„Ergebnisse bestätigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind“

An 37 Hochschulen in Nordrhein-Westfalen tragen die Netzwerkstellen von ORCA.nrw mit ihrer Arbeit dazu bei, dass immer mehr Lehrende offene Bildungsressourcen (OER) nutzen, produzieren und teilen. Dafür gibt es zahlreiche Angebote und vor allem eine persönliche Ansprechperson an jeder Hochschule, die Lehrenden bei Fragen rund um OER und digitale Lehre mit Rat und Tat zur Seite steht. Sarah Schotemeier (Universität Münster), Christina Josupeit (Hochschule für Gesundheit in Bochum) und Dr. Tassja Weber (Universität Paderborn) sind drei von ihnen. Zusammen mit weiteren Netzwerkstellen haben sie 2021 in der Netzwerk-AG Open Educational Culture (vormals AG Kultur des Teilens) eine Umfrage unter Lehrenden in NRW gestartet, um besser zu verstehen, warum OER genutzt, produziert und geteilt wird – und warum noch nicht. Über die Ergebnisse und die Entstehungsgeschichte sprechen sie im Interview.

 

Wie ist die Idee zur Umfrage entstanden?

Sarah Schotemeier: Daran erinnere ich mich noch gut. Wir haben Anfang 2021 mit mehreren Netzwerkstellen von ORCA.nrw die AG Kultur des Teilens gegründet und zunächst überlegt, wie wir diese Kultur an den Hochschulen etablieren können. Dabei war uns schnell klar, dass wir einen empirisch erfassten Überblick über die Beweggründe und Motive zur Nutzung und Produktion von OER in NRW haben wollen.

 

Was war das Ziel der Umfrage?

Christina Josupeit: Wir wollten ein breiteres Bild erhalten, was Lehrende über OER denken, und warum sie sie nutzen und erstellen – oder eben auch nicht. Eine unserer Aufgaben ist ja, Lehrende zu erreichen, die aktuell noch keine OER einsetzen oder produzieren, entsprechend wichtig ist es für mich in meiner Arbeit, zu wissen, woran das liegen könnte. So kann ich diesen Faktoren im Rahmen meiner Möglichkeiten entgegenwirken und zum Beispiel anbieten, an der ein oder anderen Stelle Arbeit abzunehmen. Wir können so besser die Perspektive der Lehrenden einnehmen und sagen: „Ja, OER lohnt sich!“

Schotemeier: Wir wollten unbedingt die Bedarfe von Hochschullehrenden besser verstehen, um unsere Angebote darauf anzupassen und nicht an ihnen vorbeizuarbeiten. Dafür haben wir dann verschiedene Handlungsbereiche in den Fokus genommen: zum einen den Nutzen von OER, aber auch das Produzieren und Veröffentlichen. Die Annahme war, dass sich Lehrende hier an unterschiedlichen Stadien befinden. Und wir wollten durch die Umfrage verstehen, was die Bedarfe von Lehrenden wirklich sind. Im Sommer 2021 haben wir dann alle 37 Hochschulen angeschrieben, insgesamt haben 240 Lehrende teilgenommen, von denen wir 167 auswertbare Daten ziehen konnten. Wir wissen, dass die Umfrage nicht repräsentativ ist, aber aus den Daten konnten wir einiges ablesen.

 

Ihr habt in der Umfrage unter anderem die Frage gestellt: „Was motiviert?“

Dr. Tassja Weber: Zunächst haben wir die Handlungsbereiche ähnlich strukturiert: Was ist der Ist-Stand? Welche Beweggründe gibt es zu den OER-Aktivitäten? Und, wenn es bisher keine Aktivitäten gab, was ist eigentlich der Grund dafür? Generell kann man sagen, dass Lehrende immer dann motiviert sind, wenn sie grundsätzlich den Wert von Offenheit und Austausch schätzen. Dann produzieren und teilen sie ihr Material gerne mit anderen. Wenn sie Material teilen, freuen sich viele Lehrende, dass ihr Material auch für andere nutzbar und es nachhaltig ist. Bei der Nutzung sind Lehrende vor allem dann motiviert, wenn sie sehen, dass Material gut und einfach in die eigene Lehre einzubinden ist. Das Stichwort ist hier Aufwandseinsparung.

 

Mit welchem Ergebnis hattest du vorher am wenigsten gerechnet?

Weber: Ich fand sehr interessant, dass die beiden Hauptgründe für Lehrende, OER zu produzieren, dem ersten Anschein nach widersprüchlich sind. Die Mehrheit war motiviert, OER zu teilen, wenn sie eine generell schon positive Grundhaltung zum Thema Offenheit hatte. Der zweite Grund war aber dann der finanzielle Anreiz. Also sind die Werte wichtig, aber wir müssen auch anerkennen, dass Fördermittel einen Anreiz darstellen.

