, dem Kornverband oder der großräumlichen Orientierung im Gelände. Wir stellen dazu genau die Gesteinsproben, die in den digitalen Lehrmaterialien explizit angesprochen werden, zur eigenständigen und barrierearmen Begutachtung an der RUB zur Verfügung. Die vermutlich größte Herausforderung besteht im personellen Aufwand, den eine Erstellung dieser digitalen Lehrinhalte mit sich bringt. Dabei geht es weniger um die Aufnahmen im Gelände, sondern mehr um die Nachbearbeitung von Video- und Audiomaterial, die Modellerstellung und die Aufwertung zu sinnvollen Lehrinhalten. Weil Absolvent*innen der Geowissenschaften und des Bau- und Umweltingenieurwesens momentan sehr gefragt sind, sind wir besonders froh, ein so hochqualifiziertes Team zu haben und für die Förderung ausgesprochen dankbar.

Abbildung: Foto des 3D-Modells einer Böschung bei Schuld im Ahrtal; Julia Godlewska; lizensiert unter CC-BY-SA 4.0

 

Hier geht’s zu Teil 2 des Interviews.

 

Die Interviewpartnerin

Nach ihrem Studium der Geowissenschaften und der Promotion in der experimentellen Geophysik an der Ruhr-Universität Bochum war Mandy Duda zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt. Ab 2014 übernahm sie die Leitung der Labore für Geotechnologien am Internationalen Geothermiezentrum und war ab 2017 außerdem als Nachwuchsprofessorin an der Hochschule Bochum tätig. Seit 2019 ist sie Teil der Arbeitsgruppe Ingenieurgeologie und Felsmechanik der Ruhr-Universität Bochum.