 

Die zweite Leitfrage der Umfrage war die nach den Hinderungsgründen.

Weber: Hier haben wir durch alle Handlungsbereiche hindurch die rechtlichen Unsicherheiten vorn. Lehrende gaben mehrheitlich an, sie hätten zu wenig Wissen über das Thema OER und zu CC-Lizenzen und wissen nicht, was sie beachten müssen. Das hindert sie, OER zu nutzen, zu produzieren und zu teilen. Darüber hinaus ist aus den Daten auch ersichtlich, dass Lehrende mit dem Produzieren von OER einen höheren Aufwand verbinden. Das ist interessant, da bei der Nutzung auf der Gegenseite oft die Zeitersparnis als großer Vorteil von OER genannt wird.

 

Die Umfrage ist inzwischen schon zwei Jahre her. Welche konkreten Ableitungen konntet ihr für eure Arbeit direkt an der Hochschule aus ihr ziehen?

Josupeit: Wir als Netzwerkstellen arbeiten ja nicht nur mit den Lehrenden, sondern auch in unseren jeweiligen Hochschulstrukturen. Die Ergebnisse sind wichtig, um OER gezielt bekannter zu machen. Ich arbeite zum Beispiel seit einiger Zeit sehr eng mit unserem Lehr-/Lernzentrum zusammen, damit dort immer wieder OER-Angebote vorhanden sind und OER einfach Thema ist.

Schotemeier: Wir haben natürlich geschaut, welche Angebote wir haben und wie wir sie noch besser einsetzen und gegebenenfalls weiterentwickeln können. Die rechtlichen Aspekte wurden oft als Hinderungsgrund genannt, also versuchen wir zum Beispiel unsere Rechtinformationsstelle noch intensiver in der Arbeit mit Lehrenden einzubeziehen. Auch durch Angebote wie unsere OER-Fachtage können wir zielgerichtet informieren und aufklären. In der AG Kultur des Teilens, die mittlerweile den Namen „AG Open Educational Culture“ trägt, verfassen wir zudem gerade einen Katalog mit Handlungsempfehlungen, um Lehrenden mit den genannten Bedenken noch besser in unserer Rolle als Netzwerkstelle von ORCA.nrw begegnen zu können. Alles in allem waren die Ergebnisse aber auch eine Bestätigung, dass wir mit unseren Maßnahmen auf dem richtigen Weg sind.

 

Zu den Ergebnissen von „OER in NRW – Was motiviert? Was hindert?“

 

Zu den Personen:

Porträt Sarah Schotemeier

 

Sarah Schotemeier (37) arbeitet seit Oktober 2020 unter anderem als ORCA.nrw-Netzwerkstelle am Zentrum für Hochschullehre an der Universität Münster. Seit 2010 hat sie als Mediendidaktikerin in vielfältigen Projekten im Bereich Digitale Medien in der Hochschullehre mitgewirkt. Ihre Schwerpunkte liegen sowohl in der Vernetzung von unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren als auch in der Beratung und dem Coaching.

 

 

Porträt Christina Josupeit

 

Christina Josupeit (34) arbeitet seit Juli 2021 als ORCA.nrw-Netzwerkstelle in der Stabsstelle für Qualität in Studium und Lehre an der Hochschule für Gesundheit in Bochum. Nebenbei promoviert sie an der Universität Duisburg-Essen mit einem eigenen Forschungsprojekt. Als Erziehungswissenschaftlerin mit einem großen Herz für empirische Sozialforschung war sie zuvor in der Methodenberatung an der Hochschule Düsseldorf tätig und verfügt über mehrere Jahre Lehrerfahrung.

 

Porträt Dr. Tassja Weber

 

Dr. Tassja Weber (35) arbeitet seit April 2021 in der Stabsstelle für Bildungsinnovationen und Hochschuldidaktik an der Universität Paderborn und ist dort als Netzwerkstelle ORCA.nrw die zentrale Ansprechperson zum Thema Open Educational Resources und ORCA.nrw. Die promovierte Sprachwissenschaftlerin war zuvor als akademische Mitarbeiterin an der Universität Mannheim tätig und verfügt über mehrere Jahre Forschungs- und Lehrerfahrung im Hochschulkontext.

 

An der Umfrage haben folgende weitere Personen mitgewirkt:

Bianca Geurden und Markus Jahn unter Mitarbeit von Sinika Schäfer und Anne Krüger